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Verhandlungen mit Farc-Rebellen„Zivilgesellschaft erhebt ihr Haupt“

Der kolumbianische Menschenrechtsaktivist Castro ist vorsichtig optimistisch, wenn er über die Verhandlungen zwischen Regierung und Farc-Rebellen spricht.

Die Niederländerin Tanja Nijmeijer: Sie repräsentiert die Farc bei den Friedensverhandlungen in Havanna. Bild: reuters
Interview von Knut Henkel

taz: Herr Castro, die Farc-Guerilla hat am Montag einen einseitigen Waffenstillstand für die nächsten zwei Monate verkündet. Was halten Sie davon?

Iván Cepeda Castro: Ein begrenzter einseitiger Waffenstillstand ist ein Schritt zum Frieden, dem die Regierung nacheifern sollte. Das rettet Leben und schafft Vertrauen.

Welche Rolle kann und welche Rolle darf die Zivilgesellschaft bei den Friedensverhandlungen in Havanna spielen?

Grundsätzlich ist die Nachricht, dass verhandelt wird, erst einmal sehr ermutigend. Wenn das Erfolg haben sollte, würden in unserem Land erstmals seit fünfzig Jahren die Waffen schweigen. Achthundert zivile Organisationen unterstützen den Friedensprozess, der in einem sich wandelnden lateinamerikanischen Kontext stattfindet.

Es gibt einen Trend zu neuen Gesellschaftsformen, zu mehr Rechtsstaatlichkeit und sozialer Entwicklung. In Kolumbien gibt es jedoch kaum eine staatliche Institution, die nicht in einer Glaubwürdigkeitskrise steckt – vom Parlament bis zu den Sozialeinrichtungen gibt es Korruptionsskandale. Und die soziale Krise hat sich verschärft.

Klafft die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander?

Bild: privat
Im Interview: Iván Cepeda Castro

, 50, ist Jurist und langjähriger Sprecher der Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen. Er ist Abgeordneter im kolumbianischen Kongress. 1994 wurde sein Vater ermordet.

Genau. Kolumbiens Einkommensverteilung ist die ungerechteste in Lateinamerika. Weltweit ist sie nur noch in zwei Ländern noch ungünstiger. Ein einfacher Arbeiter verdient 250 US-Dollar im Monat, Funktionäre in höheren Chargen 15.000. Wir erleben ein soziales Desaster.

Besonders betroffen sind die ländlichen Regionen, in die die transnationalen Konzerne drängen, um Ressourcen zu Tage zu fördern. Auf der anderen Seite erhebt die Zivilgesellschaft nach acht Jahren der autoritären Regierung, die auf den Krieg setzte, wieder ihr Haupt. Davon profitiert auch von meine Partei Polo Democrático Alternativo.

Erste Runde

In Havanna haben am 19. November offizielle Friedensgespräche zwischen Kolumbiens Regierung und den linksgerichteten Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc) begonnen. Letztere kündigten eine einseitige Waffenruhe für zwei Monate an, um das nötige „Klima der Verständigung“ beider Seiten herzustellen. Eine spätere Erklärung stellte jedoch klar, dass die Farc sich bei Angriffen wehren werde.

Die Regierung begrüßte die Waffenstillstandserklärung als „positive Geste“, lehnte aber nicht nur einen eigenen Waffenstillstand ab, sondern auch, über eine Feuerpause nur zu sprechen. Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón sagte, man werde die militärischen Angriffe gegen die Guerilla fortführen. Der Sicherheitsexperte Alfredo Rangel bezeichnete die Waffenstillstandserklärung der Farc als eine betrügerische Ankündigung zu Propagandazwecken.

An den Gesprächen, deren ersten Runde auf zehn Tage angesetzt ist, nehmen auch Vertreter der kolumbianischen Zivilgesellschaft teil. In monatelangen Vorgesprächen waren fünf Themen vereinbart worden. Zuerst soll über die ungleiche Landverteilung in Kolumbien verhandelt werden, die in den 60er Jahren den Anstoß zur Farc-Gründung gegeben hatte. Seitdem sind in dem Konflikt etwa 600.000 Menschen getötet und vier Millionen vertrieben worden. Bisher scheiterten drei Versuche, Frieden zu schließen. (taz, epd, afp)

Die internationalen Kritiken für die Regierung Santos sind sehr positiv, aber wie beurteilen Sie die Menschenrechtssituation, das Landgesetz und das Gesetz für die Opfer. Haben sie etwas bewirkt?

Diese Gesetze sind ein Erfolg jahrelangen Engagements und weniger eine politische Konzession. Diese Gesetze haben immerhin einige Mechanismen aufdecken können, aber sie werden durch die offene Straflosigkeit in Kolumbien, die durch die Rückkehr der Militärgerichtsbarkeit noch verstärkt werden soll, untergraben.

Zwar soll es eine Landrückgabe und eine Wiedergutmachung geben, aber die Summen sind beschämend. Und konkrete Landrückgaben wird es nur dann geben, wenn die Flächen nicht von einem internationalen Investor beansprucht werden.

Die Widerstände gegen Verhandlungen mit der Farc sind beachtlich.

Die Voraussetzungen der Verhandlungen sind nicht gut. Der mächtige Ex-Präsident Álvaro Uribe hat „Verhandlungen mit Terroristen“ abgelehnt. Er spricht für einen erzkonservativen Sektor. Er vertritt die Viehzüchter, die auf großen Mengen Brachland sitzen, und die Besitzer von Ölpalmplantagen und riesigen Zuckerrohrflächen. Uribe selbst ist längst Großgrundbesitzer und dieser Sektor kann Probleme bereiten.

Aufgrund der Verurteilungen und Ermittlungen ist Uribe aber angeschlagen.

Man sollte ihn nicht unterschätzen. Uribes Image in Ausland hat gelitten. Die Auslieferung seines Sicherheitschefs an die USA spricht Bände.

Es agieren immer noch rund 10.000 Paramilitärs – wie soll es mit denen weitergehen?

Die Paramilitärs sind nicht nur eine bewaffnete Gruppe, sondern der militärische Arm einer bestimmten Gesellschaftsschicht. Die haben eine starke Präsenz. Die Demobilisierung ist keine Lösung, denn man muss auch die Institutionen von ihnen befreien, in denen sie sich in vielen Zonen Kolumbiens festgesetzt haben.

Im Unterschied zur Farc, die politischen Raum beansprucht und Sicherheitsgarantien benötigt, sind die Paramilitärs Söldner, die bezahlt werden. Das ist ein wichtiger Unterschied. Die Farc-Guerilleros verfolgen eine Ideologie – die Paramilitärs nicht.

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3 Kommentare

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  • CL
    Colombia libre

    Mich würde genauer interessieren, wer aus der Zivilgesellschaft an den Verhandlungen teilnimmt und wie repräsentativ diese sind. Das Wort "Zivilgesellschaft" ist ja nicht unbedingt aussagekräftig und kann vieles bedeuten. Geht es hier um soziale Bewegungen, die gegen neoliberale Politik und Privatisierung in Kolumbien kämpfen, geht es um Indigenas, Kleinbauern, Frauenorganistationen oder geht es um irgendwelche Scheinorganisationen, die von der Wirtschaft und Regierung bezahlt werden? Der Terrorpräsident Uribe hat ja bekanntlich jede Form von zivilgesellschaftlicher Entwicklung bekämpft und unterdrückt, für ihn waren alle kritischen Stimmen und sozialen Bewegungen von der FARC unterwandert und daher "Terroristen". Es ist also an sich zu begrüßen, dass die Zivilgesellschaft an den Verhandlungen teilnimmt, es ist nämlich ein Zeichen, dass Kolumbien demokratischer wird, die Frage ist aber: wer ist diese Zivilgesellschaft?

  • UH
    Udo Henn

    Die Zivilgesellschaft hat mit Recht ueber 8 Jahre lang in demokratischer Weise die Kraefte an die Macht gebracht, die auf Haerte gegenueber den Farc setzten bzw. setzen. Mit dem grossem Erfolg, dass diese, nunmehr stark geschwaecht, an den Verhandlungstisch gezwungen wurden.

    Und was soll das fuer eine "Ideologie" sein, die die Farc verfolgen? Sichtbar sind nur Terror, Entfuehrungen, Zwangsrekrutierungen, Drogenhandel, etc. Wenn sich der Polo democratico damit identifiziert, wird er bestimmt keine Renaissance erleben.

  • JZ
    jan z. volens

    Es kann noch alles schief gehen und wird nicht alle gluecklich machen: Aber Kolumbien scheint jetzt auf dem Weg welcher heute das Model ist in Suedamerika : Links und Rechts bewegen sich zur Mitte - und zur Unabhaengigkeit von USA und NATO-EU. Man hat von der Vergangenheit gelernt: Das U.S. Rezept "Winner takes all", und das Marx-Lenin Rezept "Klassenkampf" - passt nicht in die "personalidad" der Menschen in Lateinamerika. Das Rezept von Lula da Silva in Brasilien "Ich war nur nie ein Linker" - also "Verhandlung" fuer einen "Vertrag" zwischen den "Klassen" und "nationalistische Entwicklung" mit guten Sozialprogrammen. Freundlich gegenueber USA und NATO-EU - aber nie vergessen - das sind heute die einzigen "Adversarios". Praesident Juan Manuel Santos, von Kolumbiens aeltester Oligarchenfamilie - hat kalkuliert das man auch Geld machen kann wenn man etwas fuer soziale Gerechtigkeit abteilt. In Brasilien hat die groesste "Mitte" Partei PMDB jetzt schon die Unterstuetzung beschlossen fuer die Wiederwahl der " linken Sozialdemokratin" (einst "Guerrillera"!) Dilma als Praesident 2014-2019.