Verhandlung wegen Facebook-Post: Hetze gegen Geflüchtete
Auf Facebook bezeichnete Bianca K. Asylbewerber als „Parasiten“. Das Amtsgericht Blankenese muss nun entscheiden, ob das Volksverhetzung ist
Ist die Bezeichnung „Parasit“ eine Volksverhetzung? Die 49-jährige Bianca K. muss sich gegen diesen Vorwurf vor dem Amtsgericht Blankenese verteidigen. Auf Facebook verbreitete sie einen Artikel der rechtspopulistischen Website unzensuriert.at, in dem es um sieben Asylbewerber ging, die angeblich kommunale Arbeit im sächsischen Waldenburg verweigerten. Angeblich sagten die Asylbewerber, sie seien Merkels Gäste, und Gäste müssten nicht arbeiten. Den Post kommentierte die Angeklagte mit „LOL, ach nee, das sind einfach nur miese Parasiten“.
Während der Hauptverhandlung am Amtsgericht in Blankenese am Donnerstagmorgen verweigerte die Angeklagte die Aussage. Sie saß schweigend neben ihrer Rechtsanwältin und blickte auf ihre Notizen, ein großes Kreuz baumelte an einem Band über ihrem Pullover. Als der Zeuge Michael W. vernommen wurde, schaute sie ihn nicht an.
W. hatte die Staatsanwaltschaft über den Facebook-Beitrag, informiert, nachdem er in den Kommentaren mit K. und anderen diskutiert hatte. Daraufhin nahm die Staatsanwaltschaft im Februar Ermittlungen auf. Als W. aussagte, dass K. Flüchtlinge generell als Parasiten bezeichnet habe, schüttelte die Angeklagte verständnislos den Kopf. Einsichtig zeigte sich K. nicht. Sie gab zwar zu, dass der Post mit dem Parasiten-Kommentar von ihr stamme, wollte aber keine Schuld eingestehen.
Die Verteidigerin von K. las einen Antrag zur Beweisaufnahme vor, in dem sie forderte, dass der Artikel von unzensuriert.at vorgelesen wird, damit der Kontext des Kommentars deutlich werde. Die Oberstaatsanwältin protestierte, da dies nur der Verbreitung des Inhalts diene. Die Richterin las den Artikel trotzdem vor.
Der Strafbestand der Volksverhetzung ist in Paragraf 130 im Strafgesetzbuch geregelt. Er sieht bis zu fünf Jahre Haft vor. Meist wird aber eine Geldstrafe verhängt, vor allem bei Menschen ohne Vorstrafe.
Das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main hat im Jahr 2000 die Bezeichnung von Ausländern als „Sozialparasiten“ als Volksverhetzung gewertet.
Die Menschenwürde wird explizit von dem Gesetz geschützt.
Die Verteidigung argumentierte in ihrem Antrag zur Beweisaufnahme, dass der Strafbestand der Volksverhetzung nicht gelte, denn „es fehle ein Angriff auf die Menschenwürde“. Die Bezeichnung als „Parasiten“ sei eine Meinungsäußerung. Außerdem beziehe sich die Äußerung der Angeklagten nicht auf alle Asylbewerber, sondern nur auf die in dem Artikel erwähnten.
Eine Recherche auf Facebook vermittelt einen Einblick in K.s Gesinnung. Sie markiert Beiträge der AfD, der Identitären Bewegung und der NPD mit „Gefällt mir“. Sie ist Mitglied in den Gruppen „Anti islamische Allianz Abendland“, „Patriotischer Widerstand Deutschlands“ und „TEAM 69 Identitäre Patrioten“.
Der Verhandlungstag endete nach einer Stunde, da eine Zeugin nicht erschien und die Vermögensverhältnisse der Angeklagten ungeklärt sind. Sichtlich erleichtert, dass es am Donnerstag zu keinem Urteil kam, verließ K. den Gerichtssaal.
Die Staatsanwaltschaft fordert 120 Tagessätze à 30 Euro. Damit wäre K. vorbestraft. Auf ihrem öffentlichen Facebook-Profil schrieb K. nach der Verhandlung: „Die werte Staatsanwältin war zumindest eifrig im Einladen von Presse gewesen und pöbeln konnte sie auch gut, ein Schelm der böses dabei denkt. Eine so hasserfüllte Person ist mir noch nie begegnet!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen