Verhältnis USA zu Lateinamerika: Übernimmt Venezuela Kubas Rolle?
Nur einen Tag nach der Annäherung an Kuba setzt Barack Obama Sanktionen gegen venezolanische Funktionäre in Kraft. Mit dem Ölpreis sinkt der Einfluss.
BUENOS AIRES taz | US-Präsident Barack Obama hat am Donnerstag die vom Kongress geforderten Sanktionen gegen venezolanische Funktionäre in Kraft gesetzt. Zwar kommt der Schritt nicht unerwartet, aber die zeitliche Nähe zu seiner gerade angekündigten Annäherung zwischen den USA und Kuba überrascht dann doch. Es scheint, als schlittere nunmehr Venezuelas Präsident Nicolás Maduro in die Isolation.
Die Sanktionen betreffen vor allem Regierungs- und Parlamentsmitglieder, denen in den USA Menschenrechtsverstöße gegen die Opposition während der gewaltsamen Proteste im Laufe des Jahres in Venezuela zugeschrieben werden, bei denen über 40 Menschen ums Leben kamen. Deren mögliche Vermögenswerte in den USA können jetzt eingefroren werden, zukünftig sollen ihnen keine Einreisevisa mehr erteilt werden.
Wer und wie viele davon betroffen sind, ist bislang nicht bekannt – aus US-Regierungskreisen heißt es, man arbeite noch an der Liste. Die von beiden Kammern im US-Kongress in der zweiten Dezemberwoche mit Mehrheit verabschiedeten Maßnahmen, sind deshalb erster Linie eine Retourkutsche für das juristische Vorgehen der venezolanischen Regierung gegen Politiker der Opposition.
Unter der Anschuldigung, die gewaltsamen Proteste geschürt zu haben, sitzen derzeit mehrere Bürgermeister und der prominente Oppositionsführer Leopoldo López im Gefängnis. Während die Bürgermeister im Eilverfahren verurteilt wurden, schleppt sich das Verfahren gegen den seit Februar einsitzenden López dahin. Ein ähnliches Verfahren versucht die Regierung gerade gegen konservative Oppositionelle María Corina Machado anzustrengen.
„Unverschämte Maßnahmen der imperialen Elite“
„Ich weise die unverschämten Maßnahmen der imperialen Elite der Vereinigten Staaten gegen Venezuela zurück,“ wetterte Präsident Nicolás Maduro und nannte Obamas Unterschrift „eine falschen Schritt.“ Noch am Mittwoch hatte er Obamas Zugehen auf Kuba als „vielleicht wichtigsten Schritt in seiner Präsidentschaft“ gewürdigt. Zum einen habe Obama das Scheitern der Blockadepolitik gegen Kuba eingesehen, aber gleichzeitig beginne er eine „neue Etappe in der Eskalation“ gegen Venezuela.
Ist das das schon seit Chávez‘ Zeiten bekannte lautstarke Poltern gegen den vermeintlichen Aggressor im Norden, oder liegen bei Maduro doch die Nerven blank? Maduro galt immer als Kubas Mann in Caracas. Die Castro-Brüder sollen den bereits kranken Chávez davon überzeugt haben, ihn öffentlich als seinen Nachfolger vorzuschlagen.
Jetzt halten sich hartnäckig die Gerüchte, Maduro sei über die Annäherung zwischen den USA und Kuba nicht im Bilde gewesen. Wenn beide Seiten tatsächlich seit 18 Monaten verhandeln, dann heißt das, dass sie bereits kurz nach Chávez‘ Tod im März 2013 damit angefangen haben – ohne Wissen Maduros? Zumindest der Zeitpunkt der Ankündigung am Mittwoch könnte für den venezolanischen Präsidenten überraschend gewesen sein, und es dauerte viele Stunden, bis er eine Stellungnahme dazu abgab.
Dass er sich nicht sofort äußerte, könnte allerdings auch daran gelegen haben, dass er gerade zum Gipfeltreffen der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur in die argentinische Stadt Paraná unterwegs war. Die US-kubanische Annäherung erwischte ihn jedenfalls zum falschen Zeitpunkt. Und dennoch musste er gute Miene zum für ihn bösen Spiel machen.
Niedriger Ölpreis bedroht ganz Petrocaribe
Seit Jahren hält Venezuela die kubanische Wirtschaft mit billigen Öllieferungen am Laufen. Im Gegenzug versehen nicht wenige kubanische Ärzte in den venezolanischen Barrios ihren Dienst. Ein Großteil des Öls wird von der kubanischen Führung direkt zu Weltmarktpreisen weiterverkauft.
Der seit Monaten sinkende Ölpreis und die schlimmen Erfahrungen mit der einstmaligen Abhängigkeit von der Sowjetunion könnten die Castro-Brüder dazu veranlasst haben, ihrerseits auf den US-Präsidenten zuzugehen. „Kuba weiß, dass dieses Modell nicht funktioniert. Nicolás [Maduro] steht schlecht da, die USA und Kuba haben ihm Hörner aufgesetzt,“ höhnt Venezuelas Oppositionsführer Henrique Capriles
Nicht nur Venezuela leidet unter den Einnahmeverlusten durch den sinkenden Ölpreis, sondern alle 18 Mitgliedstaaten der 2005 auf Venezuelas Betreiben gegründeten Petrocaribe. Salopp beschrieben bekommen die Mitgliedstaaten verbilligtes venezolanisches Öl, das sich Caracas vor allem gegen politische Unterstützung in internationalen Gremien zurückzahlen lässt. Doch so wie der Ölpreis sinkt, verringert sich auch der Einfluss Venezuelas. Die Annäherung Kubas und der USA könnte dafür das Sinnbild sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier