Verhältnis Deutschland-Türkei: Warnt die Regierung deutlich genug?
Im Wahlkampf diskutieren die Parteien über Sicherheitshinweise für Türkei-Reisen. Bisher gibt es keine formelle Reisewarnung.
Zwei Deutsche hat die Flughafenpolizei Antalya am Donnerstag festgenommen, nach Angaben des Auswärtigen Amts auf Grundlage „politischer Tatvorwürfe“. Direkten Kontakt zu den beiden haben die türkischen Behörden dem deutschen Konsulat bis Sonntagmittag nicht gewährt. Laut Bundesregierung liegt die Zahl der „im Nachgang des Putsches inhaftierten Deutschen“ inzwischen bei zwölf.
In Deutschland forderten daher am Wochenende Politiker mehrerer Parteien eine offizielle Reisewarnung für die Türkei. „Es braucht jetzt sofort eine amtliche Reisewarnung“, sagte Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht den Zeitungen der Funke-Gruppe. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der Bild, die Situation sei so ernst, „dass ich niemandem mehr mit gutem Gewissen sagen kann, dass man in der Türkei derzeit sicher ist“. Ähnlich äußerte sich auch FDP-Chef Christian Lindner.
Das Auswärtige Amt rät bei Türkei-Reisen schon seit Ende Juli zur Vorsicht. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte damals nach der Festnahme des Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner eine Kursänderung in der Türkei-Politik angekündigt. „Zuletzt waren in der Türkei in einigen Fällen Deutsche von freiheitsentziehenden Maßnahmen betroffen, deren Grund oder Dauer nicht nachvollziehbar war“, heißt es seitdem in den Sicherheitshinweisen im Internet. „Im Einzelfall“ drohten auch Strafmaßnahmen.
Forderung nach Reisewarnung
Eine offizielle Reisewarnung ist das aber noch nicht. Eine solche spricht das Auswärtige Amt nur bei „Gefahr für Leib und Leben“ aus; in solchen Fällen rät es von Reisen in das entsprechende Land oder bestimmte Regionen ab. Reisewarnungen gibt es derzeit für Krisenregionen wie die Ostukraine, Staaten wie Afghanistan und Gebiete wie die Gegend um das Atomkraftwerk Fukushima. Bedeutend sind sie vor allem für Touristen und Reiseunternehmen: Spricht das Auswärtige Amt eine Reisewarnung aus, haben es Kunden einfacher, ihre Buchungen gebührenfrei zu stornieren.
Eine solche Warnung plant das Ministerium derzeit nicht. Trotz der Ankündigung Gabriels hat die Bundesregierung ihre Türkei-Politik auch sonst noch nicht grundlegend verändert. Weder hat sie gemäß der Anregung des Außenministers die Hermes-Bürgschaften für Exportgeschäfte mit der Türkei gedeckelt, noch wurden auf EU-Ebene die Vorbeitrittshilfen an Ankara gestrichen.
CSU und Linkspartei stellten am Wochenende erneut eine noch weitergehende Forderung: nach dem Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. „Jeder Versuch, dies mit Diplomatie allein zu lösen, ist gescheitert. Deshalb müssen die EU und die Bundesregierung deutliche Signale setzen“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer den Nürnberger Nachrichten. Ähnlich äußerte sich Linken-Chef Dietmar Bartsch.
Die türkische Regierung verwahrte sich gegen Kritik aus Deutschland. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu fragte die Bundesregierung nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu wörtlich: „Was geht dich das an?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin