Vergleich mit Nazi-Justiz: Karadzic boykottiert seinen Prozess
Der wegen Völkermords angeklagte ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic boykottiert seinen Prozess. Das Verfahren gegen ihn sei "unfair", schrieb er in einem Brief an den UN-Strafgerichtshof.
DEN HAAG dpa | Er werde zur Prozesseröffnung am kommenden Montag nicht vor den Richtern erscheinen, erklärte Karadzic in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an den UN-Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.
In dem Schreiben versteigt sich Karadzic sogar zu einem Vergleich des UN-Gerichts mit der Nazi-Justiz. Als wichtigsten Grund für seinen Boykott gibt der 64-Jährige an, ihm sei nicht genügend Zeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung eingeräumt worden.
Karadzic vergleicht UN-Gericht mit Nazi-Justiz
Die Staatsanwaltschaft habe ihn "begraben unter einer Million Seiten" von Dokumenten "nur um dann relevantes Material erst viele Monate nach meiner Verhaftung herauszugeben", heißt es in dem vom UN-Gerichtshof veröffentlichten Brief vom Mittwoch. Darin wirft Karadzic dem Jugoslawien-Gerichtshof indirekt vor, ein Instrument "der Feinde Serbiens und der NATO" zu sein.
Die Gerichtssprecherin Nerma Jelacic erklärte auf Anfrage, es gebe ungeachtet der Boykottankündigung "derzeit keinerlei Anzeichen für eine Vertagung" des Prozesses. "Die Kontrolle über das Verfahren liegt einzig und allein bei den Richtern." Zum Inhalt des Briefes wollte die Sprecherin nicht Stellung nehmen.
In dem stark polemisierenden Schreiben vergleicht Karadzic sein Verfahren wegen Völkermordes und anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges 1992-1995 mit dem von den Nationalsozialisten inszenierten Prozess um den Reichstagsbrand im Jahr 1933. Damals habe der bulgarische Kommunistenführer Georgi Dimitrow wider Erwarten seinen Freispruch erwirkt. "Sollte ich Dimitrow um die fairen Bedingungen und den fairen Prozess beneiden?", heißt es in Karadzics Brief.
Prozess auch ohne Karadjic möglich
In juristischen Kreisen in Den Haag hieß es, der Prozess könne ohne weiteres auch ohne Karadzics eröffnet werden. Zudem könne der Angeklagte jederzeit auf Anweisung der Richter gezwungen werden, vor dem Gericht zu erscheinen, wenn dies als nötig erachtet wird.
Karadzic sitzt im UN-Gefängnis im Haager Stadtteil Scheveningen in Untersuchungshaft. Er verteidigt sich auf eigenen Wunsch selbst. Er wird dabei allerdings hinter den Kulissen von einem professionellen Team unter Leitung des kalifornischen Anwalts Peter Robinson beraten. Ein Antrag Karadzics auf mehrmonatige Verschiebung des Prozesses war Anfang Oktober von der Berufungskammer des UN-Gerichtshofes abgelehnt worden.
Die Richter erklärten, der Angeklagte habe nach seiner Verhaftung im Juli vergangenen Jahres genügend Zeit gehabt, die Vorwürfe gegen ihn zu studieren. Karadzic werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995 in elf umfangreichen Fällen vorgeworfen, darunter zwei Fälle von Völkermord.
Leser*innenkommentare
wott
Gast
Das ICTY ist eine Farce, Siegerjustiz halt - und irgendwie muß man ja den Kosovo-Krieg rechtfertigen. Geschlachtet haben da ganz andere. Insbesondere Schlachten lassen. Fragt mal Kinkel/Genscher. Wirklich interessante Lektüre zu den Tribunal-Prozessen sind die beiden Bücher von Germinal Civikov, da erscheint vieles plötzlich in anderem Licht (und man kann es in den Online-Gerichtsakten sogar selbst nachprüfen) :-)
tom
Gast
@mare
bevor Du Dich äusserst solltest Du wissen, wovon Du redest; "Warriors" ist eine Produktion aus Grossbritannien wurde für die BBC produziert; da ist nix mit Klischees...
Erinnerst Du Dich an die Befehle dieses Menschenschlächters, der von den Bergen in Sarajevo den Schützen die Ziele ansagte? Seine Stimme...er wird ganz sicher nicht freigesprochen werden...
Bisweilen stört Selbstherrlichkeit nicht nur, sie ist einfach wenig förderlich...
mare
Gast
@tom
was getan? nun der prozes hat noch nicht einmal begonen und so lange noch nicht bewiesen ist das er die ihm vorgeworfenen "dinge" getan hat hat er noch garnichts GETAN!
"warriors-einsatz in bosnien"...lol vieleicht ein bischen weniger hollywood würde nicht schaden..das ist ein streifen in dem versucht wird durch ausgelutschte serben-propaganda-klischees stimmung zu machen...
Kritiker
Gast
Radovan Karadzic, der Psychiater, der so hochgebildet ist, hatte nicht genug Zeit seine Anklage zu studieren?
Ärzte wie er sind aus der KZ-Zeit bei uns in Deutschland, tatssächlich bekannt. Die haben auch damals bei dem damaligen Ärzteprozess, nach dem zweiten Weltkrieg, hart argumentiert, so dass, soviel ich weiss, sogar einige freikamen.
Ich hoffe er entgeht seiner gerechten Strafe nicht.
tom
Gast
Mich würde interessieren was seine Motive waren, warum hat er das getan? Habe vorgestern "Warriors-Einsatz in Bosnien" gesehen...kommt dem was da abging vermutlich sehr nahe...ist es so im Grunde "einfach", wie Jan Philipp Reemtsma es beschreibt, ich hoffe ich werde ihm nicht ungerecht und ich habe das richtig begriffen: Wenn die Rahmenbedingungen so sind, wenn diese es zulassen, dann tun Menschen das, dann töten sie.