Vergewaltiger bleiben weitgehend straffrei: Sexuelle Gewalt im Kongo erzürnt UNO
Armee und Polizei begehen zunehmend sexuelle Kriegsverbrechen. Der Menschenrechtsrat in Genf will das Mandat des UN-Beauftragten verlängern - gegen den Willen des Kongo.
Das Urteil war drastisch. "Sexuelle Gewaltakte nehmen weiter in einem beängstigenden Tempo zu, in fast völliger Straflosigkeit", berichtete Titinga Frédéric Pacéré, Beauftragter des UN-Menschenrechtsrats für die Demokratische Republik Kongo. "Schwangere Frauen, Inhaftierte, Minderjährige und sogar Babys sind Opfer einzelner oder kollektiver Vergewaltigungen, begangen von Angehörigen der Polizei und der Armee."
Aufgrund dieser Feststellungen war sich der in Genf tagende Menschenrechtsrat vergangene Woche weitgehend einig: Das Mandat des Kongobeauftragten solle verlängert werden - gegen den Willen Kongos. Die endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber nicht einmal die afrikanische Staatengruppe stellte sich einhellig hinter Kongos Regierung. Es half nichts, dass deren Vertreter beteuerte, sein Land sei auf dem Weg der Besserung und benötige dafür Hilfe. Gerade dann sei eine genaue Beobachtung des Kongo wichtig, sagten die Vertreter der EU, der USA, Kanadas und sogar Tunesiens. Nur Algerien hielt Kongos Regierung die Treue.
Dass im Osten der Demokratischen Republik Kongo irreguläre Milizen, vor allem ruandische Hutu-Kämpfer, unvorstellbar brutale sexuelle Gewalt bis hin zu Serienvergewaltigungen mit Todesfolge begehen, haben Menschenrechtler in jüngster Zeit oft bezeugt. Mitte 2007 sprach die UN-Sonderbeauftragte für Gewalt gegen Frauen, Yakin Ertürk, von "Terror" im Ostkongo mit dem Ziel der körperlichen und seelischen "Vernichtung" der Frauen. Nun betont der UN-Beauftragte, dass die Sicherheitskräfte nicht besser sind und die Justiz keinen Schutz darstellt.
So hätten Polizisten in Yanonge im Norden des Kongo am 14. September 2007 auf Befehl ihres Vorgesetzten acht festgenommene Frauen und Mädchen vergewaltigt, die Jüngste elf Jahre alt. In der Provinz Süd-Kivu seien allein im Jahre 2005 14.200 Vergewaltigungsfälle gemeldet worden - und es sind seitdem nicht weniger geworden. Seit 2005, so der Bericht weiter, seien jedoch nur 287 Fälle vor Gericht gekommen, wobei es in 58 Fällen zu Verurteilungen kam. Bisher habe kein Vergewaltigungsopfer die ihm zugesprochene Entschädigung erhalten. Das Landgericht der Provinzhauptstadt Bukavu habe sogar einen Vergewaltiger freigelassen, nachdem er versprach, sein Opfer zu heiraten.
Eine unabhängige Justiz gibt es im Kongo nicht. Die Richter des Obersten Gerichts werden vom Präsidenten ernannt, und im Februar dekretierte Präsident Joseph Kabila die Entlassung sämtlicher hoher Richter. Kongos Staatshaushalt 2007 sieht für Entschädigungszahlungen an Opfer staatlicher Gewalt umgerechnet knapp 2.000 Euro vor.
Der UN-Menschenrechtsrat hat derzeit zehn länderbezogene Sonderbeauftragte: neben dem Kongo in Birma, Burundi, Haiti, Kambodscha, Liberia, Nordkorea, Palästina, Somalia und Sudan. Mandate für Weißrussland und Kuba wurden letztes Jahr abgeschafft. Die Mandate für Burundi, Liberia und Sudan wurden aber verlängert. Bei Somalia plädiert sogar die von Ägypten geführte afrikanische Staatengruppe für eine Verlängerung. Bleibt der Kongo, der aber gegen den Wunsch Ägyptens nun nicht mehr mit Milde rechnen darf.
Unwahrscheinlich ist, dass der UN-Menschenrechtsrat den weiteren Forderungen seines Kongoberichterstatters folgt. Pacéré schlägt ein internationales Tribunal vor, das alle Kriegsverbrechen im Kongo seit 1993 behandeln soll. Denn der Internationale Strafgerichtshof, vor dem derzeit drei kongolesische Milizenführer auf ihren Prozess warten, behandelt nur Ereignisse seit Mitte 2002. Für eine solche Entscheidung aber ist der UN-Menschenrechtsrat nicht zuständig.
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