■ Vergessener Friedhof?: „Da liegen Leute mit schmutzigen Händen“
Hartmut Kozik, 55 Jahre, Rohrleger
Das Spezielle an dem Friedhof ist ja, daß hier viele ehemalige DDR- Regierungsmitglieder liegen. Zwar gibt es auch alte Grabsteine, wo Namen von irgendwelchen Berühmtheiten draufstehen. Aber die kenne ich nicht so genau. Ob ich morgen an der Demo teilnehme, weiß ich nicht. Früher mußte man da hin, was ich aber nie getan habe. Ich bin kein Mensch, der sich zu etwas zwingen läßt.
Anne Thal, 13 Jahre, Schülerin
Ich war schon mal auf dem Friedhof, weil da meine Uroma und mein Opa liegen. Ich weiß auch, daß hier die Gräber von Liebknecht und Luxemburg sind. Aber eine politische Bedeutung hat der Friedhof für micht nicht. Denn die ganzen anderen Namen von den Sozialisten, Kommunisten und Antifaschisten sagen mir nichts. Im Geschichtsunterricht hat das auch nie eine Rolle gespielt.
Wolfgang Spiegel, 67 Jahre, Rentner
Der Friedhof hat seine Bedeutung verloren. Ja, ich sage sogar: Er ist zwielichtig geworden. Dort liegen Personen wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die heimtückisch erschossen worden sind und die man ehren muß. Daneben aber liegen Leute, die schmutzige Hände haben. Dazu zähle ich den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht. Diese Gräber sollte man beiseite schieben.
Margot Henschke, 48 Jahre, erwerbsunfähig
Zu Karl und Rosa zu gehen, das war für mich mehr oder weniger Pflicht. Obwohl es im Januar immer eiskalt war, bin ich da hin. Anschließend ist man bei Nachbarn auf eine Tasse Tee oder ein Glas Rum eingeladen worden. Das war gemütlich. Aber auch sonst gehe ich hin und wieder auf dem Friedhof mit dem Hund spazieren. Die Gräber kenne ich alle. Die habe ich schon öfters angeschaut.
Manfred Zacke, 59 Jahre, Vorruheständler
Für mich ist der Friedhof in erster Linie eine Erholungsmöglichkeit, weil es hier in der Nähe ja sonst keinen Park gibt. Natürlich hat er auch eine politische Bedeutung. Da liegen herausragende Persönlichkeiten wie Karl und Rosa und alte SED-Kämpfer. Wir sind auch jedes Jahr, natürlich unter sanftem Druck, demonstrieren gegangen. Heute jedoch schaue ich nur noch aus Neugierde zu.
Corinna Krienke, 15 Jahre, Schülerin
Ich bin mal am Friedhof vorbeigelaufen. Aber sonst interessiert er mich nicht. Wer dort liegt? Keine Ahnung. In der Schule haben wir zwar mal kurz darüber gesprochen, viel ist aber nicht hängengeblieben. Allerdings denke ich, daß man die Leute dort ehren sollte. Warum auch nicht? Das hat man früher zu DDR-Zeiten so gemacht und macht es heute bei anderen Persönlichkeiten auch.
Umfrage: Jens Rübsam
Fotos: Chr. Jungeblodt/Signum
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