: Vergeltungs-Raketen auf Gaza
Nach dem Bombenattentat auf einen Bus mit jüdischen Siedlern beschießt Israel stundenlang ausgewählte Ziele in der größten Stadt des Palästinensergebiets. Israels Premier Barak unter Druck. Anlauf, eine Notstandsregierung zu bilden, gescheitert
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Als Vergeltung für den Anschlag auf einen jüdischen Schulbus haben die israelischen Streitkräfte gestern am frühen Abend begonnen, Gaza mit Raketen zu beschießen. Hubschrauber kreisten nahe den Amtsgebäuden des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat an der Mittelmeerküste.
Getroffen wurden laut Augenzeugen eine Polizeiwache und ein Hauptquartier der Fatah-Bewegung; das israelische Fernsehen berichtete von einem Angriff auf das Flüchtlingslager Dschabalija am Stadtrand, CNN von mindestens zwölf verschiedenen Zielen in und um Gaza-Stadt. In der Stadt fiel nach den ersten Raketentreffern der Strom aus.
Am Morgen waren bei dem Sprengstoffanschlag auf den Schulbus im Gaza-Streifen zwei Menschen getötet, neun weitere zum Teil schwer verletzt worden, darunter mehrere Kinder. Ministerpräsident Ehud Barak, der scharf kritisiert wurde, berief nach dem Anschlag eine Krisensitzung seines Sicherheitskabinetts ein, das die anschließenden Angriffe anordnete.
Der Anschlag auf den Schulbus ereignete sich gestern an dem Einfahrtstor der Siedlung Kfar Darom, als das Gefährt das Tor passierte. Laut Polizeiangaben wurde der Sprengstoff aus 200 Meter Entfernung von drei Attentätern gezündet, die in die Autonomiezone flüchteten.
Bereits am Vormittag bekannten sich drei bisher unbekannte Organisationen zu dem Anschlag: die „Al-Aksa-Märtyrer“, die „Hisbollah der Palästinenser“ und die „Fatah-Intifada“. Unklar blieb zunächst, ob die für den Anschlag Verantwortlichen Aktivisten aus dem islamisch-fundamentalistischen Lager sind oder der Fatah-Partei angehören.
Die palästinensische Autonomieregierung verurteilte den Anschlag und kündigte eine Untersuchung an. Verantwortung übernahm sie jedoch nicht.
Die Vergeltungsschläge ereigneten sich, einen Tag nachdem die israelischen Militärs einen „deutlichen Rückgang“ von Schussübergriffen aus der Autonomiezone festgestellt hatten. Palästinenserpräsident Jassir Arafat hatte Anfang der Woche den Sicherheitskräften Befehl gegeben, nicht mehr von der so genannten A-Zone aus auf Israelis zu schießen.
Im Laufe des Tages unternahm Premierminister Barak einen neuen Anlauf zur Errichtung einer nationalen Notstandsregierung. Ariel Scharon, der am Nachmittag zum Protestzelt der Oppositionsfraktionen vor der Knesset kam, berichtete, dass Barak ihn am Morgen angerufen habe, er einen Einzug in die Koalition jedoch „strikt abgelehnt“ habe. In den Reihen des rechts-konservativen Likud hieß es, dass Barak seine Chance, eine große Koalition zu gründen, verpasst habe. Eli Ischai, Chef der orthodoxen Schas-Partei, hielt ein „Notstandskabinett“ für angebracht, da „die Bürger ihr Sicherheitsgefühl und das Vertrauen in die Regierung verlieren“. Parallel dazu solle ein Termin für vorgezogene Neuwahlen vereinbart werden.
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