piwik no script img

Vergangenheit des VerfassungsschutzesMitarbeiter mit braunen Flecken

Historiker finden bei der Behörde personelle Kontinuitäten zum NS-Staat. Verfassunsschutzchef Maaßen lobt die Arbeit – und seine Institution.

Ein weißes Blatt ist die Behörde nicht. Bild: madochab/photocase.de

BERLIN taz | „Wir haben“, so der Bochumer Historiker Constantin Goschler, „keine neuen Nazi-Oberschurken entdeckt.“ Goschler und sein Kollege Michael Wala haben drei Jahre lang in den offenbar weitgehend leeren Archiven des Verfassungsschutzes versucht, die Kontinuitätslinien zwischen der NS-Zeit und der 1950 neu gegründeten Kölner Behörde zu erhellen.

Das Projekt war mit 250.000 Euro recht karg ausgestattet. Die wesentliche Erkenntnisse hatten die beiden Forscher bereits 2013 präsentiert. Nun wurde in Berlin der Abschlussbericht vorgestellt – zusammen mit einem sichtlich zufriedenen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen.

Das Amt, das bis 1956 unter direkter Kontrolle der Alliierten stand, sollte eigentlich zu einer nazifreien Vorzeigebehörde der jungen Demokratie werden – doch es kam etwas anders. Es gab zwar beim Verfassungsschutz in den 1950ern bei Weitem nicht so viele Nazitäter wie beim Bundeskriminalamt, dessen Spitze damals zu mehr als zwei Drittel aus SS-Leuten bestand. Und doch gelang es in der chaotischen Anfangsphase NS-Seilschaften, die Aufsicht der Alliierten auszutricksen.

So erfand man die Scheinfirma „Dokumentenforschung“ in Köln, wo Ex-SS-Leute als freie Mitarbeiter jobbten. Andernorts arbeiteten freie Mitarbeiter, die in Wahrheit Vizereferatsleiter waren oder Nachrichtenstellen des Dienstes leiteten. Als die Alliierten Mitte der 1950er Jahre die Oberaufsicht einstellten, wurden diese freien Mitarbeiter flugs verbeamtet.

Neu sind in dieser Geschichte zwei Details, die Wala im Deutschen Historische Museum in Berlin vorstellte: Richard Gerken, Ex-NSDAP-Mitglied, baute seit 1952 eine Art Behörde in der Behörde auf, die durchlässig für Altnazis war. Und: Die USA wussten offenbar von dieser Infiltration und duldeten sie. Die Abteilungen arbeiten effektiv.

Wolkige Erkenntnis

Die US-Dienste kannten auch die Biografie von ranghohen Amtsträgern des Verfassungsschutzes wie Erich Otto Wenger, Johannes Strübing, Gustav Halswick, Walter Odewald, Gustav Barschdorf und Hubert Schrübbers, die allesamt recht beeindruckende Karrieren im nationalsozialistischen Staat hinter sich hatten.

Eher vage bleibt bei Goschler und Wala, ob und wie sich die NS-Prägung der Akteure auf die Arbeit des Amtes, das die junge Demokratie schützen sollte, auswirkte. Macht es etwas aus, dass den Ex-Nazis der Kampf gegen den Bolschewismus in den 1950er Jahren samt KPD-Verbot recht vertraut war? Das Amt, so die Formulierung der Forscher, „konzentrierte sich auf das linke politische Spektrum“, ohne auf dem rechten Auge ganz blind zu sein. Das ist nach drei Jahren Forschung eine doch recht wolkige Erkenntnis.

Der Chef des Verfassungsschutzes lobte die Arbeit der Historiker – und seine Behörde gleich mit. „Das Geschichtsprojekt ist uns nicht aufgedrängt worden“ so Hans-Georg Maaßen, man habe die Aufklärung selbst befördert. Umgekehrt lobten die Historiker die Kooperationsbereitschaft der Behörde. Man habe, so Wala, „bei einem Geheimdienst nicht so viel Offenheit erwartet.“ Die Quellenlage war allerdings schwierig. Es gab keine Personalakten, vieles wurde vernichtet, manches, weil die gesetzliche Frist von 15 Jahren gilt.

Umgang offen

Offenbar verspricht sich Maaßen von dieser Transparenz-Offensive in die Vergangenheit „mehr Akzeptanz in der Gesellschaft“ für den Verfassungsschutz heute. Die Arbeit des Amtes würde, so die Klage, von einer skandalisierungswütigen Öffentlichkeit behindert, die die 2.800 Mitarbeiter des Amtes zusehends „verschreckt“.

Konkrete Schlussfolgerungen aus der historischen Aufarbeitung für die Gegenwart sieht Maaßen nicht. Man werde das Buch, das die Historiker im Herbst vorlegen werden, wohl für die interne Schulung verwenden. Die Lehre, die der Verfassungsschutzchef aus der Studie zieht, klingt eher unverbindlich. Jede Institution habe eben „schwarze, graue und helle Seiten“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • lachen Leute, die alten Nazi Netzwerke sassen/sitzen allerorten, ob in Ost oder West, in welchen Landen auch immer, man pickt nur immer die Westdeutschen rauss, die sind die idealen Sündenböcke

  • irgendwie sind all diese untersuchungen und die dann daraus zu ziehenden schlüsse völlig quer. entweder alle deutschen waren (laut d. goldhagen) hitlers willige vollstrecker, dann muß es braune flecken in allen behörden geben oder gegeben haben. irgendwann sollten sich die schreiberlinge schon auf einen modus einigen. wenn man jede organisation oder partei in die rechte ecke drängen möchte deren mitglieder braune affinitäten oder andere merkwürdigkeiten aufwiesen oder aufweisen, dann dürfte keine partei in deutschland als rein demokratisch anzusehen sein. dies gilt übrigens nicht nur für deutschland. viele völker dieser erde können froh sein, dass man an ihre vergangenheit oder entstehung nicht mit der in unserem land üblichen akribie herangeht. viele geschichtsbücher müssten neu geschrieben werden.

    • @p.g.:

      Meine Eltern waren - lang Geschichte -

      Pg's - deswegen Einquartierung

      (ein Glücksfall)

       

      wenn ich ihr Walsern so lese -

      frage ich mich beim@ so dies und das.

      (Geschichte&Farce - &Wiederholung -

      get it¿)

  • "Die Arbeit des Amtes würde, so die Klage, von einer skandalisierungswütigen Öffentlichkeit behindert, die die 2.800 Mitarbeiter des Amtes zusehends 'verschreckt'."

     

    Och, die arme, arme Behörde. Was glauben die eigentlich, für wen sie arbeiten?

     

    Warum haben denn die hohen Geheimdienstbeamten in den USA Snowden des Hochverrats beschuldigt? Was glauben die eigentlich, wer sie sind und für wen sie arbeiten? Die Öffentlichkeit sollte ihr Chef sein, nicht ihr Feind...

  • aus den naziverbrechern wurden verfassungsverbrecher an der verordneten deutschen staats-demokratie: bis zum abhörgesetz 1968 arbeiteten die schlapphüte in der post- und fernmeldeüber-wachung frei schnauze gegen art 10 unseres grundgesetzes, weil sie "staatsschutz vor grundrechtsschutz" übten. auch heute noch sind sie kraft zusatzabkommen zum nato-truppen-statut und völkerrechtlich verbind-lichen verwaltungsvereinbarungen von oktober 1968 unter besatzungs-rechtlichem vorbehaltsrecht, das den alliierten 1955 von adenauer angedient war, der verlängerte arm von nsa und cia sowohl in der allgemeinen (bnd-) als auch in der speziellen (vs-)überwachung. sie sind tätig aufgrund eines gesetzes, das drei richter des bverfg 1970 in einem obiter dictum für einen verstoss gegen art 79 III gg hielten - armes deutschland, dessen verfasssung von diesen leuten geschützt wird.

    • @hanuman:

      Ihre Hauptgegner, die deutschen Antifaschisten und Kommunisten, konnten die SS-Verbrecher und deren BRD-VS-Beamten und NS-Regierungsgehilfen, mit lebenslangen Berufsverbot und Altersarmut belegen.

       

      Und 1956 machten die Regierungs- und BRD-Parlamentsparteien, einschließlich SPD, gemeinsame Sache mit dem CIA-NS-BND-VS, beim Verbot der KPD.

       

      So auch nach 1989/90, mit Hilfe der VS-BStU- Gauckschen Behörde, bei der Entfernung der restlichen westdeutschen und ostdeutschen Antifaschisten aus dem Staatsdienst der gesamtdeutschen BRD und für deren Berufsverbot.

  • Was Maaßen eine angestrebte Honorarprofessur koste; er aber erklärte, der Titel sei ihm “schnurz“, und er verteidigte weiter seine bereits als rechtswidrig festgestellte Haltung. Er ist Autor von Publikationen zum Thema Ausländerrecht und Recht der inneren Sicherheit;

     

    Wo aber hatte Herr Maaßen seine menschenverachtende verfassungswidrige nunja Rechtsmeinung und Praxis her?

    Ua. und - allein s.o.! - aus dem Ausländerrechtskommentar eines gewissen Herrn

    Rudolf Schiedermaier:

    (dessen bodenlose AuslR-Kommmentar stand selbst in Westfälisch Sibirien am Wochenende im Giftschrank, damit kein Unsinn passierte).

    Herr Rudolf Schiedermaier - war zwar mal von 1958 bis 1962 erster Präsident des

    VG Würzburg - bis aufkippte, daß er vor allem aber ein bestens bekannter -

    Furchtbarer Jurist - war.

    Schließlich kam seine nationalsozialistische Vergangenheit ans Licht, er wurde vom Amt suspendiert, trat dann aus Gesundheitsgründen zurück und erhielt einen ehrenvollen Abschied. - aber Hallo.

    Im Dritten Reich war er Leiter der Stelle "Gesetzgebung" im Rassepolitischen Amt der NSDAP. Als Norwegen von Deutschland besetzt war, leitete er im Reichskommissariat Norwegen (s. Geschichte Norwegens, Zweiter Weltkrieg) die wichtige Abteilung "Allgemeine Staatsverwaltung". Er war der juristische Berater des Reichskommissars Josef Terboven. Als Vorsitzender eines Standgerichtes verhängte er mehrere Todesurteile gegen Mitglieder der norwegischen Widerstandsbewegung. 1949 sprach ihn ein norwegisches Gericht frei, da er keine Eigeninitiative entwickelt, sondern nur als Werkzeug des Reichskommissariats gehandelt habe.

     

    Dicke Kommentare mit furchtbaren Folgen schreiben Solche Herrschaften trotzdem -

    und als Quelle steht es einer Beförderung zu Oberschlapphut in der

    Rolle der verfolgten Unschuld nichts im Weg;

    Kurz - “Jede Institution habe eben „schwarze, graue und helle Seiten“. -

    Es ging ja wohl vor allem & wie hier auch - um die braunen – der Herr.

    • @Lowandorder:

      Ja - der Herr - für den Edgar Snowden

      ein gewöhnlicher Krimineller ist;

      rein tonn katolsch warrn.

  • “Jede Institution habe eben „schwarze, graue und helle Seiten“.

     

    Da spricht grad der Richtige.". . .Verfassunsschutzchef Maaßen lobt die Arbeit – und seine Institution. . ."

    und nimmt seine Person fein aus der Schußrichtung;

    (als Nachfolger von Heinz Fromm, der aufgrund der Vernichtung von Akten mit Bezug zur Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund durch Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz um seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand zum 31. Juli 2012 gebeten hatte.)

    nicht ohne Grund - denn

    ". . Die Arbeit des Amtes würde, so die Klage, von einer skandalisierungswütigen Öffentlichkeit behindert, die die 2.800 Mitarbeiter des Amtes zusehends „verschreckt“.

     

    Die "skandalisierungswütige Öffentlichkeit" könnte sich nämlich mal sonst und ganz ernsthaft dafür interessieren; ob nicht die Personalie Maaßen selbst - da sind die Akten ja hoffentlich noch nicht geschreddert - geradezu exemplarisch die braune Kontinuität

    via wechselnder Personen als Ziehkinder (selbstreferenzilles System nennt man das in der Organisationssoziologie) - in nuce verkörpert.

     

    Alle erinnern sich - daß Maaßen der eigentlich Drahtzieher hinter dem Verantwortlichen - Außenminister Steinmeier war - der Murat Kurnaz unschuldig und rechtlos so lange in Guantanamo eingekerkert ließ, um dann kackfrech zu verkünden, dessen ursprünglich bestehende Aufenthaltsberechtigung sei abglaufen, weil nicht rechtzeitig verlängert.

    Das hat ihm/Steinmeier und der BRD zwar das Verwaltungsgericht - VG - Bremen entsprechend der dazu bestehenden ständigen Rechtsprechung um die Ohren gehauen

    (und wie es schon als eherner Rechtsgrundsatz bei den OllenRömern in den Pandekten steht - Niemand darf einen Nichteintritt(Verlängerung) vorwerfen, den er selbst herbeiführt=Guantanamo - klar!)

    Die Verantwortlichen Maaßen/Steinmeier haben sich aber weiterhin rechtsbrecherisch verhalten;

    ff

  • Wenn sich heute viele beklagen,dass Deutschland immer noch ein Mündel der Alliierten sei,dann kann ich angesichts der Hartnäckigkeit der Altnazis nur sagen:Gott sei Dank!

    Wir Deutschen hätten es niemals alleine geschafft diese aggressive Brut selbst loszuwerden.Erst nach dem biologischen Ende der Altnazigeneration wurde zusehends nicht mehr geschönt und bekam die Veröffentlichung und Forschung wirklich Rückenwind.Aber wie beschämend für uns,dass alle diese Verbrecher ein fast ausnahmslos unbehelligtes Dasein,bis zu ihrem natürlichen Ende,führen konnten.

  • Jede bundesdeutsche Beamtenbehörde habe eben "schwarze, graue und helle Seiten".

     

    Wer schützte die Verfassung?

     

    Nur zur personellen Kontinuität im Verfassungsschutz:

     

    -- Richard Gercken, SS-Hauptsturmführer, Leiter Abt. IV im BfV.

     

    -- Dr. Gustav Habswick, SS-Obersturmbannführer, "Sonderbeauftragter des Präsidenten des BfV".

     

    -- Dr. Wilhelm Ludwig, SS-Sturmbannführer, Leiter Abt. V im BfV.

     

    -- Erich Wenger, SS-Hauptsturmführer, Leiter Beschaffung der Abt. IV im BfV.

     

    -- Werner Aretz, SS-Hauptsturmführer, BfV.

     

    -- Gustav Barschdorf, SS-Hauptscharführer, BfV.

     

    -- Kurt Fischer, SS-Sturmbannführer, Abteilung VI BfV.

     

    -- Kurt Lischke, SS-Obersturmbannführer, BfV.

     

    -- Paul Opitz, SS-Sturmbannführer, BfV.

     

    -- Karl-Heinz Siemens, SS-Obersturmführer, Leibstandarte Adolf Hitler, Oberregierungsrat in der Abt. III des BfV.

     

    -- Johannes Strübing, SS-Hauptsturmführer, BfV.

     

    -- Alfred Wurbe, SS-Hauptsturmführer, SS-Division "Prinz Eugen" (schwere Kriegsverbrechen auf dem Balkan). Mit Wissen der Bundesregierung unter Decknamen im BfV tätig, ab 1956 mit Klarnamen Gruppenleiter in der Zentralabteilung V BfV.

     

    Auch in den Landesämtern für Verfassungsschutz waren SS-Nazis die Männer "der ersten Stunde".

  • Man muß sich nur mal den jährlichen Verfassungsschutzbericht anschauen. Da wird regelmäßig der islamistische Terror als Hauptgefahr für Deutschland bezeichnet, obwohl die Zahl der islamistischen Straftaten gegenüber den 20.000 rechtsradikalen Straftaten verschwindend klein ist.