Vergänglichkeit: "Es war wunderbar hier"
Schluss mit dem "Dreijahre": Wie angedroht schließt das Restaurant im Steintor - trotz eines Erfolgs, der selten ist in der Gastro-Branche
taz: Am Samstag schloss - wie angekündigt - Ihr Lokal "Dreijahre" im Steintor. Warum haben Sie das gemacht?
Annelie Käsmayr: Es war kein Lokal, sondern ein Gastraumprojekt. Aber die Frage ist komisch. Das ist, wie wenn Sie einen Maler fragen, warum er sein Bild beendet.
Sie wollten einen vergänglichen Ort schaffen. Ihre Gäste hätten Ihnen aber kaum verübelt, wenn Sie jetzt von diesem Plan abgerückt wären.
Die Begrenzung auf drei Jahre war unsere Bedingung. Wir haben es ja nicht begrenzt, weil wir dachten, dass es nicht läuft. Dass der Ort wieder verschwinden wird, hat ihm seine Spannung gegeben. Die 1.000 Tage waren ein Kunstprojekt, das eigenen Gesetzen folgt.
Nirgends sonst ist die Pleitequote höher, als im Gastrobereich...
Ist das wirklich so?
Ja! Und Sie etablieren ein beliebtes Restaurant mit anspruchsvoller Küche - nur um es dann wieder zu schließen. Was ist daran Kunst?
Der künstlerische Akt ist, etwas als Kunst zu behaupten, was nicht danach aussieht. Das weckt Zweifel. Deshalb braucht ein Kunstwerk auch eine Taufe.
Hat sich das "Dreijahre" eigentlich gerechnet?
Der Zeitpunkt, ab dem man damit Geld verdienen konnte, der wäre jetzt gekommen.
Sie hatten einen Geldgeber im Hintergrund?
Ja, wir hatten den Gastronom Heiner Hellmann, der das "Modernes" und das "Pier 2" betreibt. Der hat das Projekt angestoßen.
Und der wollte nicht weiter machen?
Wir haben uns von Anfang an zusammen für die Begrenzung entschieden. Durch sein Kapital mussten wir nicht alle Entscheidungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten treffen. Viel verdient haben wir nicht: Ich beziehe noch ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt.
Ihre Küche war für Bremer Verhältnisse recht innovativ. Gab es Dinge, die gar nicht ankamen?
Nein, unsere Gäste haben das sehr geschätzt.
Sie hatten aber auch ein Nischenpublikum, selbst wenn dies sehr heterogen war.
Wir haben aber keinen Nischengeschmack bedient. Es könnte viel mehr Läden geben, die auf hohe Qualität in einem einfachen Ambiente setzen.
Gibt es aber nicht. Was glauben Sie, wieso?
Woran das liegt, weiß ich auch nicht. Zu wenig potentielle Gäste gibt es jedenfalls nicht.
Ist Bremen vielleicht zu klein für solche Projekte?
Nein, wir haben es hier gemacht, und es war wunderbar.
Das klingt wehmütig.
Ja. Aber das Projekt ist auch noch nicht ganz vorbei.
Ich dachte doch.
Nein. Der erste, reale Teil ist vorbei. Es gibt aber einen zweiten Teil. Das wird kein Lokal, sondern eine Publikation, ein Katalog. Der soll den Gedanken, der dem "Dreijahre" innewohnt, eine bleibende Form geben, ihn inhaltlich und atmosphärisch auf den Punkt bringen.
Was war denn dieser Gedanke?
Das "Dreijahre" lag an der Schnittstelle von Alltag und Kunst. Wir haben die Frage nach der Kunst in den Raum gestellt.
Und hat jemand Sie beantwortet?
Das ist eine Frage, die sich nur an den Betrachter richten kann.
Machen Sie jetzt wieder was mit Gastronomie?
Nein. Mein nächstes Projekt wird etwas mit Musik zu tun haben.
Und was macht Ihr Koch?
Der eröffnet im nächsten Monat ein eigenes Restaurant im Ostertor. Da geh ich dann auch immer hin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Umwälzungen in Syrien
Aufstieg und Fall der Familie Assad