Mit Bremens Sanierung auf Du und Du: Verflixtes zweites Jahr
■ Bilanz des Wirtschaftssenators Wachstums in Optimismus
Das Bundesland Bremen hat das zweite von vier Jahren „Sanierungsprogramm“hinter sich gebracht, Wirtschaftssenator Hartmut Perschau zog Bilanz unter der Überschrift: „Beharrlich an der Zukunftsperspektive arbeiten“. Ein wenig trotzig klingt das, ist doch der Rückblick auf das Jahr 1996 von dem Zusammenbruch des Vulkan-Konzerns geprägt. „Die Vulkan-Krise wirft das Land nicht um“, findet Perschau. Überhaupt sei das ein „singulärer Effekt“gewesen, eine Folge von „verschlepptem Strukturwandel“. 1996 wurde allerdings noch gearbeitet auf dem Vulkan, auch die Werftarbeiter mit „Kurzarbeit null“aus Vegesack zählen nicht in der Arbeitslosen-Statistik. Das dicke Ende kommt erst in dem laufenden Jahr.
Im Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer hat sich Bremen in dem Jahr 1996 knapp gehalten. Die Produktivität stieg um zwei Prozent (Durchschnitt West: 2,3 Prozent), die Zahl der Erwerbstätigen sank gleichzeitig um 1,2 Prozent. Auch die Zahl der Einwohner (und damit der Steuerzahler) sank weiter leicht. „Keine signifikante Ankoppelung“, freut sich der Wirtschaftssenator. Immerhin – aber von überdurchschnittlichem Wachstum, um Rückstände aufzuholen, sieht man in dem Zahlenwerk keine Spur. Vergleicht man die Steigerungsraten des Brutto-Inlandsproduktes (BIP), dann zeigt sich ganz deutlich: Mit dem Boom der Nahrungs- und Genußmittelindustrie 1990/91 lag Bremen vor dem Bundestrend. Seitdem das Strohfeuer der West-Importe in die neuen Bundesländer aber vorbei ist, liegt Bremen Jahr für Jahr wieder unter dem Bundestrend.
Bremens Defizit, das bestätigt auch die Jahresbilanz 1996, liegt nach wie vor im Dienstleistungsbereich. Dies liegt auch an der wirtschaftlichen Schwäche des Bremer Umlands, verglichen mit anderen Großstädten. „Vom Umland gehen wenig positive Effente für das städtische Zentrum aus“, hat der Ökonom Heiner Heseler diesen Sachverhalt gerade in einer Studie bezeichnet. „Wir brauchen eine intensive Mittelstandsförderung“, folgerte Perschau. Dasselbe hatte allerdings Perschaus Amtsvorgänger schon 1991 gesagt.
Auf die Frage, woher er seinen Optimismus nehme, wurde Perschau bei der Vorstellung der Jahresbilanz grundsätzlich: Wer die „Fähigkeit zum Optimismus“verliere, verliere auch die Perspektive. Das Sonderinvestitionsprogramm (ISP) wird erst „mittel- und langfristig“, also Jahre nach der Sanierungsphase, seine Wirkung entfalten und „Wachstum und Beschäftigung nachhaltig“stärken, betonte Perschau. „Großprojekte wie der Space Park oder der Ocean Park wie auch die Umnutzung der Roland-Kaserne zu einem Hochschulcampus können hierbei maßgebliche Arbeitsplatzeffekte hervorbringen“– allerdings nicht mehr in diesem Jahrtausend . K.W.
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