Verfilmung von Jo Nesbøs „Schneemann“: Kühlen Kopf bewahren
Im Thriller „Schneemann“ kämpft sich Kommissar Harry Hole bei klirrender Kälte mühsam in seinen Job zurück – gegen einen sehr ungemütlichen Killer.
Harry Hole geht es nicht gut. Das Trinken lässt ihn nicht in Ruhe und beschert ihm manch lästige Überraschung. So muss er gleich zu Beginn von „Schneemann“ hustend in einem Spielplatzhäuschen erwachen und, unter den Blicken konsternierter Mütter, seinen Nachhauseweg antreten.
Michael Fassbender gibt diesen brillanten, aber persönlich schwierigen Ermittler aus Oslo mit leicht zerknautschtem Gesicht. Allein was unter der Oberfläche so kräftig an ihm frisst, bekommt man wenig zu ahnen. Immerhin arbeitet es in ihm so sehr, dass man ihn bei der Polizei wegen seines auffälligen Verhaltens, etwa unangemeldetes Fehlen im Dienst für eine geschlagene Woche, gern loswürde. Kriminalistische Verdienste hin oder her.
Dann aber geht es los. Zunächst verschwindet lediglich eine Frau. Bald schon steht fest: Es wird gemordet. Brutal. Frauen, genauer junge oder werdende Mütter, sind die Zielgruppe des Killers. Dass da ein Serientäter am Werk ist, ahnt die junge Kollegin Katrine Bratt (Rebecca Ferguson), die eigentlich im Fall ermittelt. Da sich schon bald der Jagdinstinkt von Harry Hole zu regen beginnt, reißt dieser den Fall ungefragt an sich. Die junge Polizistin lässt ihn gewähren.
Krimi-Bestseller als Vorlage
Jo Nesbøs gleichnamiger Krimi-Bestseller ist die Vorlage für „Schneemann“. Einen solchen hinterlässt der Mörder regelmäßig an seinen Tatorten, denn er schlägt stets dann zu, wenn fester Niederschlag zu fallen beginnt. Diese Kullerfiguren mit ihren lochartigen Augen und den angriffslustig aufgestellten Ärmchen aus Zweigen sind neben der menschenabweisenden norwegischen Winterlandschaft eine der eindeutig schönsten Inszenierungsideen des Films.
„Schneemann“. Regie: Tomas Alfredson. Mit Michael Fassbender, Rebecca Ferguson, u. a. Großbritannien 2017, 119 Minuten.
Auch ansonsten hätte die Vorlage, ahnt man, einen packenden Thriller mit allerhand gebrochenen Figuren hergegeben. Der schwedische Regisseur Tomas Alfredson, der mit der Verfilmung betraut wurde und der so sensibel offene Filme wie die Vampir-Jugendgeschichte „So finster die Nacht“ verantwortet hat, konnte aber anscheinend nicht richtig viel mit der Geschichte anfangen. Oder ihm wurde kräftig während der Arbeit reingeredet.
Anders lässt sich kaum erklären, wie der Film, auf dessen Besetzungsliste klingende Namen stehen – Charlotte Gainsbourg gibt Rakael, die ehemalige Freundin von Hole, in weiteren Rollen sind Chloë Sevigny, Val Kilmer oder J. K. Simmons zu sehen –, so wenig Atmosphäre entwickelt, eine so verholperte Dramaturgie entfaltet und überhaupt kaum etwas an echter Thriller-Spannung aufkommen lässt.
Michaels Fassbenders Stinkstiefeligkeit
Trotz der obligatorischen Verwirrspiele bei der Spurensuche und der zum Teil sehr grafischen Gewalt, die allerdings weniger Schock- als Ekelmomente hervorruft. Etwa wenn einer der Schneemänner zweckentfremdet wird und einen menschlichen Kopf aufgesetzt bekommt. Kann man vorab im Trailer sehen, wenn man will.
Am erstaunlichsten ist allerdings, wie wenig die Schauspieler miteinander ins Geschäft kommen. Sie wirken schief in den Film hineingestellt, ohne dass sie eine Idee hätten, was sie da jetzt bitte schön tun sollen.
Michael Fassbender hat außer abwesender Stinkstiefeligkeit kaum Bemerkenswertes zu bieten, ebenso wenig Charlotte Gainsbourg oder die extrem blass ins Geschehen integrierte Rebecca Ferguson. Einzig ein paar Nebenrollen wie die von Val Kilmer und dem famosen Toby Jones gespielten Bergener Polizisten setzen winzige Lichtpunkte in das Geschehen.
Das reicht in der Summe nicht für einen Thriller, der einen in irgendeiner Weise für die handelnden Personen oder die Lösung des Falls – die gibt es am Ende, klar – einnehmen sollte. Stattdessen macht sich sehr schnell eisige Langeweile breit.
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