piwik no script img

Verfassungsschutz und MaaßenMitarbeiter verdoppeln, einen ablösen

Das Bundesamt für Verfassungsschutz plant einem Bericht zufolge, bis 2021 auf fast 6.000 Mitarbeiter anzuwachsen. Der Chef hingegen soll gehen.

Werden sich Andrea Nahles und Horst Seehofer noch einig über die Zukunft Maaßens? Foto: dpa

Berlin/München/Offenbach rtr/dpa | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) plant einem Bericht des Spiegel zufolge bis 2021 eine Verdopplung seiner Mitarbeiterzahl. Der aktuell mit Rücktrittsforderungen konfrontierte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen wolle seine Behörde damit strukturell an den Bundesnachrichtendienst (BND) angleichen, berichtete der Spiegel am Samstag unter Berufung auf Informationen aus dem Innenministerium. So solle die Stellenzahl um 2.900 auf fast 6.000 angehoben werden.

Der Auslandsgeheimdienst BND hat zirka 6.500 Mitarbeiter. Dem Spiegel zufolge sollen die für Spionageabwehr, Geheim- und Sabotageschutz sowie für Islamimus und islamistischen Terrorismus zuständigen Abteilungen beim BfV umstrukturiert und gestärkt werden. Neben dem Inlandsgeheimdienst BfV gibt es auch in den 16 Bundesländern eigene Verfassungsschutz-Ämter oder -Abteilungen.

Das Innenministerium wollte sich dazu nicht äußern, da die Haushalts- und Wirtschaftsplanungen des Bundesamtes als Verschlusssache eingestuft sind.

In der Bundesregierung fordert der Unions-Koalitionspartner SPD indes die Ablösung Maaßens wegen dessen Äußerungen im Zusammenhang mit rechten Ausschreitungen in Chemnitz.

Auch CDU-Politiker gehen inzwischen auf Distanz zu Maaßen

SPD-Chefin Andrea Nahles rechnet fest mit einer Ablösung Maaßens. „Herr Maaßen muss gehen, und ich sage Euch, er wird gehen“, sagte Nahles am Samstag in Offenbach. Auch aus der CDU gibt es zunehmend kritische Stimmen. Bundesinnenminister Horst Seehofer stellte am Wochenende erneut hinter den Spitzenbeamten. Der CSU-Chef zeigte sich aber ebenso wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überzeugt, dass die große Koalition an dem Konflikt nicht zerbrechen wird.

Am Dienstag wollen Merkel, Seehofer und Nahles erneut über eine Lösung des Konflikts beraten. Ein erstes Krisentreffen am Donnerstag hatte keine Einigung gebracht. Maaßen steht wegen seiner Äußerungen zu fremdenfeindlichen Vorfällen in Chemnitz massiv in der Kritik. Der Bild-Zeitung hatte er gesagt, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“ vor, dass dort Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten.

Die SPD, die Maaßens Eignung im Kampf gegen Rechtsextremismus anzweifelt, pocht auf seine Ablösung. Nahles bekräftigte beim Wahlkampfauftakt der hessischen SPD in Offenbach, sie könne Maaßen kein Vertrauen mehr entgegenbringen. Nun sei es an Merkel, Klarheit zu schaffen. Parteivize Malu Dreyer sagte der Bild am Sonntag, Maaßen sei nicht mehr der richtige Mann für dieses Amt. „Die Kanzlerin muss handeln.“

Aber auch CDU-Politiker gehen inzwischen auf Distanz. Der niedersächsische Wirtschaftsminister und CDU-Chef Bernd Althusmann sagte der Welt am Sonntag, Maaßen habe unbestritten einen ernsthaften Fehler gemacht. „Eine glaubwürdige Entschuldigung von Herrn Maaßen wäre jetzt angebracht.“ Sollten sich jedoch weitere Vorwürfe bestätigen, müsste der Sachverhalt neu bewertet werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Überwachungsstaat ist schon lange. Jetzt geht es um seine Verfestigung. Das, was Deutschland seit spätestens Ausschwitz am Besten kann: eiskalte Funktionalität. Die neuen PAGs (Polizeiaufgabengesetze) sollen weiterhelfen, die Verdopplung des VS gleichermaßen. Da gewinnt der weitere Braunkohleabbau respektive seine Folgen für die Erderwärmung eine ganz neue Bedeutung.

    Aufstehn!!!!!!! Kämpfen!

  • Wenn das so realisiert wird, dann Gute Nacht! Das würde bedeuten, dass Deutschland einen großen Schritt richtung Überwachungsstaat macht und es würde vermutlich auch doppelt so viel schief gehen, wie bis jetzt schon. Na klar, ab und an, wäre auch ein Übersetzer oder ein Programmierer dabei, aber selbst diese Fachkräfte verstärken die Wirkung des Amts. Und die ist beachtlich gewachsen, wie sich an der NSU und dem Anwerben von Neonazis für den Staat klar gezeigt hat.

  • Jetzt, wo die richtige Klientel weiß, welcher Arbeitgeber für Ihre Gesinnung der Rechte ist, können wir das BfV bald in RSHA, oder gar SD umtitulieren.

  • " CDU-Chef Bernd Althusmann sagte der Welt am Sonntag, Maaßen habe unbestritten einen ernsthaften Fehler gemacht. „Eine glaubwürdige Entschuldigung von Herrn Maaßen wäre jetzt angebracht.“

    Er meint vielleicht: den AfDler machen "hab ich doch nicht so gemeint, mir ist die Maus ausgerutscht, man hat mich absichtlich falsch verstanden, eine Hetzjagd ist das, eine Verschwörung!" ?

  • Solange statt der versprochenen Aufklärung nur maximale Vertuschung betrieben wird, sollte es keine einzige zusätzliche Stelle beim Verfassungsschutz geben. Alles andere ist eine massive Gefahr für unsere Demokratie. Eine Behörde, die dem Verdacht nicht nachgehen will, dass von ihr immer wieder Terrorist*innen unterstützt werden und stattdessen die dazugehörigen Akten vernichtet, droht dies immer wieder zu tun. Eine größere Gefahr ist für unsere Demokratie kaum vorstellbar als ein Riesenapparat, der fernab von Gesetzen mit V-Leuten ungestraft im Auftrag der Regierung Straftaten begeht. Die AfD ist da tatsächlich das kleinere Problem - mit der Ausnahme, dass dort wo der Verfassungsschutz Neonazis und rechtsextreme Gewalt unterstützt, beide Gefahren zusammen kommen.



    Der Verfassungsschutz gehört abgeschafft. Eine neue, deutlich kleinere Behörde, die deutlich stärker der parlamentarischen Kontrolle verpflichtet ist und die keine weitgehende Straffreiheit geniesst, kann Aufgaben übernehmen, die tatsächlich notwendig sind. Die Kader von rechtsextremen Organisationen zu stellen, ist definitiv keine Aufgabe des Verfassungsschutzes, die wir zulassen sollten - und doch ist dies langjährige und auch gut dokumentierte Praxis. Dagegen ist das Gespräch von Maaßen mit AfD-Parlamentariern Peanuts. Wenn Maaßen nur deswegen ersetzt wird, bekommen wir eine*n neue*n Chef*in, die die bestehende Praxis weiter ausbaut und weiter an den Grundpfeilern unserer Demokratie sägt.

  • Das BfV sollte mit Karstadt & Kaufhof fusionieren. Dann würden garantiert Mitarbeiter wegfallen.

  • "Bundesinnenminister Horst Seehofer stellte am Wochenende erneut hinter den Spitzenbeamten."

    Einerseits sieht Herr Seehofer die AfD als eigen Hauptgegner, andererseits hilft er einem Beamten, der neutral sein muss, und doch der AfD geholfen hat.

    Was soll man dazu noch sagen? Herr Seehofer hat seinen Rentenalter ja erreicht.