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Verfassungsschutz beobachtet LinksparteiBeistand von unerwarteter Seite

Ein Drittel der Linksfraktion wird vom Verfassungsschutz überwacht. Das finden Abgeordnete anderer Parteien nicht besonders gut - nicht einmal die FDP.

Übertrieben? Einer von drei Linke-Abgeordneten wird beobachtet. Bild: dapd

BERLIN taz | Von unverhoffter Seite bekam die Linksfraktion im Bundestag am Montag Unterstützung. "Es kann nicht sein, dass Abgeordnete flächendeckend überwacht werden", sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP). Am Wochenende war bekannt geworden, dass aktuell 27 der 76 Linken-Abgeordneten vom Bundesverfassungsschutz beobachtet werden.

Besonders betroffen zeigte sich der Linken-Abgeordnete Steffen Bockhahn. Petra Pau als Vize-Bundestagspräsidentin und er selbst als Vertreter im Vertrauensgremium des Bundestages würden beobachtet, sagte Bockhahn zur taz: "Wir wurden von mehr als 50 Prozent des Parlaments gewählt - und der Verfassungsschutz hält uns für Verfassungsfeinde? Da ist jegliches Maß verloren gegangen."

Auch die Grünen finden diese Praxis unnötig. "Einige bei der Linkspartei sind wirr, aber Wirrnis ist noch keine Gefahr für die Demokratie", sagte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck zur taz. Die Grünen wollen nun eine Initiative von 2006 wieder aufgreifen und im Februar mit einem Antrag ins Parlament gehen: Demnach sollen Abgeordnete nur mit Genehmigung des Bundestags geheimdienstlich beobachtet werden können.

Beck sagte: "Bei jedem abgefahrenen Außenspiegel heben wir extra die Immunität auf. Dabei ist Überwachung eine viel größere Gefahr für das freie Mandat." Als genehmigendes Gremium kämen das Parlamentspräsidium oder ein Teil des Immunitätsausschusses infrage. Verbieten wollen die Grünen die Praxis nicht - es sei nicht auszuschließen, dass irgendwann die NPD im Bundestag sitze, erklärte Beck.

"Unnötiger Märtyrerstatus"

Für die SPD-Bundestagfraktion erklärte deren Geschäftsführer Thomas Oppermann, es gebe zwar Anlass zur Beobachtung der Linkspartei. "Die hohe Zahl der beobachteten Abgeordneten ist aber erstaunlich." SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stegner war kritischer: "Wenn es keinen Anlass für eine derartige Überwachung gibt, muss diese Praxis beendet werden", sagte Stegner zur taz. Bundestagsabgeordnete "derart systematisch zu überwachen ist nicht nachvollziehbar", so der SPD-Landeschef in Schleswig-Holstein. "Die Gefahr in Deutschland kommt von rechts, nicht von links." Eine Überwachung "verhilft der Linkspartei unnötig zu Märtyrerstatus".

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wehrte sich gegen die Unterstellung, es investiere in die Linken-Beobachtung fast ebenso viel Kraft wie in die NPD-Beobachtung. Die Personalstärke der Referate - Linke: laut Spiegel sieben Mitarbeiter, NPD: etwas über zehn Stellen - zu vergleichen, sei "wenig zielführend", sagte Matthias Weber, Leiter des BfV-Referats, das die NPD beobachtet. Denn mit der NPD seien auch Mitarbeiter anderer Referate befasst. BfV-Sprecher Bodo Becker ging auf taz-Nachfrage von "rund 90 Mitarbeitern" aus, die (auch) die NPD beobachten. Dagegen sei das Referat, das sich mit der Linken beschäftige, früher mehr als doppelt so groß gewesen wie heute.

Doch dieses geschrumpfte Referat habe, so vermutet die Linksfraktions-Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann, nicht bloß Zeitungsausschnitte zusammengetragen. Als Enkelmann vor einigen Jahren auf Anfrage vom BfV erfuhr, dass sie beobachtet werde, erhielt sie ein mehrseitiges Papier - dazu die Anmerkung, es könne nicht alles offengelegt werden, da sonst der Informantenschutz nicht mehr gegeben sei. "Wie kann das sein, wenn es sich nur um öffentlich zugängliche Dokumente handelt?", fragt sich Enkelmann.

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21 Kommentare

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  • W
    Wolfgang

    Es wurde vom Verfassungsschutz versäumt, Christian Wulff besser zu beobachten. Dann hätten wir jetzt nicht so ein peinliches Deutschland.

  • SP
    Sauer, Peter

    Tja, es wird mir immer klarer!

     

    Es gibt in Deutschland nur noch eine Partei die ich wählen kann und das ist die Linke!

     

    Die sogenannte Elite macht sich in das Hemd vor einer 7% Partei die angeblich aus lauter wirren Schwachköpfen besteht! Warum nur? Wo kommt diese Furcht her? Ist wohl doch nicht alles so verkehrt was ein Herr Lafontaine eine Frau Wagenknecht und ein Herr Gisy schon vor Jahren vorhergesagt haben

    als ein Herr Steinbrück und die Mutti der Nation noch geschlafen haben!

     

    PS:VS, bitte beobachte mich ich werde Links wählen

    und denke auch anders als die meißten Michels in Deutschland !Bin ich eine rote Gefahr ? Hilfe!

     

    Gruß

  • A
    axel

    Aus der Erklärung des Parteivorstandes Die Linke vom 22.01.2012

    "Bespitzelung der LINKEN unterminiert Werte der parlamentarischen Demokratie":

     

    "Die weitere Bespitzelung von Abgeordneten der LINKEN steht in der Tradition von Berufsverboten und unterminiert die Werte der parlamentarischen Demokratie. Ein Gipfel ist erreicht, wenn der Verfassungsschutz Linke bespitzelt, parlamentarische Immunität von linken Abgeordneten aufgehoben und gleichzeitig Rechtsterrorismus verharmlost und finanziert wird.

     

    Der Parteivorstand betrachtet die Bespitzelung als rechtswidrigen Angriff auf unsere Partei. Getroffen werden sollen DIE LINKE als sozialistische Partei in der Bundesrepublik, ihre Mitglieder sowie Sympathisantinnen und Sympathisanten, die parlamentarisch und außerparlamentarisch Widerstand gegen undemokratische und unsoziale Entwicklungen in diesem Land, insbesondere auch gegen Neofaschismus und Rechtspopulismus leisten.

     

    Getroffen werden soll aber zugleich der zunehmende gesellschaftliche Widerstand gegen die gegenwärtige Politik der Bundesregierung, auch und gerade in der Frage der Bekämpfung von Neofaschismus und Rechtspopulismus. Durch die Kriminalisierung dieses Widerstandes soll Widerstand begrenzt oder gar verhindert werden. ..."

     

    http://www.die-linke.de/nc/presse/presseerklaerungen/detail/zurueck/presseerklaerungen/artikel/bespitzelung-der-linken-unterminiert-werte-der-parlamentarischen-demokratie/

  • OP
    Otto Pardey

    Es liegt in der Natur deutscher Politik die Bürger

    zu unterwerfen.

    Schon 1933 bis 1945 und darüber hinaus in der DDR

    bis heute 2012 ist dieses Phänomen in Deutschland

    politischer Kultur geschuldet.

    Was früher als GeStaPo oder Stasi in Deutschland

    Angst und Schrecken vebreitet hat läuft heute ver-

    harmlosend unter der Bezeichnung Verfassungsschutz.

    Diese saatliche Organisation bekämft demokratische

    Grundsätze und macht sich zum helfer von Nazis,

    der braune Wolf im Schafspelz lebt.

  • K
    Kassandra

    Interessant, das der Verfassungsschutz Links so gut sieht!

    Rechts allerdings augenscheinlich blind ist. Wie man ja in der jüngsten Vergangenheit lesen konnte.

     

    Es scheint sich in all den Jahren seit der Nazizeit wenig geändert zu haben. Im übrigen stellt sich mir die Frage, ob Heuss heute noch BP werden könnte, wenn man an Wulff denkt und dessen Unsäglichkeiten.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_ehemaliger_NSDAP-Mitglieder,_die_nach_Mai_1945_politisch_t%C3%A4tig_waren

  • WA
    wem anders

    Zitat aus Wikipedia-Artikel über Max Reimann (http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Reimann):

     

    Bekannt wurden seine Worte zur Ablehnung des Grundgesetzes durch die KPD: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“

  • C
    Celsus

    Da braucht es für die Beobachtung der öffentlichen Äußerungen jedes einzelnen Abgeordneten gute und nachvollziehbare Gründe. Ich finde es ein Unding, wenn da mit der Zahl 27 eine Partei an den Pranger gestellt wird und nicht mal die kleinste Information rüberkommt, was die Abgeordneten in ihrem öffentlichen Wirken den Verfassungsfeindliches getan haben.

     

    Wenn sich da ein Bundesinnenminister oder Teile seines Apparates verselbständig haben und sich den gesetzlichen Vorgaben entziehen, müssen die alle gehen. Es darf keine "Privatarmee" eines Bundesinnenministers geben. Es gibt keinen sensibleren Bereich, der volles Vertrauen erfordert, wie das Wirken der Geheimdienste.

  • H
    Hansi

    Die wohl gößte Gefahr für unsere Demokratie und Republik in Hinsicht auf Verfassung und Bürgerrechte, stellt im Moment wohl die CDU dar im zusammenspiel mit der FDP. Alleine Politiker wie z. B. Frau v. d. Leyen haben die Verfassung bereits mehrmals bewusst gebrochen. Die Vereinigigung von Politik und Großkapital und Großfirmen/Konzernen, die sich über alles und jeden hinwegsetzen und selbst Richter und Staatsanwälte "gekauft" haben, stellt eine Gefahr für unsere Verfassung und damit unsere Demokratie dar. Der Verfassungsschutz hat sich selbst zum Werkzeug von rechten faschistoid orientierten Kräften gemacht. Vieles in der BRD ist seit Jahrzehnten verfassungswiedrig und es wird nichts dagegen getan. Hier sollte sich mal der Verfassungsschutz drum kümmern. So hat er keinerlei Rückendeckung mehr vom Volk.

  • R
    rugero

    Das gab es ähnlich schon mal vor 80 Jahren.Nazis ziehen zehn Jahre lang unbehelligt mordend durch das Land, während der Verrfassungsschutz demokratisch gewählte linke Abgeordnete als Staatsfeinde unter Beobachtung hält. Das ist pervers !

     

    Frau Wagenknecht vertritt sicherlich andere Ansichten als Frau Merkel, aber doch nicht mit der Waffe in der Hand, sondern auf parlamentarischem Parkett und in der Presse. Die panische Angst dieses Staates vor einer Partei, die in den meisten Bundesländern mit sehr geringen Prozentzahlen gewählt wurde ist gewaltig. Warum nur ?

     

    Politische Gegner bekämpft man mit Argumenten. Bespitzelung, Verbotsüberlegungen, etc. sind eine politische Bankrotterklärung der staatstragenden Parteien.

  • M
    Marc

    Solange aus der EX-SED Stimmen zu hören sind, wie Mauerbau war toll oder Jubelbriefe an die letzten Diktatoren versendet werden, solange muss der Verfassungsschutz diesen kruden Verein auch überwachen. Das sollte jedem die Demokratie wert sein.

  • E
    Ela

    Der Bundesverfassungsschutz bewacht die demokratische Linke, die Boulevard-Presse den Rest.

    Wenn das so weiter geht, haben unsere Politiker zunehmend nichts besseres zu tun, als in der Öffentlichkeit Rechenschaft über irgendwelche Banalitäten abzulegen, weil sie andauernd denunziert werden. Ja, so hat jeder seine Sorgen. Ich, z.B., habe in letzter Zeit ganz andere Sorgen. Ich überlege, wer denn jetzt Politik machen soll in diesem Land, wenn unsere Politiker anderweitig beschäftigt sind.

  • K
    Kallek

    Liebe Taz-Redakteure!

    In einem meiner ersten Presseseminare lernte ich, das Artikel nach der abfallender Wichtigkeit geordnet werden sollten. Warum versteckt ihr den einzigen Absatz mit Informationsgehalt nun am Ende des Artikels? Die dahergeblabberten Meinungen von SPD und Grünen sind doch wohl witzlos, gegenüber der Feststellung, dass nicht nur öffentlich zugängliche Daten gesammelt werden.

  • M
    mir

    "Einige bei der Linkspartei sind wirr..."

     

    Wie mich dieser Politik-Zirkus ankotzt! Keine Gelegeheit auslassen, dem "Gegner" eins auszuwischen, zu diffamieren, zu polemisieren, zu polasieren undsoweiter, obwohl man selber nicht ein Deut besser ist, höchstwahrscheinlich eher schlimmer, nämlich korrupt statt wirr. Elendes Pack allesamt!

  • V
    vic

    In der Tat, diese Demokratie beschreitet seltsame Wege.

    Mir fallen spontan eine Menge verfassungsproblematischer Figuren ein- alle in der Regierungskoalition.

    Und "Wirre" gibt`s auch bei den Grünen, Herr Beck.

    Jetzt macht Linke wählen gleich wieder mehr Spaß.

  • T
    T.V.

    Fassen wir zusammen: Niebel sorgt sich um seinen Ruf. Die neue Stasi mag ihre alten Kollegen nicht mehr. Die Reichsten davon sind in schlechter Verfassung und meinen nur wenn sie es erlauben dürfen sie überwacht werden. Beck faselt wirres Zeug. Godwin's Law schlägt zu. Der Fön bläst aus sozialdemokratischer Richtung. Dokumente die alle lesen dürfen, dürfen nicht alle lesen und die FDP gibts immer noch.

  • S
    SimYerushalaim

    Die Leute auf dem Bild werden wahrscheinlich alle drei beobachtet ;)

  • H
    Hans-B.Ottmer

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Bitte weiterreichen an unseren wachsamen Staatsschutz!

    SELBSTANZEIGE

    Ich bitte um schärfte persönliche Überwachung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Obwohl weder Mitglied der LINKEN noch Abgeordneter derselben Partei im Bundestag, bin ch gleichwohl höchst verdächtig aus zwei Gründen.

    1.) In meinem Studiuem (alt-68-iger...!!!) habe ich DAS KAPITAL von Karl Marx gelesen...

    2.)Seit ca 20 Jahren bin ich im Besitz von Hitlers "Mein Kampf", dessen Lektüre ich jedoch bedauerlicherweise nach ca, 100 Seiten wegen Langweiligkeit eingestellt habe, was kein Grund ist, mich wegen möglicher rechtsradikaler Tendenzen weiterhin zu überwachen. Ich könnte ja gelegentlich weiter lesen...

    Mit staatstragenden Grüßen,Hans-B.Ottmer

  • R
    reblek

    Was soll die Aufregung? Meint irgendjemand, dass diese "Überwachung" zu Ergebnissen führt, die sich die Behörde öffentlich als "belastend" vorzuzeigen trauen würde. Da wird doch lediglich diffus Verdacht geäußert. Und die "Überwachung" dient lediglich der öffentlichen Legitimation der Existenz der entsprechenden Behörden. Die gehören schon lange abgeschafft. Und für die "Überwachung" des Rechtsextremismus gehören Strafverfolgungsbehörden geschaffen, die effektiv arbeiten und den Namen verdienen.

  • A
    aurorua

    Da fragt man sich schon wer zahlt eigentlich die Gehaelter des VS. Der Buerger und Steuerzahler oder die Reichen und Superreichen, wer sonst sollte sich aengstigen vor einer Partei die soziale Gerechtigkeit und rigorose Umverteilung von OBEN nach UNTEN fordert?

    Wuerde man dieses Personal zur Ueberwachung und Aufdeckung von Steuerbetrug, Betruegereien im Pflege und Gesundheitssektor, Korruption in Politik und Wirtschaft einsetzen, waere dem Buerger mehr gedient.

  • J
    Jürgen

    Wie immer, der VS hat die Priorität, die ihm seit Jahren von law-and-order Ministern zugewiesen wird. Mordende Nazis gefährden halt die Umverteilung von Unten nach Oben nicht.

    Und wenn das ganze Land links wäre, würde man eben alle überwachen, die Stasi lässt grüssen.

  • W
    Webmarxist

    Die Linke trat und tritt immer für mehr Demokratie in der Gesellschaft ein.Anders als die NPD und andere Nazis , die die Demokratie abschaffen wollen.