Verfassungsgericht: Richterwahl im Hinterzimmer
Um die Benennung der Verfassungsrichter ans Licht zu zerren, tritt die Linke mit einem eigenen Kandidaten an.
BERLIN taz Gegen das Verfahren zur Wahl von Verfassungsrichtern regt sich Widerstand. Zur Wahl von Ferdinand Kirchhof am Donnerstag im Richterwahlausschuss des Bundestages stellt die Linke einen Antrag auf öffentliche Anhörung des Karslruhe-Kandidaten. Zudem hat die Fraktion mit dem Lübecker Landgerichtspräsidenten Hans-Ernst Böttcher einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt, der Kirchhof den Platz streitig machen soll. "Damit wollen wir die Wahl transparenter machen und demokratisieren", sagte der rechtspolitische Sprecher der Linken, Wolfgang Neskovic.
Neskovic beklagte, die Mehrheitsfraktionen von CDU und SPD würden die Richterposten "in Hinterzimmern zwischen Tür und Angel auskungeln". Gemessen an der machtpolitischen Bedeutung der höchsten Richter sei dieses Verfahren "unwürdig und unangemessen". Stattdessen müssten Kandidaten die "Gesamtheit der Wertungshorizonte" der Bevölkerung repräsentieren, schließlich handelten Richter im Namen des Volkes.
Zu einer Neugestaltung des Wahlverfahrens gehöre zwingend eine öffentliche Anhörung der Kandidaten, wie sie in den USA praktiziert werde. Nur so könne die Bevölkerung angemessen einbezogen werden. Jede Fraktion solle zudem ein eigenes Benennungsrecht erhalten. Dazu will die Linke einen Gesetzentwurf einbringen, der auch eine Neuregelung der Wahlverfahren für die übrigen Bundesgerichte sowie für den Europäischen Gerichtshof beinhaltet.
Auf Vorschlag der Union soll der Tübinger Steuer- und Finanzrechtler Kirchhof heute gewählt werden. Die SPD hatte bereits vor einiger Zeit ihr Einverständnis erklärt. Für eine erfolgreiche Wahl ist in dem zwölfköpfigen Wahlausschuss eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Kirchof hat sich dem Abbau der Staatsverschuldung beschäftigt und vertrat das Land Baden-Württemberg im Kopftuchstreit vor dem Bundesverfassungsgericht. Der Bruder des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof soll Nachfolger des für Sozialrecht zuständigen Richters Udo Steiner werden.
Der von der Linken ins Spiel gebrachte Kandidat Böttcher ist seit 1991 Präsident des Lübecker Landgerichts. Das Bundesverfassungsgericht kennt er aus seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Jahren 1980 bis 1983.
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