Verfassungsblog gegen die AfD: Höhere Hürden für Höcke
Das „Thüringen-Projekt“ vom Verfassungsblog macht Vorschläge zur Stärkung von Demokratie. Warum die AfD es damit schwerer haben wird.
Steinbeis ist Gründer des Verfassungsblogs, in dem seit 2009 verfassungsrechtliche Fragen diskutiert werden. Vor einem Jahr gründete Steinbeis das „Thüringen-Projekt“, in dem er mit zehn Mitarbeitenden untersucht, wie die AfD nach einem Wahlerfolg Demokratie und Rechtsstaat in Thüringen gefährden könnte und wie die Politik dies im Vorfeld verhindern oder jedenfalls erschweren sollte. Das Thüringen-Projekt hat nun ein Policy-Paper mit sieben Empfehlungen vorgestellt. Das Papier spricht übrigens nie von der „AfD“, sondern stets von einer „autoritär-populistischen“ Partei. Doch natürlich weiß jede:r, wer gemeint ist.
Dabei gibt das Thüringen-Projekt keine Empfehlungen, was zu tun wäre, wenn die AfD in Thüringen eine absolute Mehrheit erringt und dann beginnt, rassistische Gesetze zu beschließen oder die Opposition bei Wahlen und Demonstrationen zu behindern. Die Vorschläge des Thüringen-Projekts setzen eher früher an, wenn die AfD noch keine absolute Mehrheit hat, aber mit mehr als einem Drittel der Sitze im Landtag bestimmte Entscheidungen blockieren kann. Oder wenn die AfD Teil einer Koalitionsregierung wird und einzelne Minister oder sogar den Ministerpräsidenten stellt.
So könnten AfD-Minister:innen etwa ohne Begründung politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke hat bereits angekündigt, dass er gerne Stephan Kramer, den Präsidenten des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, ersetzen würde. Bisher könnte ein:e Thüringer Innenminister:in dies ohne Weiteres tun.
Politische Beamte
Das Thüringen-Projekt schlägt nun vor, die Polizeipräsident:in und die Präsident:in des Verfassungsschutzes aus der Thüringer Liste der politischen Beamten zu streichen. Die Amtsinhaber:innen könnten dann nicht mehr ohne Begründung entlassen werden. Würde der Vorschlag umgesetzt, könnte er freilich auch nach hinten losgehen. Wenn sich ein Thüringer Polizeipräsident nach Ernennung selbst radikalisiert, dann kann er eben auch von einer SPD- oder CDU-Innenminister:in nicht so einfach entlassen werden.
Anderes Beispiel: Derzeit kann ein:e Thüringer Ministerpräsident:in Staatsverträge kündigen, ohne dass der Landtag zustimmen muss. Ein Ministerpräsident Höcke könnte so die allgemeinen Rundfunkstaatsverträge oder den Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) kündigen und Thüringen damit aus dem Verbund öffentlich-rechtlicher Medien herausnehmen.
Das Thüringen-Projekt schlägt vor, dass die Kündigung von Staatsverträgen nur mit Zustimmung des Erfurter Landtags möglich sein soll. Falls die AfD allein regiert, wäre das keine große Hürde, und in einer Koalition der AfD mit CDU oder BSW wäre sicher auch manches möglich, was man bisher für undenkbar hielt.
Die Vorschläge des Thüringen-Projekts sehen in der Regel also keine absoluten Stoppschilder vor, weil sie verfassungsrechtlich auch schlecht zu begründen wären. Wenn eine Partei die Wahlen gewinnt, soll sich dies ja in einer entsprechenden Politik niederschlagen können. Meist will das Projekt nur die Hürden für politisch heikle Änderungen etwas erhöhen.
Kann geändert werden
So sollte etwa die Landeszentrale für politische Bildung erstmals gesetzlich geregelt werden, empfiehlt das Thüringen-Projekt. Dann könnte die nächste Thüringer Landesregierung sie nicht einfach abschaffen oder mit einem neuen deutschnationalen Auftrag versehen. Ein entsprechendes Gesetz könnte nach der Landtagswahl von einer AfD-geführten Landtagsmehrheit aber durchaus wieder geändert werden.
Außerdem will das Projekt die Arbeitsfähigkeit des Landesverfassungsgerichts sichern, konsultative Volksbefragungen der Landesregierung verbieten und Unklarheiten zur Ministerpräsidentenwahl in der Landesverfassung beseitigen.
Für Verfassungsänderungen ist freilich eine Zweidrittelmehrheit im Erfurter Landtag erforderlich.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Wenn der Wahlbrief nicht ankommt
Falsche Kritik an Grenzplänen
Es geht nicht um Machbarkeit
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“