Verfall der Währung: Erdoğan kämpft um die türkische Lira
Wer US-Dollar in die heimische Währung tauscht, bekommt einen Gratis-Döner. Aber das wird die Krise kaum stoppen.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht seine Macht durch die Wirtschaftskrise erstmals seit Langem wieder ernsthaft bedroht – und schlägt in der für ihn typischen Weise um sich. „Der Angriff auf unsere nationale Währung ist ein neuerlicher Putschversuch“, behauptet er. „Nachdem sie es mit militärischen Mitteln im Juni nicht geschafft haben, die Regierung zu stürzen, versuchen sie es nun mit ökonomischen Mitteln“.
„Sie“, das sind die bekannten Widersacher der Gülen-Bewegung und der kurdischen PKK im Verbund mit „imperialistischen“ auswärtigen Kräften, die der Türkei schaden wollten.
Mit großer Geste rief Erdoğan dazu auf, das „Vaterland zu retten“. Jeder türkische Patriot, der über ausländische Devisen verfügt, solle diese in Lira umtauschen, um so den Kurs der heimischen Währung zu stützen. Umgehend boten einige Döner-Restaurants Kunden, die 200 Dollar in Lira umgetauscht hatten, ein Gratis-Essen an. Ähnliche Offerten gibt es von Bäckern oder Friseuren. Friedhofssteinmetze meißeln sogar bei entsprechender Dollarmenge einen Grabstein umsonst.
Die Devisenreserven reichen nicht
Klingt kurios, hat einen bedrohlichen Hintergrund. Die oppositionelle Tageszeitung Cumhuriyet schrieb kürzlich, die staatlichen Devisenreserven würden kaum noch ausreichen, um die nächsten Rechnungen für Öl – und Gasimporte zu zahlen. Erdoğan hat deshalb den Russen angeboten, Öl und Gas künftig in Rubel zu bezahlen und Russland die Möglichkeit zu geben, in der Türkei in Lira einzukaufen.
Dasselbe möchte er im Handel mit Iran und China erreichen. Die Türkei benötigt dringend Devisen. Sämtliche staatlichen Institutionen wurden bereits angewiesen, ihre Dollarreserven umzutauschen. Das Verteidigungsministerium musste seine letzten 260 Millionen Dollar hergeben – und kann nun weder ausländische Kämpfer in Syrien bezahlen noch im Ausland Waffen kaufen.
Präsident Erdoğan
Dabei sind sich viele Ökonomen einig, was zum Verfall der Lira geführt hat: Neben der allgemeinen Schwäche vieler Schwellenländer sind das vor allem hausgemachte Gründe. Die Repressionspolitik Erdoğans, die damit verbundene Rechtsunsicherheit und das Streben des Präsidenten nach unumschränkter Macht führen offenbar dazu, dass sich Investoren nicht mehr in der Türkei engagieren wollen.
Ausländische Direktinvestitionen sind im ersten Halbjahr 2016 um über die Hälfte zurückgegangen. Dass Erdoğan nun die Zentralbank zwingt, die Zinsen zu senken, lässt auch alle Spekulanten einen Bogen um die Türkei machen.
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