die woche wird wichtig für … : Verena Kulenkampff
… weil die ARD-Koordinatorin fürs Vorabendprogramm mit der neuen Serie „Das Geheimnis meines Vaters“ zeigen muss, dass man im Ersten wirklich ein Konzept hat
Jule kann einem schon ein bisschen leidtun. Die Mutter nimmt es ihr noch immer übel, dass sie aus der Heimatstadt Wismar ins ferne Berlin gegangen ist. Der Vater verschwindet auf einer Geschäftsreise spurlos. Die Sekretärin liegt ermordet in der familieneigenen Parfüm-Manufaktur. Und selbst die zuständige ARD-Vorabend-Koordinatorin traut der Protagonistin ihrer neuen Serie auch nicht so recht: „Der Herbst wird nicht einfach für uns“, hat Verena Kulenkampff zum Start von „Das Geheimnis meines Vaters“ (ab Dienstag. 18.50 Uhr, ARD) gesagt.
Denn bisher hat nur das Erste auf diesem Sendeplatz fiktionales Programm angeboten. Nun halten gleich zwei kommerzielle Sender dagegen: Sat.1 schickt ab kommender Woche seine zweite Telenovela „Schmetterlinge im Bauch“ ins Rennen, und RTL startet am 4. 9. mit „Alles, was zählt“ die dritte Daily Soap.
Aber wie hat Verena Kulenkampff selbst mal gesagt: „Es gibt keine öffentlich-rechtliche Unterhaltung, sondern nur gute und schlechte Unterhaltung.“ Vergleichen wir also Vaters Geheimnis nicht mit den Privatprogrammen, sondern schauen, was das von der ARD neu erfundene Genre „Krimi-Telenovela“ an sich hergibt.
Leider nicht so viel. Statt der Hedwig-Courths-Mahler-Atmosphäre von „Sophie – Braut wider Willen“ bietet die ARD jetzt Enid-Blyton-Feeling. Durch die Krimihandlung und den „Wildfang“ Jule hat das Ganze ziemlich viel von einem „Fünf Freunde“-Roman. Trotzdem werden Jule und ihr geheimnisvoller Vater ihr Publikum aller Wahrscheinlichkeit nach nicht finden.
Denn auf dem Sendeplatz hat die ARD so ausgiebig konzeptionell herumgeeiert, dass man sich wundern muss, wenn überhaupt noch jemand gezielt um 18.50 Uhr das Erste einschaltet: „Sophie“, „Türkisch für Anfänger“, „Die Tierretter von Aiderbichl“ – alles komplett anders ausgerichtete Formate mit völlig anderen Zielgruppen. Dass da auch völlig andere Quoten und Kritiken dabei herauskamen, scheint man im Ersten einfach so hinzunehmen –wenn’s floppt, lag es halt an der Konkurrenz.
Immerhin stehen für den Herbst noch zwei interessante Projekte an: „Das Beste aus meinem Leben“ nach den Kolumnen des SZ-Magaziners Axel Hacke und „Zwei Engel für Amor“ von „Berlin, Berlin“-Autor David Saffier. Bleibt zu hoffen, dass diese ihr Publikum finden und sich das Erste endlich mal genötigt sieht, sich um 18.50 Uhr auf ein verlässliches Konzept festzulegen – nämlich intelligenter Familienunterhaltung jenseits von Frauen-Affinität und Telenovela-Massenware. HANNAH PILARCZYK