Vereins-Gründerin über Mitbestimmung: „Wir sind die helfende Hand“
Das Hamburger „Migranten Komitee“ will Geflüchteten im Alltag helfen. Gründerin Asmara Habtezion über Sprachbarrieren und Demokratie.
taz: Frau Habtezion, werden Migrant*innen in Deutschland ausreichend gehört?
Asmara Habtezion: Nein, definitiv nicht. Das Mitbestimmungsrecht ist nicht gegeben, da sie nicht wählen dürfen. Auch die Sprachbarriere ist natürlich ein großes Hindernis. Der Zugang zu Bildung ist sehr schwer und wenn es um Themen wie Flucht und Migration geht, werden Migrant*innen als Betroffene meistens nicht einbezogen. Vielen fehlt aber auch das Wissen über demokratische Werkzeuge. Wie man die Demokratie anwendet, mitbestimmen und sich selbst organisieren kann.
Ihr „Migranten Komitee“ soll das ändern?
Genau. Bei unserem MigKom machen wir Schulungen und bringen den Menschen diese Dinge näher. Ziel ist es, ein Gremium in jedem Stadtteil zu gründen, in das man sich reinwählen lassen kann. Dann richtig mit Wahlkampf und allem Drum und Dran. Die Menschen, beispielsweise in den Flüchtlingsunterkünften, sollen sich beteiligen können. Wenn sie Probleme haben, sollen sie eine Möglichkeit haben, sich für Verbesserungen einzusetzen.
Richtet sich das Angebot nur an Geflüchtete?
Ja, an Menschen mit Fluchterfahrung. Wir haben das jedoch weitgehend offen gehalten. Auch Menschen, die schon längere Zeit hier leben, können isoliert sein. Es geht darum, die gemeinsamen Probleme wie Alltagsrassismus, Diskriminierung oder Islamophobie auch gemeinsam anzupacken. Unsere Aufgabe als Verein ist es, ihnen die Werkzeuge dafür zu geben und ihnen zu zeigen, wie sie diese optimal nutzen können.
Sind diese Probleme in den vergangenen Jahren stärker geworden?
Sie sind offener geworden. Die Menschen verstecken ihre rechte Haltung nicht mehr. Heutzutage muss man sich in der Ausländerbehörde Sprüche wie „Gehen Sie doch zurück nach Hause, wenn es Ihnen nicht passt“ anhören. Das hätte sich vor zehn Jahren niemand getraut.
Das „Migranten Komitee“ wird von Ihrem Verein Asmara’ s World getragen. Was gehört sonst noch dazu?
Wir sind die helfende Hand und begleiten Menschen in ihrem Alltagsstruggle. Das betrifft jeden Bereich. Wir schauen auf die Probleme der Menschen und geben Workshops zu verschiedenen Themen. Egal ob Familienzusammenführungen, gesundheitliche Anliegen, Behördenchaos, Probleme mit Polizei oder Justiz. Wir unterstützen die Leute eigentlich bei allem, was für sie unerreichbar scheint.
Sie sind auch bekannt als Rapperin. Welche Rolle spielt Musik bei Ihrer Arbeit?
Sie spielt eine große. Musik ist Ausdruck und verbindet. Wir haben auch schon einmal mit Jugendlichen einen Hip-Hop-Kurs kreiert. Dabei haben wir über Themen diskutiert und die Ergebnisse niedergeschrieben in Songs. Auch eine Sprache kann Musik den Leuten näher bringen.
Was ist die größte Hürde beim Aufbau Ihres Projektes?
Definitiv die Finanzierung. So ein Projekt wie Mig-Kom selbstbestimmt durchführen zu können, ist eine große Herausforderung. Wir brauchen Mittel für Räume, für Equipment und vor allem brauchen wir Dolmetscher. Politische Themen fordern ein ganz anderes Sprachniveau. Wenn wir sie aktivieren wollen, müssen wir ihnen dieses Werkzeug an die Hand geben.
Das Projekt wurde auch für den Deutschen Integrationspreis nominiert.
Genau, wir freuen uns sehr über diese Nominierung. Es zeigt uns, dass wir wohl herausstechen mit unserer Arbeit , speziell mit diesem Projekt. Es ist auch eine tolle Möglichkeit, unsere Idee publik zu machen. Wir wollen politische Teilhabe von Flüchtlingen auf Augenhöhe – überall in Deutschland.
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