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Vereinbarkeit von Familie und BerufMänner an die Buggys

Bei den Bielefelder Stadtwerken arbeiten vor allem Männer, doch Vatersein war dort trotzdem nicht leicht. Also holte sich die Firma Hilfe und wurde zum Exot in der Stadt.

Wenn Kinder kommen, fallen die meisten Familen doch in klassische Rollen zurück. Bild: ap

BERLIN taz | Männerverein. Das ist wohl die passende Bezeichnung für die Stadtwerke Bielefeld. Das städtische Unternehmen hat einen Männeranteil von 80 Prozent. Allerdings richteten sich bis vor zwei Jahren alle Angebote für Vereinbarkeit von Familie und Beruf hauptsächlich an Mütter. Um das zu ändern, klopften die Stadtwerke beim Sozialwissenschaftler Hans-Georg Nelles in Düsseldorf an. Nelles berät mit seiner Firma "Väter und Karrieren" Unternehmen: Wie können wir väterfreundlicher werden?

Für die Bielefelder Stadtwerke entwickelte er das Handbuch "Väter und Elternzeit" und regte eine Fortbildung für Führungskräfte an: Vaterschaft und Beruf. Thomas Monkenbusch, Leiter des Kundenkontakts der Stadtwerke, hat durch das Projekt erkannt, welche Kompetenzen Väter durch die Erziehungsarbeit erwerben. Er sagt: "Wenn man Kinder hat, muss man Toleranz und Geduld aufbringen." Das habe einen positiven Einfluss auf die Teamfähigkeit und das Organisationstalent der Mitarbeiter.

Statistiken zeigen, dass die partnerschaftliche Familie noch keineswegs Normalität ist. Weiter gilt: Der Vater gibt meist den Familienernährer, die Mutter bezieht Elterngeld und bleibt zu Hause. "Viele junge Familien wollen es heute anders machen als ihre Eltern", sagt Karin Jurczyk, Expertin für Familienpolitik am Deutschen Jugendinstitut.

Doch dann, wenn Kinder kommen, fielen die meisten Familien in traditionelle Rollen zurück. Jurczyk: "Gesetzliche Anreize wie das Ehegattensplitting und Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen führen immer noch zu finanziellen Ausfällen, wenn der Mann zu Hause bleibt."

Väterfreundlichkeit eingeschlafen

Zwar sind die Zahlen der Väter, die Elterngeld beziehen, seit 2007 gestiegen. Damals wurden das Elterngeld und die beiden Vätermonate eingeführt. Das Problem: Heute nimmt zwar ein Viertel der Väter Elternzeit, davon allerdings nur 10 Prozent länger als ein halbes Jahr. Die meisten bleiben nur zwei Monate bei ihren kleinen Kindern. Aber in neun von zehn Fällen beantragen Mütter für die maximalen zwölf Monate Elterngeld.

"In vielen Unternehmen gilt eine immer stärkere Präsenzkultur", sagt Hans-Georg Nelles. Obwohl es mehr Angebote für junge Eltern gebe, erwarteten Männer heute eine ähnlich starke Benachteiligung wie früher, wenn sie sich Zeit für die Familie nehmen. Deshalb hat Nelles 2005 "Väter und Karriere" ins Leben gerufen. Damit ist seine Firma eine von bundesweit nur zwei Unternehmensberatungen für väterfreundlichere Arbeitsbedingungen. Seitdem hat er über hundert Unternehmen beraten.

Während in den Bielefelder Stadtwerken derzeit ein Väternetzwerk etabliert wird, ist das Thema Väterfreundlichkeit in den meisten Unternehmen seit Einführung der Vätermonate wieder eingeschlafen. "Wer länger als zwei Monate zu Hause bleibt, gilt noch immer als Exot", hat Nelles erlebt. Dabei sei nicht das Problem, dass es keine Angebote für junge Väter gebe.

Auf der untergeordneten Führungsebene herrsche jedoch die Einstellung: Präsenz ist alles. "Deshalb nimmt keiner die Angebote wie Gleitzeit und Teilzeit in Anspruch." Der Unternehmensberater ist sich bewusst, dass seine Arbeit nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Nelles verlangt deshalb eine gesetzliche Aufteilung der Elterngeldmonate auf beide Partner, so dass Monate wegfallen, die der Mann nicht nimmt. Nur so hätten Männer innerhalb des Unternehmens ein ausreichendes Druckmittel, um ihre Ansprüche auch durchzusetzen.

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9 Kommentare

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  • L
    linkeroekoantifeminist

    Es liegt halt in den Händen der Mütter ob sie so gnädig sind es den Vätern gestatten in Elternzeit zu gehen. Väter haben in den seltensten Fällen die Wahl. Gerade uneheliche Väter brauchen um elterliche Sorge und Elternzeit zu haben, die Zustimmung der Mutter. Die gemeinsamen Sorge ab Vaterschaftsanerkennung und somit dann auch einen eindeutigen Rechtsanspruch auf die Elternzeit für die Väter, würde die Zahl der Väter die Elternzeit in Anspruch nehmen sicherlich erhöhen.

  • BF
    Bärbel Fischer

    "Wenn Kinder kommen, fallen die meisten Frauen wieder in ihre klassische Rolle zurück", so steht es unter dem hübschen Foto. Du meine Güte! Die Frauen "fallen" nicht. Die allermeisten "wollen" bei ihren kleinen Goldschätzchen bleiben, weil sie spüren, dass sie ersehnt, geliebt und gebraucht werden. Und das ist eine ungemein befriedigende Erfahrung und nebenbei ein 24-Std-Job!! Außerdem lässt sich die klassische Rolle viel leichter organisieren, weniger Absprachen, weniger Hektik, weniger Stress, weniger Termine, mehr Ruhe und Gelassenheit, mehr Spaß und mehr Zufriedenheit.

     

    Lasst doch endlich die Eltern sich selbst organisieren und quetscht sie nicht in euer ideologisches Genderkorsett ! Wo bleibt da die Selbstbestimmung der Frauen? Brauchen wir eine neue Frauenrevolte, damit wir endlich die Freiheit bekommen, selbst über unser Lebensmodell zu entscheiden?

  • RK
    Ramoa Kuhla

    Ich wehre mich gegen staatliche Einfluss. Jede Frau und jeder Mann hat das recht, seinen Lebensentwurf zu leben und da hat sich die Politik herauszuhalten. Punkt!

  • S
    Susanna

    @fawkes:

     

    ich sage Ihnen mal, wie das ist mit dem Einflüstern:

    Ich bin eine technisch begabte Frau mit einem technisch vollkommen unbegabten Bruder. Seit ich denken kann, wurde zum Reparieren und Programmieren sämtlicher Geräte immer mein Bruder rangezogen, wärend mir das Gerät aus der Hand gerissen wurde, wenn ich nicht nach wenigen Sekunden Erfolge vorzuweisen hatte. Mein Bruder hat sich dafür gar nicht interessiert.

    Im Unterricht meiner Berufsausbildung schauten die Dozenten nur die Jungs an, mit mir machte keiner Blickkontakt. Sie hatten offensichtlich wenig Kontakt mit Frauen und regelrecht Angst vor mir.

    Solche Erfahrungen mache ich bis heute. Immer und immer wieder muss ich Menschen beweisen, dass ich Geräte bedienen kann, die sie sich bei Frauen einfach nicht vorstellen können. Immer bin ich die einzige Frau unter hunderten von Männern. Ein besonders großes Selbstbewusstsein habe ich nicht, was mein technisches Können betrifft, da ich selten wirklich etwas beweisen darf.

    Alle technischen Geräte, die es in unserem Haushalt gibt (inklusive dem Stimmgerät meiner Gitarre, von meinem Computer ganz zu schweigen), werden automatisch meinem Freund zugeschrieben. Von den meisten Besuchern. Von meinen Freunden.

     

    Und jetzt sagen Sie mir doch nochmal wie das ist mit dem Gender-Mainstreaming, dass uns so unausweichlich übergestülpt wird, ich hätte davon gerne ein bisschen mehr in meinem Leben.

    Ich bin gerne Frau und Mutter, aber da, wo ich mich auch mal für etwas anderes begeistere, möchte ich nicht konsequent übersehen werden.

    Was uns da für ein Potential entgeht, möchte ich mir gar nicht ausmalen.

     

    Ich habe übrigens in meinem ganzen Leben für nichts so viel Zuspruch erfahren, wie für die Tatsache, dass ich irgendwann mal Anfang zwanzig 10 Kg abgenommen habe. Das ist bis heute offensichtlich das tollste, was ich als Fraue erreichen konnte. (Ich bin auch ziemlich erfolgreich in meinem Beruf, kriege dafür aber weniger Anerkennung. Dafür öfter mal den Kommentar, dass man es als hübsche Frau wohl leichter hat.)

     

    Die radikalen Feministinnen, von denen Sie sich so bedroht fühlen, scheinen nicht sonderlich erfolgreich zu sein mit ihrer Gehirnwäsche.

    Jedenfalls nicht in meiner Welt.

  • N
    Nadine

    Ich habe nur einen kleinen Einwand bzgl. der 50-50 Aufteilung. Was ist denn mit den Müttern, die ihre Kinder gerne länger als sechs Monate stillen möchten, sollen sie dafür finanziell bestraft werden? Für diejenigen, die nun zum Abpumpen raten: Stillen ist mehr als nur Futterzufuhr. Zum einen pflegt man damit eine körperlich sehr enge Beziehung und zum anderen unterstützt es den Rückbildungsprozess. Außerdem glaube ich nicht, dass durch eine Kürzung den Männern ein Instrument in die Hand gegeben wird, um ihre Forderungen nach Vaterzeit durchzusetzten. Wenn es schon bei zwei Monaten Probleme und Ängste bzgl. der Karriere gibt, wie soll es denn dann bei sechs Monaten aussehen.Idealerweise sollte nicht finanzieller Druck den Ausschlag geben beim Kind zu bleiben sondern das Bedürfnis danach.

    Ganz außen vor gelassen werden hierbei natürlich auch all die alleinerziehende Mütter undVäter. Muss das Kind zwischendurch umziehen, damit das Elterngeld auch voll gewährt wird?

    Ansonsten ein wirklich gelungener Artikel.

  • SM
    Sandra Maier

    Ein schöner Artikel, Frau Grass. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss ganzheitlich gefördert werden. Da gehören flexible Arbeitszeiten genauso zu wie Kinderbetreuung etc. Weitere interessante Vorschläge habe ich hier gelesen:

    http://www.atkearney361grad.de/2012/01/30/rushhour-des-lebens-5-mehr-soziale-sicherheit-fur-junge-familien/

  • E
    emil

    ganz recht, die zeit muss 50/50 geteilt werden. nur so lässt sich da bewegung reinbringen.

  • NG
    [Name Gelöscht]

    Das finde ich richtig toll! Kinder brauchen ihre Mütter UND ihre Väter. Und ganz besonders Jungs brauchen auch männliche Bezugspersonen in ihrem Umfeld, um ihre Identität zu finden. Deshalb ist es für sie besonders wichtig, ihre Väter im wahrsten Sinne des Wortes zu erleben.

     

    Leider ist es auch heute noch oft so, dass die Benachteiligungen, die Männer im Beruf befürchten, wenn sie sich Zeit für die Familie nehmen, ja auch tatsächlich vorhanden sind. Deshalb finde ich den Vorstoss der Bielefelder Stadtwerke besonders lobenswert, auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber auch steter Tropfen höhlt den Stein und vielleicht werden gleiche Bedingungen für Männer und Frauen irgendwann doch einmal zur Selbstverständlichkeit.

  • F
    Fawkes

    Warum kann eigentlich die Politik (und die Medien) den Menschen nicht selbst überlassen, wie sie leben wollen?'

     

    Gender- Mainstreaming ist nichts weiter als ein staatlich gelenktes Umerziehungsprogramm, das dem "mündigen" Bürger mit aller Gewalt übergestülpt wird. Und jedes Mal, wenn eine Umfrage oder Studie an den Tag bringt, dass sogar ein Großteil der Frauen am alten Familienleitbild festhält keifen und geifern die radikalen FeministInnen über ihre verräterischen und schwachen Schwestern, die einfach nicht so sein wollen, wie die Genderpropaganda anordnet. Männlein und Weiblein sind zwar gleichberechtigt, aber dennoch von ihrer Natur her verschieden. Akzeptiert das endlich!!!

     

    Natürlich sollen auch Mädchen ihren Lebensweg selbst gestalten und entscheiden, was sie wollen. Und wenn dieser Lebensweg denn in einigen Fällen vom typisch weiblichen abweicht, so ist das selbstverständlich auch in Ordnung, wenn es tatsächlich der Neigung der betreffenden Frau entspricht, also aus ihrem eigenem Herzen kommt und nicht eingeflüstert wurde. Derzeit ist es aber beinahe so, dass den Mädchen und Frauen regelrecht verordnet wird, in der Wirtschaft karriere zu machen und sich ja nicht um ihre Familie zu kümmern. (Gleichzeitig übt man auf die Männer zunehmend Druck aus, weibliche Rollen zu übernehmen und auch entsprechende Berufe zu ergreifen) Frauen, die sich für das Althergebrachte entscheiden, werden nicht selten mit Verachtung und manchmal sogar mit Diskriminierung bestraft.

     

    Wie wir als männliche oder weibliche Individuen leben wollen, muss jede® mit sich selbst ausmachen. Dabei sollten weder Männer noch Frauen einem von Politik und Medien vorgehaltenem Ideal nacheifern müssen, sondern alleine ihrem Herzen und ihrem Gewissen verpflichtet sein. Nieder mit den Sozialexperimenten. Lasst die Menschen endlich so sein, wie sie selbst es wollen!!! Frauen wissen von alleine, wie ihr Leben aussehen soll. Sie brauchen- ebensowenig wie die Männer- keine Order von oben, wie sie zu leben haben. Wenn es euch wirklich um die Gleichberechtigung von Mann und Frau geht- schaut mal, was für undemokratische Geschlechts- und Gesellschaftsbilder (vor allem religios begründete) in Deutschland und Mitteleuropa gerade Wurzeln schlagen. Und dagegen sagen die Genderemanzen komischerweise nichts- weil das ist ja politisch inkorrekt- Autobahn- und überhaupt Ausschwitz.. diese Eva Hermann.... Hitlervergangenheit.... Islamophobie..... Xenophobie.... Sarrazinismus usw. etc,. pp.