piwik no script img

Verdeckte Ermittlerin Jahrelang hat die Polizistin Maria B. Hamburgs linke Szene ausspioniert. Wie muss jemand gestrickt sein, der so etwas macht? Und wie gehen die Leute, die mit ihr befreundet waren, mit dem Vertrauensbruch um?▶ Schwerpunkt SEITE 43–45Falsche Freunde

von Katharina Schipkowski

Ihr Handy klingelt noch, aber es geht keiner ran. In der Einzimmerwohnung in einem anonymen Hamburger Apartmentblock wohnt sie schon lange nicht mehr – „Maria Block“, die Aktivistin, die Linke, die überzeugte Antifaschistin, die Mitstreiterin, die Vertraute, existiert nicht mehr. „Es ist, als sei eine enge Freundin gestorben“, sagte ein Aktivist, der dachte, gut mit Maria befreundet gewesen zu sein.

Seit Ende August bekannt wurde, dass „Maria Block“ eine verdeckt arbeitende Polizeibeamtin war, die die linke Szene Hamburgs ausspioniert hat, sind viele Details über ihre Tätigkeit ans Licht gekommen. Eine Recherchegruppe aus eben jener Szene hat ein 16-seitiges Dokument inklusive Fotos, Klarnamen und Adresse der Polizeibeamtin ins Internet gestellt und ihre Legende erzählt. Die Betroffenen berichten unter anderem von vier politischen Einsätzen im Ausland, an denen Maria B. teilnahm, von zwei sexuellen Beziehungen, die sie über einen undefinierten Zeitraum mit Aktivisten hatte. Auch an geheimen Vorbereitungen zu Demonstrationen und strafrechtlich relevanten Aktionen war sie beteiligt.

„Maria Block“ war in der antirassistischen Szene um die ehemals besetzte Hafenstraße aktiv, besuchte das interne Rote-Flora-Plenum, verschaffte sich Zugang zu Räumen wie dem Wilhelmsburger Infoladen, dem „Centro Sociale“ im Schanzenviertel und den Fanräumen von Ultra St. Pauli. In persönlichen Gesprächen haben Linke ihr enges Verhältnis zu ihr beschrieben und von der Verletzung und Enttäuschung erzählt, die das Auffliegen der Spionin bei ihnen hinterlassen hat.

Maria Block, die Frau mit den blonden Rastazöpfen, war in der linken Szene gern gesehen: Sie brachte sich aktiv ein, übernahm Aufgaben, organisierte Treffen und regte gemeinsame Aktivitäten an. Menschen, die ihr nahe standen, beschreiben sie als sehr nette und zugewandte Person, die ihren Bekannten gegenüber herzlich und warm auftrat. Ihre Mitmenschen begrüßte sie häufig mit „Hey Süße“ oder mit einer Umarmung.

„Man hat ihr vertraut“, schreiben die, die sie enttarnt haben. Und das über Jahre: Von 2008 bis 2012 bewegte sie sich unter falscher Identität in der Szene und lieferte Informationen an die Polizei. Ihr Auftrag ist unklar: „Zur Abwehr von Gefahren“, lautet die offizielle Begründung, die der Hamburger Polizeipräsident Ralf Meyer gibt. Eine Standardformulierung, die nicht über das hinausgeht, was man im Gesetzestext über den Einsatz von verdeckten ErmittlerInnen nachlesen kann. Welche konkrete Gefahr denn nun abgewehrt wurde, und wie das einen Einsatz über – in diesem Fall vier – Jahre rechtfertigt, ist vollkommen unklar.

Auch das Landeskriminalamt, das Maria P. einsetzte, gibt dazu keine Auskunft: Informationen über verdeckte Einsätze der Vergangenheit könnten Aufschluss über aktuell laufende verdeckte Ermittlungen geben und so den Erfolg dieser gefährden, heißt es von da. Polizeipräsident Meyer beteuert jedoch, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz vorgelegen hätten – es seien „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ zu befürchten gewesen.

Unangenehm ist die Enttarnung für den Hamburger Innensenator Michael Neumann. Nachdem erst im November letzten Jahres die Polizistin Iris P. aufgeflogen war, die als „Iris Schneider“ von 2001 bis 2006 die linke Szene bespitzelte, hatte der Sozialdemokrat Neumann noch eine „lückenlose Aufklärung“ gefordert. Das war einfach – schließlich war er noch nicht im Amt, als die Spionin den Radiosender FSK infiltrierte und unter ihrer Tarnidentität zwei Liebesbeziehungen in der queerfeministischen Szene führte.

Zumindest das Ende des Einsatzes von Maria B. fällt aber in seine Amtszeit – und mit der Aufklärungsbereitschaft ist es nun nicht mehr weit her. Wortkarg gab sich Neumann im Innenausschuss der Bürgerschaft, als der Name „Maria“ auf der Tagesordnung stand. Er kündigte an, in Zukunft nur noch verdeckte ErmittlerInnen einzusetzen, die mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet sind, was zumindest bei Iris P. nicht der Fall gewesen war.

Darüber hinaus werfen die Einsätze von Maria B. und Iris P. grundsätzliche Fragen auf. Wie verhält sich eine Szene, die permanent davon ausgehen muss, von Spitzeln durchsetzt zu sein? Was macht der Verdacht mit persönlichen Beziehungen? Wie fühlt es sich an, mit einer Polizistin ins Bett gegangen zu sein, in der Annahme, sie sei jemand anderes? Und was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn der Staat SpitzelInnen in die in Privaträume von SystemgegnerInnen schickt? Die Aufarbeitung ist noch lange nicht zu Ende.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen