Verbotene Ausfuhr: Automüll für Afrika
Aus Deutschland werden jährlich rund 400.000 Schrottwagen exportiert, die meisten davon in den Süden. Das ist zwar verboten – doch Kontrollen sind selten und lasch.
![](https://taz.de/picture/302676/14/altautos.20100729-09.jpg)
Auch ohne Abwrackprämie sind viele Altautos ein Verkaufsschlager: Sie werden exportiert, zehntausende davon nach Afrika. Dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zugeht, befürchten Umweltexperten. Die Ausfuhr von Automüll ist nämlich verboten.
Trotzdem erinnert der Kleine Grasbrook im Hamburger Hafen in diesem Sommer an einen überdimensionalen Autofriedhof. Ein tropfender Feuerwehrwagen ohne Leiter steht dort neben einem vor sich hin rostenden Uralt-Pkw, die Fenster mit Klebefolien blickdicht verschlossen. Daneben wartet ein schwarzes Bestattungsfahrzeug, Baujahr 1969, neben tausenden anderen Altautos auf den Abtransport nach Übersee.
Im zurückliegenden Krisenjahr wurden etwa 60.000 gebrauchte Fahrzeuge über den Hamburger Hafen umgeschlagen. Genaue Zahlen kennt niemand. "Es gibt hierzu keine speziellen Statistiken", bedauert ein Sprecher der Hafen Hamburg Marketing. Bundesweit ging im vergangenen Jahr dank Umweltprämie - umgangssprachlich "Abwrackprämie" genannt - der Altautoexport zurück.
Offiziell wurden laut Statistischem Bundesamt 389.200 gebrauchte Pkws ausgeführt. Der Gesamtwert: sagenhafte 4,5 Milliarden Euro. Trotz allgemeinen Rückgangs nahmen die Exporte nach Afrika zu - auf insgesamt 79.600 Stück. Das ist ein rasantes Plus von fast 20 Prozent. "Gemessen am deutschen Gesamtexport war somit jeder fünfte Gebrauchtwagen für Afrika bestimmt", rechnet ein Statistiker in Wiesbaden vor. Und der Zug nach Süden rollt in diesem Jahr ungebremst weiter.
Der durchschnittliche Preis eines nach Afrika gelieferten Altautos ist - trotz vieler Nobelkarossen - mit rund 2.000 Euro äußerst niedrig. Kaum wertvoller ist die durchschnittliche Karre, die nach Asien verschifft wird. Zum Vergleich: Der Durchschnittswert nach Amerika exportierter Wagen beträgt rund 30.000 Euro.
Gut gepflegt fahren viele deutsche Altautos in Afrika und Asien noch zehn Jahre und mehr. Viele Rostlauben im Hamburger Hafen können jedoch aus eigener Kraft offensichtlich nicht mehr bewegt werden. Sie müssten eigentlich in Deutschland verschrottet und ihre wiederverwertbaren Teile geborgen werden.
In Afrika findet ihr "Recycling" oft unter schlechten ökologischen und sozialen Bedingungen statt, wertvolle Sekundärrohstoffe gehen dabei verloren. "Leider", beklagt Maria Elander von der Deutschen Umwelthilfe, "wird in Deutschland sehr selten kontrolliert." Zuständig dafür ist im Hamburger Hafen die Wasserschutzpolizei. Ihr fehlt es an Personal. Bei Stichproben stoßen die Beamten schon mal auf einen schrottreifen Mini, dessen Türen verschweißt sind und der vollgepfropft ist mit Elektronikmüll. Für solche "Beiladungen von Abfall" gilt ebenfalls ein Exportverbot.
Hauptabnehmer in Afrika sind die westafrikanischen Länder Benin und Nigeria. Noch rasanter stiegen die deutschen Ausfuhren von Gebrauchtwagen nach Turkmenistan (+ 55,3 Prozent), in den Libanon (+ 122,6 Prozent) und nach Afghanistan (+ 195 Prozent). Weltweit größter Einzelabnehmer bleibt Italien mit seinen guten Verbindungen in den Süden, es folgen Benin, Belarus und Turkmenistan.
Hamburgs Behörden sehen im Regelfall wohl am liebsten über dubiose Exportoldies hinweg. Wird nämlich ein Illegaler gefunden, gilt es, die Verantwortlichen dingfest zu machen. Oft Schattenfirmen, die nur auf dem Papier existieren. Am Ende eines monatelangen Verwaltungsmarathons kommt dann noch der Schaden hinzu: Die Entsorgung des Sondermülls "Altauto" geht auf Kosten der Stadtkasse.
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