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Verbandschef über Privatkassen"Gleiche Versorgung ist eine Illusion"

Private Krankenversicherungen seien nachhaltiger als gesetzliche Kassen, sagt der Verbandschef Leienbach. In einer alternden Gesellschaft würden sie als korrektiv dienen.

"Unbürokratische, versichertenfreundliche Hilfe" – auch beim Tarifwechsel. Bild: dpa
Heike Haarhoff
Interview von Heike Haarhoff

taz: Herr Leienbach, 140.000 privat Krankenversicherte in Deutschland können ihre Beiträge nicht mehr bezahlen. Implodiert hier gerade ein System, das sich selbst überholt hat?

Volker Leienbach: Ihre Thesen werden von der Empirie nicht gestützt. Der Großteil unserer Kunden ist mit der PKV zufrieden. Wir sind ein wachsendes System mit aktuell 8,95 Millionen Vollversicherten und 22,09 Millionen Zusatzversicherten. Im Jahr 2011 wechselten - wie schon in den Vorjahren - deutlich mehr Menschen aus der GKV in die PKV als in umgekehrter Richtung. Niemand zwingt diese Menschen zum Wechsel.

Beamten und Selbständigen bleibt meist keine andere Wahl als die PKV. Und diejenigen, die einmal im System sind, sind ihm ausgeliefert.

pkv
Im Interview: VOLKER LEIENBACH

(58) ist Betriebswirt und seit 2002 Direktor des Verbands der privaten Krankenversicherung (PKV) mit Sitz in Köln.

Der Wechsel zur PKV ist immer freiwillig, und solange Menschen freiwillig kommen, handelt es sich um ein System, das man in einer freiheitlichen Gesellschaft doch bitte nicht schwächen, sondern stärken sollte. Nach Erhebungen des Analysehauses Morgen & Morgen haben 45 Prozent der Privatversicherten 2012 gar keine Beitragserhöhung zu erwarten. Im Schnitt liegen die Erhöhungen bei 4,4 Prozent. Die von Ihnen geschilderten Einzelfälle sind nicht konstitutiv für das System.

Sie sichern diesen Menschen Hilfe zu?

Ja, unbürokratisch, versichertenfreundlich und innerhalb des Systems. Dafür stehe ich. Für die betroffenen Rentner gibt es schon jetzt innerhalb der PKV dank des Tarifwechsels preiswertere Alternativen.

SPD, Grüne und Linke wollen im Fall eines Regierungswechsels eine Bürgerversicherung einführen und die Zweiklassenmedizin in Deutschland beenden.

Die Bürgerversicherung ist eine symbolische Veranstaltung, die einige wenige Ideologen beglückt. Sie wird weder die Finanzen der GKV stabilisieren noch eine bessere medizinische Versorgung bringen. Im Gegenteil: Die Bürgerversicherung würde die Nachhaltigkeit des gesamten Gesundheitssystems schwächen. Denn nur die PKV trifft Vorsorge für den demografischen Wandel. Bei uns sorgt jeder Versicherte selbst für seine höheren Kosten im Alter vor - während die GKV ihre steigenden Ausgaben einfach den kleiner werdenden künftigen Generationen überlässt.

Die PKV kämpft daher nicht nur für den Fortbestand, sondern für die Erweiterung der privaten Vollversicherung. Davon profitieren übrigens auch die gesetzlich Versicherten: Ohne die PKV, die in dieser Hinsicht wie eine Art Korrektiv wirkt, wäre der GKV-Leistungskatalog längst geschreddert. Nennen Sie mir einen einzigen medizinischen Vorteil, der sich aus der Bürgerversicherung ergäbe!

Der derzeitige Anreiz für Ärzte würde abgeschafft, einige wenige Patienten aufgrund ihres Versichertenstatus und der damit einhergehenden unterschiedlichen Honorierung therapeutisch wie terminlich zu bevorzugen - zulasten der Mehrheit der Patienten. Und die bislang Privatversicherten könnten sicher sein, dass an ihnen nicht mehr jede innovative und oft risikoreiche Behandlung ausprobiert wird.

Das ist eine Illusion! Frühzeitig von innovativen Therapien profitieren zu können, ist ein Vorteil für die Patienten. Und das Gerede davon, dass in einer Bürgerversicherung alle gleich versorgt würden, widerspricht jeder Lebenswirklichkeit. Wir haben weltweit viele Beispiele für Einheitssysteme de jure. Aber kein einziges für ein Einheitssystem de facto. Gerade in Ländern, in denen de jure ein Einheitssystem existiert, findet die Zwei- oder Mehrklassenmedizin ihre schärfsten Ausprägungen.

Es gibt dort einen Riesenmarkt an privaten Zusatzversicherungen, und daneben oft noch graue und schwarze Märkte. Schauen Sie nach England, Frankreich oder Portugal: Die als gut geltenden Ärzte und Kliniken dort behandeln längst exklusiv nur noch Selbstzahler oder privat Versicherte. Wer das Einheitssystem durchsetzen will, der müsste also in der Konsequenz auch Zusatzversicherungen verbieten, aber da frage ich mich: In welchem Staat leben wir?

Diese Vorstellung widerstrebt Ihnen auch, weil Sie in Zusatzversicherungen das künftige Kerngeschäft der PKV sehen?

Das Kerngeschäft der PKV ist und bleibt die Vollversicherung. Eine Reduktion auf Zusatzversicherungen ist keine Option.

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1 Kommentar

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  • W
    wauz

    Auf ein Neues: die demografische Lüge

     

    Banker backen keine Semmeln. Heute nicht, morgen nicht, und in Zukunft auch nicht. Wer im Alter Semmeln essen will, ist daruf angewiesen, dass irgend jemand diese Semmeln backt. Die kann man nämlich nicht jahrelang aufheben.

    Für Hühneraugenpflaster und ärztliche Dienstleistungen gilt dasselbe. Alte, Kranke, Arbeitslose und Kinder werden von der jeweils arbeitenden Bevölkerung versorgt. Wenn es also in Zukunft nicht genügend Arbeitskräfte gibt, diese Versorgung sicherzustellen, dann gibt es diese Versorgung auch nicht. Da hilft keine private Krankenversicherung und auch keine Riesterrente oder ähnliche "kapitalgedeckte" Konstrukte.

    Kapital verfügt über Arbeit und ist nur solange etwas wert, wie es Arbeitskraft gibt. Wer das verstanden hat, durchschaut die Propaganda dieser Abzocker, die einen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft ausstellen.

    So lange es überhaupt eine funktionierende Wirtschaft gibt, ist alle Versorgung ein Umlageverfahren. Wer darauf nicht bauen mag, muss Dosenbrot und Schmalzfleisch bunkern.