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Nichtzahler bei PrivatkassenEin Loch von 500 Millionen Euro

Rund 150.000 privat Versicherte zahlen ihre Beiträge nicht und schulden den Krankenversicherungen inzwischen eine halbe Milliarde Euro. Die Regierung will nun "Nichtzahler-Tarife" einführen.

Nichtzahler müssen weiter versichert werden - das könnte sich nun ändern. Bild: dpa

BERLIN dpa | Rund 150.000 Nichtzahler reißen bei den privaten Krankenkassen nach Branchenangaben ein Finanzloch von mehr als einer halben Milliarde Euro auf. Loswerden können die zuletzt teils deutlich teurer gewordenen Versicherer die säumigen Kunden nicht. Eine gesetzliche Regelung soll nun den Weg für einen Nichtzahler-Tarif mit geringem Leistungsumfang freimachen.

"Es gab Ende September 2011 insgesamt 144.000 Nichtzahler in der Privaten Krankenversicherung", sagte ein Sprecher des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV), der Zeitung Die Welt. Debeka-Chef Uwe Laue hatte am Freitag der Nachrichtenagentur dpa gesagt, es gebe bei der PKV bereits rund 150.000 Menschen, die ihre Beiträge nicht zahlten. "Die Beitragsschuld liegt mittlerweile bei 550 Millionen Euro", sagte Laue.

Die Bundesregierung erwägt, den Weg für "Nichtzahler-Tarife" freizumachen, wie in Regierungskreisen bestätigt wurde. Laut Welt soll der rund 100 Euro im Monat kosten und nur noch akute Krankheiten oder Schwangerschaften abdecken. Zunächst sollten säumige Versicherte zweimal gemahnt werden, bevor ihr bisheriger Tarif automatisch in einen Ruhezustand versetzt werde. Dafür nötige Änderungen seien im Bundesfinanz- und Bundesjustizministerium schon weit gediehen. Im federführenden Finanzressort war am Sonntag dazu keine Bestätigung zu erhalten.

Wie aus PKV-Angaben des vergangenen Jahres hervorging, war die Gruppe der Nichtzahler bereits im November 2010 größer als der Nettoneuzugang an Mitgliedern. Damals hatten 88.500 Versicherte mindestens sechs Monate lang keine Beiträge gezahlt.

Mit Lockangeboten reingelegt

Das Problem mit den Nichtzahlern gibt es, seit unter der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) 2009 die Versicherungspflicht eingeführt wurde. Die PKV kann diese Mitglieder seither nicht einfach rauswerfen. Die Probleme sind laut Branchenkennern aber teils auch hausgemacht. Manche Versicherer locken Kunden mit besonders günstigen Tarifen an, die sich eine PKV ansonsten gar nicht hätten leisten können und bei Beitragssteigerungen leicht überfordert werden.

Durch die Neuregelung sollten der Anstieg der Beitragsrückstände abgemildert und die Versichertengemeinschaft entlastet werden, sagte Wiltrud Pekarek, Vorstandsmitglied der Halleschen Krankenversicherung, der Welt. PKV-Verbandschef Reinhold Schulte hatte der Ärzte Zeitung bereits im Dezember gesagt, der Verband verhandele mit der Bundesregierung: "Wir sind auf dem Weg der Einigung."

Große gesetzliche Kassen wie die Barmer GEK oder die Techniker Krankenkasse zählten im vergangenen Jahr zudem mehr Zuwanderer von der PKV als Abwanderer in die umgekehrte Richtung. Teils massive Beitragssprünge von 40 bis 60 Prozent brachten den Privatkassen zum Jahresende Negativschlagzeilen. 8,95 Millionen Menschen haben eine private Vollkrankenversicherung. Die bei den Unternehmen eingezahlten Altersrückstellungen belaufen sich auf rund 158 Milliarden Euro.

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3 Kommentare

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  • I
    Irmi

    Wenn Leute gut verdienen versichern sie sich privat. Haben sie eine Fa. müssen sie sich privat versichern und die Beiträge sind sehr hoch.

     

    Nun verliert man seinen Arbeitsplatz vor dem 55 LJ. ist es kein Problem aus der PV rauszukommen. Danach geht nichts mehr, die Krankenkassen der PV geben keinen mm nach.

     

    Es geht die Fa. Pleite, oder der Selbständige hört aus Altersgründen auf, oder der Gutverdienende mit der PV geht in Rente, sie alle können diese Horrorbeiträge nicht mehr bezahlen 500 bis 800 € im MONAT. Wie soll das funktionieren ?

     

    Wie soll ein Mensch 500 bis 800 € nur für die PV zahlen, wenn er nur eine Rente von 850 € hat oder ein wenig darüber.

     

    Die Kassen bestehen aber auf diese Zahlung und schlägt auf die ausstehende Summe noch 5 % Zinsen drauf.

     

    Nun kommt unser lieber Gesundheitsminister daher, verkauft sich als Gutmensch und verkauft seine Neuregelung die Beiträge, die wegen der hohen Zinsen nicht gezahlt werden können auf 1 % zu senken, so könnten sich die Leute erholen, aber nach einem Jahr müssen die Beiträge dann eben weiter gezahlt werden.

     

    Diesem Herrn wie den Politikern allgemein ist augenscheinlich nicht bekannt, wie "HOCH" die Renten der Westdeutschen sind, wie enorm hoch die Mieten sind, wie sollen diese Leute dann leben, oder die PV nachzahlen ?

     

    Der einzig richtige Schritt der zu gehen ist, die PV per Gesetz dazu zu verpflichten, das sie Versicherten Falle bei beenden einer Selbständigkeit wie bei Renteneintritt problemlos aufgelöst wird.

     

    Damit würde der Staat helfen, alles sonst ist Flickschusterei und der Staat steht nicht zu seinen Bürgern sondern den Versicherern.

  • G
    Gesunder

    Es wird aber auch sowas von ganz dringend Zeit für das ... eine echte _Gesunden-Versicherung_!

     

    Die staatlich legitimierte Abpressung von Krankheits-Schutzgeld ist erbärmlich, denn so sind ALLE gezwungen, vom Bagatell-Wehwehchen bis zum grotesken Fehlernährungs-Kollaps (Raucherbeine, Fettsucht etc.) die Behandlung von jedem erdenklichen Unsinn mitzublechen.

     

    Aber nicht jeder bekommt ein fettes Beamtengehalt.

     

    Wenn ich als kleiner Selbständiger in schweren Zeiten zur Stützung meines Betriebes solidarisch mein Gehalt verringere oder ganz darauf verzichte - das ist gar nicht mal so selten - dann darf mir die GKV trotzdem mit Billigung des Staates monatlich fast den Hartz-IV-Satz berechnen: aktuell 335,- €.

    So viel kostet die KV in Belgien im ganzen Jahr nicht.

     

    Müßig zu erwähnen, dass die Kasse für Dinge, die ich brauchen könnte wie Brille oder Zahnersatz gar nicht aufkommt. Und nicht selten schaden die medizinischen Leistungen eher als sie nützen.

     

    Frei nach Goethe:

    Der Geist der GKV ist leicht zu fassen:

    Ihr abkassiert die groß' und kleine Welt,

    um es am Ende gehn zu lassen,

    wie's Euch gefällt.

  • R
    r.Paul

    ..... " Ulla Schmidt - 2009 ??? " m. E. wurde die generelle Krankenversicherungspflicht in Deutschland bereits zum 01.07.2007 per Bundesgesetz eingeführt !!! - sollte ich mich da irren ???

    Des Weiteren : Könnte der Zugang zur GKV durch Abwanderung von der PKV evtl. etwas mit dem sinkenden Lohn/Gehaltsniveau eines " Nichtverbeamteten- Politikers zu tun haben ???

    ... nur mal als kleine Anregung zum recherchieren bzw. als Denkanstoss ......