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Verbale DiskriminierungKrach um das N-Wort

Niemand verbietet Deniz Yücel das Wort. Wirklich niemand? Der Streit um modernisierte Sprache eskaliert auf einem taz.lab-Panel.

Das noch vollständige Podium des taz.lab-Panels Bild: Wolfgang Borrs

BERLIN taz | Es ist der emotionale Höhepunkt des Tages – daran lassen viele Anwesende im Nachhinein keinen Zweifel. Wüste Beschimpfungen und der Vorwurf der Respektlosigkeit gegenüber Menschen, die Rassismus am eigenen Leib erfahren haben, fliegen durch die Luft. Das offizielle Ende der Veranstaltung „Meine Damen und Herren, liebe N-Wörter und Innen!“ ist noch nicht erreicht, dennoch verlassen zahlreiche Menschen empört den Saal. Was war passiert?

Das Podium hatte drei Teilnehmer: Die Schriftstellerin Sharon Otoo, Publizistin und Kolumnistin Mely Kiyak, sowie Leo Fischer, Chefredakteur des Satiremagazins Titanic. Moderator war taz-Redakteur Deniz Yücel. Um den Zusammenhang von Sprache und Diskriminierung sollte es gehen. Schon zu Beginn liegt eine erwartungsvolle Spannung in der Luft. Das ändert sich ziemlich schnell, als Leo Fischer, bereits in seinem ersten Wortbeitrag von Rufen aus dem Publikum unterbrochen wurde.

Zum einen fände er die Verwendung des ‚Binnen-Is‘ oder des berühmten Unterstrichs in Medien und Literatur schlicht unästhetisch, außerdem erschwere sie die Lesbarkeit. Zum anderen sei niemandem damit geholfen, die Sprache von Diskriminierung zu bereinigen, was zu ersten Zwischenrufen führte. Der Moderator muss zum ersten mal für Ruhe sorgen. Erst etwas später kommt Fischer dazu, seinen Punkt näher zu erläutern. Durch eine veränderte Sprache ändere sich nichts an der tatsächlichen Diskriminierung im Alltag. Ganz im Gegenteil, so der Satiriker, führe sie sogar zu einer gewissen Verschleierung von diskriminierenden Standpunkten.

Dem gegenüber steht die Meinung von Sharon Otoo, die in der Verwendung von herrschaftsfreier Sprache einen Hinweis auf eben jene alltägliche Diskriminierung sieht. Vielleicht führe das zu hässlichen Sprachgebilden, doch seien sexistische oder rassistische Einstellungen um einiges hässlicher. Mely Kiyak verweist an dieser Stelle auf verschiedene Erwägungen, die einem Text zu Grunde lägen. So gäbe es z.B. verschiedene Textgattungen, die jeweils gewisse Sprachstile ausschließen würden. Das Binnen-I eigne sich bspw. für formale Anlässe, für Poesie – da war sie sich mit Fischer einig – gelte das allerdings nicht.

Die Kreativität der Schreibenden

Deniz Yücel zitiert hier Max Goldt, der geschlechtsneutrale Formulierungen wie etwa ‚Studierende‘ aus einer sprachtheoretischen Perspektive für lächerlich halte. Otoo entgegnet, dass sich das Vorhaben einer herrschaftsfreien Sprache bei vielen Gelegenheiten lächerlich machen lasse, was jedoch nichts an der Bedeutung der Sprachkritik für von Diskriminierung Betroffene ändere. Um alberne Wortneuschöpfungen zu vermeiden, sei die Kreativität der Schreibenden gefragt. Es sei unverständlich, wie hartnäckig sich bei diesem Thema gegen Veränderung zum Guten gewendet werde.

Das alles ist nur das Vorgeplänkel zum eigentlichen Thema des Abends: Rassismus. Moderator Yücel verliest zunächst eine Auflistung von Zuschreibungen, angefangen mit ‚Ausländer‘ über ‚Kanaken‘ bis hin zu ‚Passdeutschen‘. Mely Kiyak beschreibt, wie sie gerade den Begriff der ‚Passdeutschen‘ als sehr präzise empfand. Seit sie allerdings wüsste, das er aus Neonazi-Foren stammt und sich von den ‚Blutsdeutschen‘ abgrenzen soll, verwende sie ihn nicht mehr. Sie schließt an ihren vorherigen Punkt an und benennt unterschiedliche Perspektiven und Erwartungen an Sprache, die zunächst einmal von den jeweiligen Autorinnen und Autoren abhängen würden. Und über die würde sie auch gerne sprechen, statt über die Geschichten, die sie schreiben. So müsse in ihren Augen das Werk von Astrid Lindgren nicht von rassistischen Inhalten bereinigt werden. „Scheiß auf Lindgren!“ so die Kolumnistin. Sie zu lesen sei aufgrund ihres rassistischen Weltbildes ohnehin überflüssig.

Vielleicht wäre damit alles Wesentliche zum Thema gesagt gewesen. Einige Stunden früher am Tag hatte der Sozialpsychologe und Klimakulturforscher Harald Welzer auf dem taz.lab einen Effekt kritisiert, den er den „Talkshow-Modus“ genannt hatte. Dem zur Folge würden Formate wie Talkrunden und Podiumsdiskussionen wenig bis gar nichts zur Vermittlung verschiedener Standpunkte beitragen, sondern dienten nur der Wiederholung von Positionen, was letztendlich nur zu deren Verhärtung führe.

Zunehmend hitzig

Was zu beweisen war: Auf Deniz Yücels Podium nimmt nun die Eskalationsspirale ihren fröhlichen Lauf. Die Standpunkte der Podiumsteilnehmer und vieler Menschen im Publikum sind mehr als deutlich geworden. Es folgen Wortwechsel zu verschiedenen Themen, wie etwa Ottfried Preußlers Kinderbücher oder der Verwendung von Begriffen wie N**** in satirischen Zusammenhängen durch die Titanic. Doch dienen die neu vorgebrachten Argumente nur der Unterstützung der eingangs formulierten Meinungen.

Die Diskussion nimmt zunehmend hitzigere Züge an, immer wieder können Menschen aus dem Publikum nicht an sich halten und rufen dazwischen. Die Vermeidung des „N-Wortes“ wird gefordert, Otoo kann dies sehr gut nachvollziehen. Allein das Sehen oder Hören diesen Wortes könne Betroffene bereits schwer verletzen. Das Podium nimmt auf die Bitten aus dem Publikum dennoch keine Rücksicht, immerhin müsse es möglich sein, rassistische Verhältnisse auch als solche zu benennen.

Als schließlich Yücel ein Adorno-Zitat anführt, dass einige Male N**** enthält, kommt es zum eingangs beschriebenen Eklat. Nach erneuten Unterbrechungen aus dem Publikum erklärt er, er lasse sich von niemandem das Wort verbieten. Es werde versucht aus subjektiven Positionen eine absolute Deutungshoheit zu konstruieren. Daraufhin verlässt Otoo zusammen mit einigen Dutzend Menschen unter lautem Protest die Veranstaltung. Nach Auskunft Deniz Yücels hatte es eine Absprache gegeben, nach der er das Wort zitierend durchaus verwenden dürfe.

Yücel sammelt noch einige Wortmeldungen aus dem Publikum, doch eigentlich ist alles gelaufen. Die Bombe ist geplatzt und die Vorwürfe stehen unumstößlich im Raum. Eine junge Frau beschreibt in der anschließenden Diskussion im sich leerenden Saal ihre Enttäuschung über den Ausgang der Diskussion: Dass auf dem Podium keine Rassisten saßen sei doch allen Anwesenden klar gewesen. Statt einer Spaltung von Podium und Publikum hätte sie sich lieber neue Perspektiven gewünscht. Gemeinsame Perspektiven; die Geschlossenheit der Gruppe, die den Saal verlassen hatte, wäre schließlich wünschenswert für das gemeinsame Vorgehen gegen Rassismus und Diskriminierung.

Transparenzhinweis: In einer früheren Ausgabe des Artikels wurde im Zitat das N-Wort ausgeschrieben. Wir haben es durch die Schreibweise N**** ersetzt.

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