Verarmter Hochadel: Teures Geschenk
Welfen-Prinz Ernst-August will das Schloss Marienburg von seinem Sohn zurück. Der wollte es quasi weiterverschenken – um Kosten einzusparen.
Dass die Vitrinen, an denen die Besucher auf ihrer Tour durch das Schloss vorbeikommen, Monate später noch immer nicht mit anderen Welfenschätzen gefüllt sind, zeigt das ganze Elend dieses Schlosses. Vielleicht sogar des Hauses Hannover. Denn möglicherweise ist da einfach nicht mehr viel, was man in Vitrinen stellen könnte.
Das neugotische Schloss thront auf einem Hügel und sieht mit seinen Türmchen und zinnenbewehrten Mauern aus, als hätte es für ein Disney-Schloss Modell gestanden. Der letzte König von Hannover, Georg V., schenkte es seiner Frau Marie von Sachsen-Altenburg 1857 zum Geburtstag und ließ es bis 1867 als prunkvolle Sommerresidenz der Familie bauen.
Georg war schon in seiner Kindheit erblindet. Erst nur auf dem einen Auge. Dann schleuderte er sich die Troddeln seiner Geldbörse ins Gesicht und traf unglücklich das andere. Das Schloss, das seine Marie nur „mein kleines Eldorado“ nannte, sah er selbst nie, konnte es aber an einem Korkmodell ertasten.
Pechsträhne seit Baubeginn
Die Pechsträhne des Schlosses begann vielleicht schon kurz nach dem Baubeginn. Der beauftragte Ingenieurmajor veruntreute Geld. Dann kam den Welfen eine Niederlage im Krieg gegen Preußen dazwischen. Das Schloss wurde nie ganz fertig. An der Decke des Ritter- und des Speisesaals wurden die dunklen Holzbalken nicht mit Stuck oder einer mit Schnitzereien verzierten Holzdecke verkleidet. Der Fußboden hat kein Parkett, sondern Steinfliesen. Den bloßen Wänden fehlen die kunstvoll bedruckten Tapeten, die in den anderen Räumen zu finden sind.
Georg floh 1866 ins Exil nach Österreich und ein Jahr später folgte ihm auch Marie. Sie lebte nur etwas mehr als ein Jahr im Schloss auf dem nach ihr benannten Marienberg und kehrte niemals mehr zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten zwischen 1945 und 1957 die Familie von Ernst August III. und Flüchtlinge in dem Schloss. Länger waren die insgesamt 130 Räume nicht bewohnt.
Die heutigen Welfen haben das Inventar der Marienburg zu Geld gemacht. Ernst August Albert Paul Otto Rupprecht Oskar Berthold Friedrich-Ferdinand Christian-Ludwig Prinz von Hannover Herzog zu Braunschweig und Lüneburg Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, besser bekannt unter den Namen „Prügelaugust“ und „Pinkelprinz“, übertrug die Marienburg 2004 an seinen Sohn, Prinz Ernst August jr.
Der wiederum weiß sich besser zu benehmen als sein Vater, pinkelt nicht in der Öffentlichkeit und prügelt auch nicht auf Fotografen ein. Er ist überregional vor allem durch die hannoversche Version einer royalen Hochzeit bekannt. Er heiratete im Juli 2017 die Modedesignerin Ekaterina Malysheva in der hannoverschen Marktkirche, vor der rund 100 Schützenbrüder der Schützenbruderschaft „Das Große Freie“ in ihren Uniformen Spalier standen – Niedersachsen-Style.
Die Gala frohlockte: „Die ganze Welt blickt nach Hannover“ und das Paar ließ sich in einer geschlossenen Kutsche durch die Stadt fahren, in der einst auch seine Urururgroßeltern Georg V. und Marie an ihrem Hochzeitstag saßen.
Ebenjener Junior engagierte im Jahr 2005 das Auktionshaus Sotheby’s, um zehn Tage lang über 20.000 Kunstgegenstände in der Marienburg zu versteigern. Darunter waren Rüstungen, ein Silberservice für 200 Gäste und auch das chinesische Porzellan, das ursprünglich im heute so leeren chinesischen Zimmer stand. Die Welfen haben damit 44 Millionen Euro eingenommen. Spiegel Online nannte es einen „fürstlichen Ramschtag“.
Das Land Niedersachsen geht heute davon aus, dass mehrere Millionen davon in das Schloss investiert wurden. Den Verfall hat die Finanzspritze jedoch nicht gestoppt. Ein Teil des Abhanges, auf dem das Schloss steht und mit ihm die Umfassungsmauern, droht abzurutschen. Das Gebäude muss vom Keller bis zum Dach grundinstandgesetzt, die komplette Technik erneuert, Fenster und Fassaden saniert und auch die Innenräume restauriert werden.
Dort bröselt die Farbe von den Wänden. Die neugotische Bibliothek erinnert in ihrer Form an einen Regenschirm. Die gewölbten Deckenbögen gehen in eine mit Blüten und Blattgold verzierte Mittelsäule über. Hinter den Glasscheiben der dunklen Holzschränke stehen ledergebundene Bücher. Der prachtvolle Eindruck hält jedoch nur kurz. Die Farben an der Decke sind fleckig, an vielen Stellen sind die Malereien abgeplatzt. Und auch in den anderen Wohn- und Gesellschaftsräumen der Welfen können die Besucher Beschädigungen entdecken.
Ein Ingenieurbüro hat die Sanierungskosten in einem Gutachten auf 27 Millionen Euro geschätzt – zu viel für den Schlossbesitzer Ernst August jr. Ende November trat der Erbprinz mit dem niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur Björn Thümler vor die Presse, um zu verkünden, dass das Schloss für einen symbolischen Euro in die öffentliche Hand übergehen soll, weil er es nicht mehr unterhalten könne und es sonst schließen müsse. „Mir ist bewusst, dass die Sanierung des Schlosses für Land und Bund finanziell belastend ist. Aber meine finanziellen Möglichkeiten übersteigt sie bei Weitem“, zitiert ihn das Politikmagazin Rundblick.
Die Liemak Immobilien GmbH, eine Tochterfirma der Klosterkammer Hannover soll das Gebäude übernehmen. Der Bund hat bereits eine Förderung von 13,6 Millionen Euro zugesichert. Der Rest läge beim Land. „Das erklärte Ziel aller Beteiligten war und ist es, das Gesamtkunstwerk Schloss Marienburg als Kulturdenkmal und Erinnerungsort mit großer Bedeutung für die niedersächsische Landesidentität dauerhaft für die Öffentlichkeit zu erhalten“, sagte Thümler – und rief damit Protest bei den Oppositionsfraktionen von Grünen und FDP hervor.
Zweifel an den Sanierungkosten
Die kritisieren, dass der Deal geschlossen wurde, ohne das Parlament oder zumindest den Haushaltsausschuss zu beteiligen. „Wir haben großen Zweifel an den genannten Zahlen“, sagte die FDP-Abgeordnete Susanne Schütz. Die Befürchtung: Die Marienburg – über die die Besucherführerin behauptet, dass Georg V. sie einst ganz ohne Steuergelder und nur aus eigener Tasche finanziert habe – könnte für die niedersächsischen Steuerzahler immer teurer werden.
Den größten Protest aber rief der Verkauf bei Ernst August senior hervor. Der erklärte in einem Brief an die Tochtergesellschaft der Klosterkammer, er habe die Schenkung der Marienburg an seinen Sohn „wegen groben Undanks“ widerrufen. Nun liegt der Verkauf auf Eis. „Das Haus Hannover muss das jetzt aufklären“, sagte Minister Thümler am Rande einer Landtagssitzung. Das Land habe zwar keinen Hinweis darauf, dass der Einwand etwas an der behördlich festgestellten Eigentumslage verändern könnte. Dennoch könne das Land unmöglich Schiedsrichter in dieser familieninternen Auseinandersetzung sein.
Der Junior will trotzdem an dem Verkauf festhalten. Das Kulturministerium geht davon aus, dass die Sanierung ab 2020 beginnen kann – falls es bei der Übertragung des Schlosses an das Land bleibt.
Unter den Mitarbeitern der Marienburg, die jedes Jahr bis zu 200.000 Besucher durch die historischen Räume führen, weckt das Hoffnung. „Es muss jetzt etwas passieren“, sagt eine Schlossführerin auf dem Hof, in dem vor Weihnachten ein buschiger Tannenbaum mit Lichterkette steht. Es dürfe nicht mehr weiter verfallen. „Dieses Schloss wurde mit so viel Liebe gebaut. Es wurde aus Liebe gebaut.“
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