piwik no script img

Archiv-Artikel

Verantwortlich ist die Kulturpolitik

betr.: „Seifenoper aus der Waschstraße“, taz vom 2. 6. 03

An der ansonsten lesenswerten Besprechung der letzten Premiere im Theater Nordhausen ist mir der Schluss unangenehm aufgefallen. Das Schauspiel würde abgeschafft, das sehr viel kostspieligere Opernensemble jedoch behalten, denn Orchestermusiker seien nicht kündbar. Ist das nicht ein Schuss auf den Postboten?

Nicht die Musiker können verantwortlich gemacht werden (oder ihre Vertretung), sondern eine Kulturpolitik, die Kultur mehr und mehr auf das Unvermeidbare/(vorläufig) Unkündbare reduziert. Denn zweifellos wäre das Opernensemble schon längst verschwunden, wäre es nicht unkündbar. Abgesehen davon ist das Loh-Orchester Sondershausen, das das Theater Nordhausen in Union bespielt, längst schon in eine GmbH umgewandelt, ein Schritt, der gewiss mit nicht wenigen Einschnitten vonstatten ging. Mit zurzeit 55 Musikern ist die Doppelbelastung von Oper und Konzert sowieso sehr groß. Vielleicht schwingt in der Besprechung auch ein wenig der Gedanke mit, ein Schauspiel hätten die Nordhäuser notwendiger als eine Oper. Womöglich zur Hebung eines sittlich-moralischen Empfindens des Südharzers?

JAN ULRICH BÜTTNER, Bremen

Dass Orchestermusiker unkündbar sind, wäre ja eine beruhigende Nachricht – wenn sie nicht von der taz käme. Im gleichen Artikel machen Sie auch Michael Schindhelm zum Regiestar. Der hat zwar als Intendant und Verwaltungsdirektor in Nordhausen, Gera und Basel Theater organisiert, aber keine Regie geführt.

Die Stadt Nordhausen betreibt ihr Theater, für das sie zwar bis 2008 zahlen, aber keinen Intendanten mehr will, nicht im Alleingang. Gemeinsam mit Sondershausen und erheblichen Landesmitteln wird hier die kulturelle Versorgung von Nordthüringen geleistet, das Schauspiel kommt zukünftig aus Rudolstadt. Es stimmt schon bitter, dass der taz zum flächendeckenden Kulturabbau in Deutschland nichts weiter einfällt, als alte Zeiten zu verklären und Stars zu erfinden. Und sich ansonsten über die lustig macht, die von ihrer Arbeit – dem Schaffen von Kultur – noch(!) leben können.

TILMANN GRANER, Orchestermusiker, Sondershausen