Veranstaltungen als neuer Facebook-Hype: „Meditatives Sacksniffen mit Jogi“
Seit gut zwei Wochen kursieren merkwürdige Veranstaltungen bei Facebook. Ein Trend, den einige liken und andere melden.

Wer seine Facebook-Timeline durchforstet, findet seit kurzem immer wieder skurrile Veranstaltungen: Ein Freund ist an dem Event „Mittagstisch für Ramadanschummler“ interessiert, der andere will zum „Friteusenfett Zubereitungskurs“ und noch ein anderer ruft dazu auf, gemeinsam zum „meditativen Sacksniffen mit Jogi Löw“ zu gehen.
Wenn man diese Freunde fragt, was das Ganze eigentlich soll, haben sie selbst nicht wirklich eine Antwort darauf. Die meisten waren zuerst irritiert und dann amüsiert. Einer sagt, es erinnere ihn an diese „Spruchgruppen von schülerVZ damals“, die den anderen zeigen sollten, wie lustig und tiefgründig man doch sei.
Die Veranstaltungsorte dieser Seminare und Kurse sind manchmal so präzise wie die Montageanleitungen der meisten Möbelhäuser, manchmal aber auch richtig verlinkt – mit blau markierten Worten, die zu einem Standort in Google-Maps führen. Und genau diese – wahrscheinlich zu präzisen – Veranstaltungsorte, könnten den Veranstaltern Probleme bereiten.
„Die nicht so schmierige Veranstaltungsfirma“ nennen sich die fünf Studenten, die für den Hype verantwortlich sind und irgendwas mit Medien, Politik und Geld studieren, wie sie der taz per Mail erzählen. Auf ihrer Facebook-Seite betiteln sie sich selbst ganz bescheiden als „der beste Facebookhype seit der Flüchtlingskrise!“.
Ihr Facebook-Auftritt hat mittlerweile über 25.000 Likes, bei einigen ihrer Veranstaltungen haben 60.000 Menschen den „Interessiert“-Button gedrückt, 27.000 den für Zusagen. Zugegeben: Das ist eine große Reichweite für eine „Firma“, die erst am 1. Juni gegründet wurde. Daher wohl auch die Bescheidenheit.
Ärger im Hype-Paradies |
In dieser Woche gab es allerdings Ärger im Hype-Paradies, wie der Tagesspiegel berichtet. Das Event „Taschendiebstahl leicht gemacht“ sollte im Berliner Jugendzentrum „Die Pumpe“ stattfinden, wo auch einige Flüchtlinge leben. Die Betreiberin sagte dem Tagesspiegel, dass „sie sich Sorgen um einen möglichen Aufmarsch vor einer Unterkunft minderjähriger Flüchtlinge“ mache und sich deshalb „Unmut und Unverständnis“ ausgebreitet hätte.
Die fünf Studenten versicherten der taz, dass sie „ab jetzt nur noch bei unschuldigen Veranstaltungen echte Locations“ verlinken oder „auf öffentliche Plätze“ zurückgreifen würden. Denn im Fall vom Jugendzentrum „Die Pumpe“ sei „in der Tat alles etwas ungünstig gelaufen“.
„Die Pumpe“, ist allerdings nicht die einzige Einrichtung, der die Veranstaltungen der „nicht so schmierigen Veranstaltungsfirma“ Sorgen bereiten. Auch die Freiwillige Feuerwehr Eibelstadt distanziert sich auf ihrer Facebookseite von der Veranstaltung „Toast Hawaii Sonntag der freiwilligen Feuerwehr Eibelstadt“ und hat diese bereits gemeldet. Zur taz sagen die Studenten von der „Firma“ dazu nur so viel: „Wir würden der Freiwilligen Feuerwehr Eibelstadt natürlich beim Toast Hawaii Sonntag unter die Arme greifen.“
Die Pseudo-Dokumentation „Project X“
Öffentliche Facebook-Veranstaltungen haben allerdings nicht erst seit der Pseudo-Dokumentation „Project X“ Nachahmer gefunden, in der drei Jungs eine Party schmeißen, die mit brennenden Häusern und einem Mercedes im Pool endet. Es ist also verständlich, dass sich Institutionen wehren, in denen eine der „nicht so schmierigen“-Veranstaltungen stattfinden sollen.
Die Macher der „nicht so schmierigen Veranstaltung“ haben keine Angst davor, dass eines ihrer Events „Project X“-mäßig eskalieren könnte. Denn sie sind sich sicher, dass ihr „Klientel kultiviert genug ist, um alles sauber zu halten und auch bei Bedarf vor dem Betreten der Location die Schuhe auszuziehen“.
Und dieser Glaube an die Facebook-Community dürfte auch die unfreiwilligen Austräger einiger Veranstaltungen etwas beruhigen. Denn die Menschen, die auf Zusagen drücken, sind hoffentlich wirklich „kultiviert genug“, um das „Geschäftsmodell“ der fünf Studenten zu verstehen und die Veranstaltungen vor allem da zu zelebrieren, wo sie die meisten Menschen erreichen – und wo es sogar egal ist, ob sie ihre Schuhe nun an haben oder nicht: auf der Facebook-Timeline ihrer Freunde.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!