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Veränderungen beim Davis CupDicke Geldpakete gegen die Zweifel

Der Tennis-Weltverband will den Davis Cup radikal reformieren. Profis und Landesverbände halten nichts davon. Am Donnerstag wird abgestimmt.

Der Australier Lleyton Hewitt ist auch gegen die Reform des Davis Cup Foto: imago/Andy Rowland

Wenn John McEnroe beim Spartensender Eurosport als Tennisexperte im Einsatz ist, hat er gelegentlich auch spaßig-provokative Auftritte als sogenannter Commissioner. McEnroe spielt seine Lieblingsrolle als kompromissloser Alleinentscheider dann mit Grandezza, er wettert gegen alles, was im Tennis faul ist, was verändert und reformiert werden müsste.

Auch die Stars kommen mit ihren Mätzchen und Marotten nicht gut weg, mit ewigen Zeitverschleppungen oder Verletzungstricksereien. Manch einer in der Tennisbranche schaut mit Amüsement, aber auch mit Wehmut auf die Tiraden des früheren Superflegels, es schwingt die Sehnsucht nach einem starken Mann oder einer starken Frau mit – inmitten des üblichen Hierarchiechaos in diesem Sport.

Die Realität im Welttennis ist nämlich eine andere als in McEnroes Shownummer. Es wird gerade in diesen Tagen wieder offensichtlich, da der schwächelnde Weltverband unter der Leitung seines Präsidenten David Haggerty eine Radikalreform des Davis Cup vornehmen will – des ältesten Teamwettbewerbs der Welt. Rund um das Umwälzungsprojekt hat sich ein Machtkampf entwickelt, in dem sich die verschiedensten Verbände und Organisationen bekriegen und heftig um Stimmen kämpfen. Eine Entscheidung ist nun allerdings nahe: Am Donnerstag stimmt die Generalversammlung des Weltverbands ITF in Orlando (Florida) über den „neuen Davis Cup“ ab, benötigt wird dabei eine Zweidrittelmehrheit der Delegierten.

Nach allem, was man bisher weiß, dürfte das Votum äußerst knapp ausfallen. Entweder gegen die Kahlschlagreform – oder dafür. Haggerty, der umstrittene ITF-Häuptling, zeigte sich zuletzt zuversichtlich, die nötigen Stimmen zusammenzubekommen. Aber ebenso optimistisch präsentierten sich auch die Gegner des ewig lächelnden Amerikaners, jene Opposition, die vor allem vom australischen und deutschen Verband angeführt wird.

Keine Transparenz

Haggerty und seine Parteigänger wedelten in den letzten Wochen und Monaten vor allem mit dem großen Geld, das der geplante Deal mit dem Konsortium „Kosmos“ bringe – einer Investorentruppe, die vom spanischen Fußballprofi Gerard Piqué und vom japanischen Internetmilliardär Hiroshi Mikitani (Rakuten) repräsentiert wird. Gerade kleinere und kleinste Nationen wurden nach Fifa-Vorbild mit dem erwarteten Dollarregen und -segen umworben, den der Drei­mil­liar­den­deal über die nächsten 25 Jahre bringen soll.

Die dicken Geldpakete sollen die Skepsis und die Zweifel vertreiben, die viele gegenüber Haggertys Reform hegen – schließlich hat der neue Davis Cup mit dem alten Davis Cup nichts mehr gemein. Wobei nicht wenige Bedenken äußern, ob die Dollars überhaupt ein Vierteljahrhundert lang fließen werden – angeblich gibt es nur wirkliche Garantien für zwei Jahre. „Transparenz“ habe die ITF-Spitze um Haggerty überhaupt nicht geliefert, die Entscheidungsgrundlage sei mehr als dürftig, monierte zuletzt Tennis Europe, das viele Verbände des Kontinents vertritt.

Die neuen Pläne zerstören die Seele des Davis Cup

Exspieler Yannick Noah

Geht es nach Haggerty, dem ITF-Chef, und seinen Verbündeten, gibt es ab der nächsten Saison zwar noch eine Qualifikationsrunde zu Jahresbeginn, bei der sich die Nationen über Heim- und Auswärtsspiele für das Finalturnier durchsetzen können. Doch die End­runde soll dann in einer Wettbewerbswoche im November an einem einzigen Ort ausgetragen werden, zum Schluss einer strapaziösen und mit Terminen mehr als überfrachteten Saison, ohne die typische Heimspielatmosphäre.

Viele Profis haben bereits deutlich ihren Unwillen bekundet, im Spätherbst, eigentlich schon in der Urlaubszeit zwischen den Spielserien, noch einmal zu diesem Turnier anzutreten. „Die Pläne zerstören die Seele des Davis Cup“, sagt beispielsweise der einstige französische Superstar Yannick Noah, „viele Fans werden ihre eigenen Topleute nicht mehr daheim bei den Länderspielen sehen können.“

Eigentlich braucht es eher weniger Wettbewerbe

Auch der Spielerrat der Profivereinigung ATP sprach sich jüngst gegen das November-Finalturnier aus, kein Wunder allerdings, denn vor wenigen Wochen etablierte die ATP selbst eine Neuauflage des World Team Cup – er soll künftig zu Jahresbeginn in Aus­tra­lien ausgetragen werden. Piqué und seine Kosmos-Geldgeber hatten auch schon mit der ATP über eine Partnerschaft verhandelt, ehe sie sich dem Weltverband ITF zuwandten. Nun sind die ATP und die ITF sogar zu Gegnern geworden, das letzte Paradox in der zersplitterten Tennislandschaft, die eigentlich weniger statt mehr Wettbewerbe brauchte.

Immerhin gibt es neben den Grand-Slam-Turnieren und allen ATP-Veranstaltungen mittlerweile auch noch den sogenannten Laver Cup, zu dem sich die meisten Szenegrößen einmal jährlich für eine Woche verpflichtet haben: Federer, Nadal, Đoković, Zverev und Co. Gerade die absoluten Asse dürften so aller Voraussicht nach auch einen Bogen um den „neuen Davis Cup“ machen, schließlich sind die Besten zuvor im November auch noch bei der ATP-WM in London im harten Arbeitseinsatz.

Haggerty, ehemals Präsident des amerikanischen Landesverbands, hat mit seinem erhofften Kosmos-Deal auch viele im Frauentennis gegen sich aufgebracht. Denn für den ohnehin oft im Schatten des Davis Cup stehenden Fed Cup hat der machtbewusste Boss keinerlei zukunftsweisende Ideen aufgezeigt. Allein eine Abmachung für den Davis Cup zu treffen und keine Vorschläge für den Teamwettbewerb der Frauen zu unterbreiten, sei „total respektlos“, zürnt beispielsweise Barbara Rittner, die langjährige Kapitänin der deutschen Frauenauswahl.

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