Venezuela: Chavez mag nicht lang diskutieren
Die eiligst durchs Parlament gepeitschten Verfassungsreformen lassen die Kritik von links am Regierungsstil von Venezuelas Präsident Hugo Chávez stärker werden.
Ungeachtet aller Proteste hält die venezolanische Regierung an ihrer Verfassungsreform im Schnellverfahren fest. Am Dienstag und Mittwoch winkte die ausschließlich mit Anhängern des Präsidenten Hugo Chávez besetzte Nationalversammlung in dritter und letzter Lesung die Änderungen von 15 Artikeln mit überwältigender Mehrheit durch. Insgesamt sollen nach Chávez Willen 58 der 350 Artikel des Grundgesetzes aus dem Jahr 1999 geändert werden. Unter anderem soll der Staatschef unbegrenzt wiedergewählt werden können.
Die anschließende Absegnung der Reform durch ein Referendum am 2. Dezember wäre reine Formsache. Die bürgerliche Opposition, die wegen ihres Wahlboykotts vom Dezember 2005 nicht im Parlament vertreten ist, befindet sich noch immer in einem jämmerlichen Zustand - und so kommt der größte Widerstand gegen die hastigen Veränderungsbemühungen von den neun Abgeordneten der noch bei den letzten Wahlen mit Chávez verbündeten linkssozialdemokratischen Partei Podemos, die sich nicht an den Abstimmungen beteiligen. Sie kritisieren, dass eine Sonderkomission des Parlaments 25 zusätzliche Artikel zur Änderung vorgeschlagen hatte.
"Ein verfassungswidriger Verfahrensfehler", meinte Podemos-Generalsekretär Ismael García und kündigte den Gang zum Obersten Gerichtshof an. Der Politiker, der sich in diesem Jahr zum prominentesten Chávez-Kritiker von links entwickelt hat, bemängelte zudem die fehlende Toleranz für abweichende Meinungen. "Für Mehrdeutigkeiten haben wir jetzt keine Zeit", erwiderte der chavistische Abgeordnete Mario Isea. "Entweder man ist für die Volksmacht oder gegen sie."
Chávez selbst hatte die Podemos-Abweichler im September als "Deserteure" und "Verräter" bezeichnet.
Die Regierung sieht in der Nachbesserung durch die Sonderkommission kein Problem. Sie belege vielmehr den "wirklich demokratischen Charakter der Diskussion", sagte Informationsminister Willian Lara vorgestern. Auch den besonders umstrittenen Änderungsentwurf für Artikel 337, der die Verhängung des Ausnahmezustands regelt, verteidigte der Minister. Demnach sollen künftig die Informations- und Versammlungsfreiheit sowie die Rechte auf ein faires Gerichtsverfahren eingeschränkt werden können. Besonders gravierend sei der letzte Punkt, meint José Miguel Vivanco von Human Rights Watch. Die Suspendierung des Rechtsstaatsprinzips sei auch im Ausnahmezustand nicht hinnehmbar: "Die Bürger wären der Polizei hilflos ausgeliefert." Gerade Lateinamerika habe hierfür viele warnende Beispiele geliefert.
Auch Abgeordnete der Kommunistischen und der Linkspartei "Vaterland für alle" (PPT), die ebenso wenig wie Podemos in Chávez geplanter Sozialistischer Einheitspartei aufgehen wollen, wendeten sich gegen die Einschränkung von Grundrechten. Prinzipiell, stellte PPT-Chef José Albornoz klar, sei man aber mit der Reform einverstanden.
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