Vater rächt Sohn-Verhaftung in Schweiz: Immer Ärger mit den Gaddafis
Die Verhaftung von Gaddafis Sohn Hannibal in der Schweiz versetzt den libyschen Revolutionsführer in Rage. Er will die Schmach rächen - und dreht der Schweiz den Ölhahn zu
Der Gaddafi-Clan gibt sich wieder einmal alle Ehre. Die Familie beweist der ganzen Welt und insbesondere der Schweiz ihren Sinn für Zusammenhalt. Wenn nötig, auch mit rabiaten Mitteln. Die vorübergehende Inhaftierung seines jüngsten Sohnes Motassim Bilal Gaddafi (32), genannt Hannibal, vor gut einer Woche in Genf hat Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi offenbar so schwer zugesetzt, das er seither auf Rache sinnt. Jüngster Coup: Am Donnerstag stellte die nationale Schifffahrtsgesellschaft ihre Erdöllieferungen an die Schweiz ein. 50 Prozent ihres Öls bezieht die Alpenrepublik aus dem Wüstenstaat. Schweizer Schiffe dürfen Libyens Häfen nicht mehr anlaufen und werden nicht mehr beladen. Weitere Maßnahmen hält Gaddafi im Köcher, sollte der "Fall Hannibal" nicht "innerhalb der nächsten Stunden" gelöst sein.
Zwei Tage hatte Hannibal Gaddafi in einer Zelle des Justizpalastes in Genf verbringen müssen. Seine hochschwangere Frau Aline, die in der Schweiz ihr Kind gebären wollte, wurde in einem Krankenhaus festgesetzt. Vorgeworfen wird dem Ehepaar, im noblen Genfer Luxushotel President Wilson zwei Hausangestellte aus Marokko und Tunesien misshandelt zu haben. Die von Hotelangestellten alarmierte Schweizer Kantonspolizei rückte am Dienstag vergangener Woche mit einem 20 Mann starken Aufgebot an, um die Gaddafis festzunehmen und dem Untersuchungsrichter vorzuführen. Die Truppenstärke begründete die Polizei mit dem erwartbaren Kampfeinsatz von Gaddafis Leibwächtern. Tatsächlich wurde gegen diese auch körperlicher Zwang eingesetzt. Vorwürfe Hannibals, die Polizei habe ihm einen Sack über den Kopf gezogen und eine Pistole an den Kopf gehalten, wies die Genfer Staatsanwaltschaft zurück.
Nach Verhören und Befragungen war das Ehepaar gegen Zahlung einer Kaution von 500.000 Franken wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Seither ist es aus der Schweiz verschwunden. Ein unbeschriebenes Blatt ist der gute Hannibal nicht. 2005 wurde er in Paris wegen Körperverletzung verurteilt, nachdem er seine damalige Freundin krankenhausreif geprügelt hatte.
Die Schweizer Schmach aber will der Gaddafi-Clan nicht auf sich sitzen lassen. Altoberst Muammar ließ daheim zur Verteidigung der Ehre seines jüngsten Sohnes schwere Geschütze auffahren. Zunächst wurden die Flugverbindungen zwischen Genf und Tripolis von drei auf einen Flug wöchentlich reduziert. Dann forderte das Regime Schweizer Unternehmen auf, ihre Niederlassungen in Libyen zu schließen. Nestlé und ABB wurden schon versiegelt. Am vergangenen Samstag nahm die libysche Polizei überdies zwei Schweizer in Gewahrsam, "wegen verschiedener Anschuldigungen", wie das Schweizer Außendepartment erklären ließ, um das Wort Geiselnahme zu vermeiden. Schon zuvor hatte Oberst Gaddafi seine Diplomaten zurückbeordert. Visa für Schweizer gibt es derzeit nicht. Und jetzt auch noch die Ölwaffe.
Um die Wogen zu glätten, entsandte das Außendepartment am Mittwochabend eine Delegation nach Tripolis. Sie sollte libyschen Offiziellen die Funktionsweise der Schweizer Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit des Justizwesens erläutern. Schon am Tag zuvor hatte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey beschwichtigend auf ihren libyschen Amtskollegen Abderrahman Shlagan einzureden versucht. Doch allzu leicht dürfte der Zorn des Gaddafi-Clans nicht zu besänftigen sein. Man erinnert sich mit Schrecken an die Justiz-Farce um die HIV-infizierten Kinder und die jahrelang inhaftierten, gefolterten und mit dem Tode bedrohten bulgarischen Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt.
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