piwik no script img

VOLKSBEGEHREN NACHTFLUGVERBOTEine Quittung für das Desaster

Kommentar von Sebastian Puschner

106.000 Unterschriften sind ein Auftrag für Matthias Platzeck.

G enau 106.332 Brandenburger haben den Regierungen von Brandenburg, Berlin und Bund einen Gefallen getan: Nach dem erfolgreichen Volksbegehren für ein Nachtflugverbot können Matthias Platzeck, Klaus Wowereit & Co. nun einiges von dem Kredit zurückgewinnen, den sie mit ihrem Flughafendesaster verspielt haben.

Noch vor einem Jahr hätten sich niemals so viele auf den Weg in Brandenburgs Ämter gemacht, um dort für das Begehren zu unterschreiben. Dieses Votum ist auch eine Quittung für die katastrophale Planung des Flughafenbaus, dessen viel zu niedrig kalkulierte Kosten und das Versäumnis der Regierenden, offen und ehrlich über diese Fehler zu reden.

Auftrag für Platzeck

Das Scheitern eines ähnlichen Volksbegehrens in Berlin relativiert dies keineswegs: In Brandenburg haben insbesondere jene unterschrieben, die den Schönefelder Fluglärm im Gegensatz zu vielen Berlinern schon kennen, weil er ihnen täglich in den Ohren dröhnt.

Deshalb ist das deutlich artikulierte Bedürfnis nach einer ruhigen Nacht ein Auftrag für Brandenburgs Ministerpräsidenten. Erneut muss Platzeck den Versöhner im Flughafenkonflikt geben und die anderen Anteilseigner bearbeiten: den sturen Wowereit und das sich stets an allem schuldlos gebende Bundesverkehrsministerium.

Es darf am Flughafen Berlin Brandenburg keine Nachtflüge geben. Nur dann werden zumindest die, die an diesem Flughafen leben, einigermaßen mit dem Prestigeprojekt leben können. Der Verweis auf Bundesgesetze oder die irrsinnige Forderung des Begehrens nach einem zweiten Airport-Standort sind da nur Ablenkungsmanöver. Wenn zwischen 22 und 6 Uhr keiner fliegt, werden alle zufrieden sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1985, ist Redakteur im Berlin-Ressort der taz und kümmert sich vor allem um Arbeits- und Wirtschaftsthemen. Vor seiner Ausbildung zum Redakteur an der Deutschen Journalistenschule in München hat er in Potsdam Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie studiert.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • SS
    silvia schleimer

    Es wächst zusammen, was zusammengehört! Großartig gemacht Ihr Brandenburger! Der Brückentag hat gezeigt, wenn wir zusammenstehn können wir gegen die Lobbykratie bestehen.

     

    Und an Herrn Gabriel: Wohin sollen wir umziehen? Von Brandenburg ins Rhein-Main-Gebiet? Oder nach Köln? Oder nach Kaiserslautern zu den Ami-Fliegern? Seit wann wird in Deutschland wieder eine Vertreibung angezettelt? Aber wir werden uns nicht vertreiben lassen.

    Grüsse aus dem Rhein-Main-Gebiet!

  • B
    Bremer

    Bereits beim Flughafen Frankfurt hat sich gezeigt, das Flughäfen keine "Jobwunder" sind, sondern das meist nur Arbeitsplätze (regional) verlagert und billiger "outgesourct" werden.

  • N
    N.D.

    Es war ja abzusehen, dass in Schönefeld kein wirklicher Nachtbetrieb durchführbar sein wird - dazu ist die Umgebung einfach zu dicht besiedelt.

     

    Einmal mehr ist schön zu sehen, wie bescheuert die politische Entscheidung für Schönefeld war, die Experten rieten bereits vor langer Zeit zum Standort Sperenberg.

  • G
    Gabriel

    Wer relativ oft fliegt, ist natürlich nicht über Flugverbote erfreut, die den Flughafenbetrieb erschweren und zu endlosen Schlangen führen.

     

    Wer Interesse an Arbeitsplätzen in Deutschland hat, ist natürlich nicht an Erschwernissen interessiert, welche eher zur Abwanderung von Arbeitsplätzen führen. Durchgängig operationelle Flughäfen sind im Vorteil.

     

    Wer an Schlafstörungen leidet, könnte ja umziehen.

     

    Selber fand ich den Campingplatz interessant, wo man die einfliegenden Flugzeuge von unten betrachten konnte.