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Uwe Rada über die Unzulänglichkeiten der MietpreisbremseVermieter dürfen betrügen, ohne bestraft zu werden

Es gibt nicht viele Metaphern, mit denen sich das Geschehen auf dem Berliner Wohnungsmarkt halbwegs zutreffend beschreiben ließe. Mietenwahnsinn heißt es manchmal, Mietenexplosion auch. Aber wo es Explosionen gibt, kann man die Feuerwehr rufen. Und wer psychische Probleme hat, kann professionelle Hilfe aufsuchen (wenn gerade jemand in einer Praxis den Hörer abnimmt).

Für die Explosionen und Wahnsinnsanfälle auf dem Berliner Wohnungsmarkt gibt es weder eine Feuerwehr noch andere professionelle Hilfe. Vielleicht wäre das die gebotene Metapher: Gegen das Recht des Stärkeren gibt es keine Mittel. Zumindest keine adäquaten.

Das zumindest legt eine Untersuchung des Berliner Mietervereins nahe, deren Ergebnisse am Donnerstag vorgestellt wurden. Denn auch die Mietpreisbremse, die den Anstieg bei Neuvermietungen bremsen soll, konnte den Anstieg der Angebotsmieten innerhalb von zehn Jahren um 60 Prozent nicht dämpfen.

Knapp 1.000 Fälle aus der eigenen Rechtsberatung des Jahres 2021 hat der Mieterverein ausgewertet. Das Ergebnis ist zwar nicht repräsentativ, aber eindeutig. Von insgesamt 935 Überprüfungsfällen überschritten 912 – das sind 98 Prozent – die zulässige Miethöhe. Bei etwa der Hälfte aller Fälle lagen die Überschreitungen sogar bei mehr als 50 Prozent über der zulässigen Miethöhe. Vor allem in Mitte, Neukölln und Pankow langten die Vermieter zu. „Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, dass massiv gegen die Mietpreisbremsenregelung verstoßen wurde“, fasst der Mieterverein die Ergebnisse zusammen.

Wie aber kann das sein? Zu viele Ausnahmetatbestände, sagt Wibke Werner vom Mieterverein. Wurde eine Wohnung umfassend modernisiert, darf die Miete bei Neuvermietung über der in der Bremse vorgesehenen Kappungsgrenze von zehn Prozent über dem Mietspiegel liegen. Gleiches gilt, wenn die Wohnung schon vor der Vermietung über der Kappungsgrenze lag. Diese Ausnahmetatbestände will der Mieterverein abschaffen.

Auch soll eine psychologische Hürde genommen werden. Bisher nämlich müssen die Mieterinnen und Mieter ihren Vermieter persönlich rügen, wenn der zu viel verlangt. Der Mieterverein will nun eine externe Prüfungsstelle einrichten, um den Betroffenen „Angst und Sorge vor der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu nehmen“.

Vor allem aber sollen die Vermieter endlich bestraft werden, wenn sie über die Stränge schlagen. Bisher besteht für sie die einzige Unannehmlichkeit darin, die zu viel verlangte Miete zurückzahlen zu müssen.

Über die Durchsetzung der Forderungen macht sich Mieterverein-Geschäftsführerin Werner aber keine Illusionen. „Die Bundesregierung ist eine schwierige Kulisse, um Verbesserungen im Mietrecht umgesetzt zu bekommen“, sagt sie. „Das liegt vor allem an der FDP.“

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