piwik no script img

Urwaldfauna auf der Hutkrempe

■ Alvaro Solar verscheucht in seiner Fassung von Dario Fos „Johan Padan“ jeden Ärger

Selbst auf dem Programmzettel tobt sich Alvaro Solars Schalk aus: „Dario Fo erhält 1998 den Literaturnobelpreis, eine Nachricht, die uns Theatermacher sehr erfreut und andere sehr verärgert hat ...“ Was wäre einer wie Alvaro Solar auch ohne einen wie Dario Fo? Ein Theatermacher ganz gewiß. Aber einer mit einem für ihn maßgeschneiderten Stück weniger: „Johan Padan entdeckt Amerika“ heißt es und ist Solar, der einen Hälfte des Duos „Erwi & Alvi“ so sehr auf den Leib geschnitten, daß er sich mit Recht über einen Nobelpreis für den Autor freuen kann.

Dario Fos Geschichte, die der gebürtige Chilene Alvaro Solar jetzt in seiner Fassung im Theater am Leibnizplatz zeigt, spielt zur Zeit des Columbus. Ein norditalienischer Bergbauer namens Johan Padan flieht vor der Inquisition und findet sich schon wenig später auf einem von Columbus Schiffen wieder. In Amerika (bzw. Indien) erlebt der Bauer eine Odyssee, die ihn zu hungrigen Kannibalen und blut-rünstigen Conquistadoren führt und an dessen Ende Padan von den Indios als Heiliger verehrt wird.

„Johan Padan entdeckt Amerika“ ist typisch Fo: Die sogenannte Entdeckung wird so kritisch wie plakativ geschildert. Es ist eine Parabel in Form einer Historie von unten, in der allein ein schlauer, schon viel zu schlauer Bauer den Überblick behält und in einer Eulenspiegelei die Bigotterie von Christentum und Abendland vorführt.

Unter der Regie Ferrucio Caineros führt Alvaro Solar zunächst plaudernd in das Stück ein und erweckt den Bauern Padan und zahllose Nebenfiguren dann zum Leben. Musikalisch bis in die Zehenspitzen entlockt er zwei Kisten und einem Holzstab die Klangvielfalt einer ganzen Percussion-Ausrüstung oder bevölkert die Bühne wenig später schnalzend, knurzend und auf der Hutkrempe herumtrommelnd mit der Fauna eines ganzen Urwalds. Mit hohem Tempo, viel Musik und seinem phänomenalen Feingefühl für Atmosphäre haucht Alvaro Solar Dario Fos Stück einen theatralen Zauber ein. Wer sich über die Nobelpreisvergabe an Fo geärgert hat, wird dadurch zwar nicht umgestimmt. Aber bei der Spielfreude dieses Theatermachers ist jeder Ärger sowieso schnell vergessen.

Christoph Köster

Aufführung nur heute um 19.30 Uhr im Theater am Leibnizplatz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen