Urteil zum Brexit: Regierung muss Parlament fragen
Premierministerin Theresa May will bis März den Austritt aus der EU anmelden. Jetzt urteilt der High Court: Sie muss dazu das Parlament befragen.
Am 23. Juni hatten die Briten in einer historischen Abstimmung für einen Austritt ihres Landes aus der EU gestimmt. Die Verhandlungen mit der EU darüber sollten spätestens Ende März nächsten Jahres beginnen.
May hatte eine Abstimmung im Parlament über den Beginn der Austrittsverhandlungen gemäß Artikel 50 des Lissabon-Vertrags bislang ausgeschlossen. Das sei „ausschließlich Sache der Regierung“. Das Parlament werde aber „zu Wort kommen“, hatte sie angekündigt.
May will dafür das königliche Hoheitsrecht nutzen, das in der Vergangenheit nur vom britischen Königshaus genutzt wurde. Dessen Befugnisse sind aber mittlerweile auf die Regierung übergegangen. Unter anderem können damit so weitreichende Entscheidungen wie eine Kriegserklärung ohne Parlamentsabstimmung beschlossen werden. Auch bei der Verhandlung von Verträgen kam das Hoheitsrecht bereits zur Anwendung.
Sollte das Urteil bestätigt werden, könnte es dem Parlament einen mächtigen Hebel in die Hand geben, um die Verhandlungsstrategie der Regierung über den EU-Austritt zu beeinflussen. Brexit-Befürworter befürchten gar, der Ausstieg des Landes könne ganz vereitelt werden. Die Mehrheit der Abgeordneten in beiden Kammern gilt als Brexit-Gegner.
Parlament gegen Volk
Als Klägerin trat unter anderem die Investmentmanagerin Gina Miller auf. Sie hatte argumentierte, das Parlament dürfe bei einer weitreichenden Entscheidung wie dem Austritt aus der EU nicht umgangen werden. Die Gegenseite berief sich dagegen auf die Entscheidung des britischen Volkes beim EU-Referendum.
Auch aus Mays Fraktion fordern viele Abgeordnete eine Mitsprache über die Verhandlungsstrategie der Regierung. Das lehnte May bislang mit dem Argument ab, eine öffentliche Debatte im Parlament über die Brexit-Strategie der Regierung schade deren Verhandlungsposition. Es werde „keine laufenden Kommentare“ zum Prozess der Brexit-Verhandlungen geben.
Geldinstitute sollen sich vorbereiten
Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau warnt indes: Geldinstitute und Versicherer sollen sich auf die Möglichkeit eines „harten Brexit“ vorbereiten. Dieser Fall würde eintreten, wenn es zu einem EU-Austritt des Landes ohne freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt kommt. „Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass Banken und Versicherer alternative Strategien entwerfen für den Fall eines harten Brexit“, sagte das EZB-Ratsmitglied am Donnerstag in einer Diskussionsrunde im französischen Parlament.
Sollte Großbritannien den Zugang zu den Finanzmärkten in der EU behalten wollen, müsse das Land auch nach dem Austritt die Regeln der Gemeinschaft akzeptieren. Das Referendum der Briten hat bereits zu starker Verunsicherung in der Wirtschaft geführt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott