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Urteil zu spickmich.deNoten für Lehrer erlaubt

Die Benotung von Lehrern auf spickmich.de ist weiter erlaubt, so der Bundesgerichtshof. Eine Lehrerin wollte verletzte Persönlichkeitsrechte geltend machen - und scheiterte.

Der Deutschunterricht wird von den Schülern mit 4,3 bewertet? Pech gehabt. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Spickmich.de hat gewonnen. Nach einem zweijährigen Prozess durch alle Instanzen siegten die Betreiber des Lehrerbewertungsportals jetzt auch in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die Vorsitzende Richterin Gerda Müller warnte allerdings. "Das ist eine Einzelfallentscheidung, die nicht auf andere Bewertungsportale übertragen werden kann."

Spickmich wurde Anfang 2007 von drei Kölner Studenten gegründet und hat heute nach eigenen Angaben über eine Million registrierte Nutzer, die Noten für rund 400 000 Lehrer vergeben haben. Sichtbar sind allerdings nur die Zensuren von 80 000 Pädagogen, die bereits von jeweils mindestens zehn Schülern bewertet wurden. Mit 140 Millionen Klicks pro Monat ist spichmich.de eines der populärsten Internet-Portale, das sich auch als soziales Netzwerk und Online-Schülerzeitung versteht.

Das Portal war jedoch von Anfang an bei Lehrern umstritten, weil sie sich hier anonym an den Pranger gestellt sahen. Eine Deutsch- und Religionslehrerin vom Niederrhein klagte deshalb durch die Instanzen. Mit einer Note von 4,3 im Fach Deutsch schnitt sie deutlich schlechter ab als der Schnitt von 2,7 für alle Lehrer in Deutschland. Sie sah durch die anonyme Bewertung und die Veröffentlichung im Internet ihr Persönlichkeitsrecht verletzt.

Der sechste Zivilsenat des BGH hat die Klage der Lehrerin gestern aber endgültig abgelehnt. Die Meinungsfreiheit der Schüler habe hier Vorrang vor den Persönlichkeitsrechten der Lehrer. Die Vorsitzende Gerda Müller begründete dies damit, dass es hier nicht um Äußerungen über das Privatleben der Lehrer gehe, sondern nur um ihre öffentliche berufliche Tätigkeit.

Dass die Bewertungen anonym abgegeben werden, entziehe ihnen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit, betonte Richterin Müller. Im Vorfeld hatten die Spickmich-Macher erklärt, dass sie auf die Anonymität der Benotungen auf keinen Fall verzichten wollen, weil Schüler sonst Repressalien von schlecht bewerteten Lehrern fürchten müssen. Es bestehe ein "enormes Machtungleichgewicht" zwischen Lehrern und Schülern, betonte Manuel Weisbrod, einer der Gründer.

Positiv für Spickmich wertete der BGH auch, dass dort keine Schmähungen und Beleidigungen möglich seien. Bei der Lehrerbewertung können ohnehin nur Schulnoten in vorgegebenen Kategorien wie "fachlich kompetent", "gut vorbereitet" oder "faire Prüfungen" vergeben werden. Und in den angeschlossenen Diskussionsforen werden Beleidigungen gelöscht. Auch die Klägerin habe - abgesehen von der schlechten Note - keine konkreten Schmähungen gegen sie geltend gemacht. Die spickmich-Macher versichern, dass ein Filtersystem unplausibel schlechte "Rache-Noten" lösche. "Wenn aber eine ganze Klasse auf einen Lehrer sauer ist, dann hat das wohl schon etwas zu bedeuten", sagte Mitgründer Tino Keller gestern zur taz.

Maßstab für den BGH war das Bundesdatenschutzgesetz. Danach ist die Übermittlung von Daten ohne Einwilligung des Betroffenen nur möglich, wenn dessen schutzwürdige Interessen nicht vorrangig sind.

Andere Bewertungsportale können sich aber nur bedingt auf die gestrige Entscheidung berufen. "Wir müssen in jedem Einzelfall prüfen, welche Daten wie erhoben, gespeichert und übermittelt werden, welche Aussagekraft sie haben und wie zugänglich das Bewertungsportal ist", betonte Gerda Müller.

Die drei Spickmich-Macher waren gestern zur Verhandlung gekommen - anders als die klagende Lehrerin. "Dies ist ein guter Tag für die Meinungsfreiheit", sagten Tino Keller gestern nach der Urteilsverkündung. Nach Ende ihrer Studentenlaufbahn wollen sie Spickmich weiter ausbauen. Einnahmen erzielen sie über Online-Werbung, nach eigenen Angaben aber bisher nur "gerade soviel, dass das Projekt sich trägt."

(Az.: VI ZR 196/08)

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