Urteil zu Beschneidung in Deutschland: Ein zentrales Zeichen
Etwa jeder vierte Mann auf der Welt ist beschnitten. Im Judentum gilt die Beschneidung als Zeichen des Bundes zwischen dem Volk Israel und Gott.
BERLIN taz | Die Beschneidung ist im Judentum nicht irgendeine Sitte, die man langsam vergessen oder vernachlässigen könnte, wie etwa das Zertreten eines Glases bei der Hochzeit. Die Beschneidung ist das zentrale Zeichen des Bundes zwischen dem Volk Israel und Gott.
Im Buch Genesis heißt es dazu nach der Übersetzung der Lutherbibel (Kapitel 17, Verse 10-12): „Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Geschlecht nach dir: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden; eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch. Jedes Knäblein, wenn‘s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen.“
Auch das Alter des Beschnittenen ist so nach dem Verständnis des Judentums per Gotteswort vorgeschrieben – insofern war es zu erwarten, dass der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, so empört auf das Urteil des Kölner Landgerichts reagiert: Es trifft das Judentum in Deutschland im Kern.
Dabei ist nicht ganz klar, ob die Beschneidung im Volk Israel oder den Stämmen Israels nicht schon bestand, bevor es zum Glauben an und zum Bund mit Jahwe als dem einen, einzigen Gott fand. So kannten schon die alten Ägypter die Beschneidung, also die zumindest teilweise Entfernung der Vorhaut an der Spitze des Penis. Außerdem gibt es steinzeitliche Funde von möglichen Beschneidungsinstrumenten.
Sicher ist, dass sich die Beschneidung in der Zeit des babylonischen Exils des Volkes Israel im 6. Jahrhundert vor der Zeitenwende als das zentrale Zeichen der Volkszugehörigkeit endgültig durchsetzte. Später soll es sogar Märtyrer gegeben haben, die die Todesstrafe erlitten, weil sie dem Beschneidungsverbot unter der Fremdherrschaft von Antiochos IV. Epiphanes (etwa 215-164) nicht folgen wollten.
Beschneidung ist ein religiöses Fest
Auch dem Islam ist die Beschneidung sehr wichtig. Sie wird zwar nicht im heiligen Buch des Koran ausdrücklich gefordert, ist aber als Anweisung (“Hadith“) des Propheten Mohammed überliefert, also in der Sicht der Moslems fast so verpflichtend wie die Regeln im Koran selbst. Während die Beschneidung im Judentum in der Regel am achten Tag nach der Geburt stattfindet, ist sie der islamischen Tradition nach bis zum 13. Lebensjahr des Jungen möglich.
Im Judentum wie im Islam nehmen die Beschneidung auch Ärzte im Krankenhaus vor, die dabei Segenssprüche beten. Zudem gibt es ausgebildete Beschneider, im Judentum „Mohel“ genannt. Die Beschneidung, die „Brit Mila“ ist ein religiöses Fest und findet meist in der Synagoge statt. Mit der Ausnahme weniger Teilkirchen wurde die Beschneidung im Christentum mit dem langsamen Verschwinden ihres judenchristlichen Zweigs in den ersten zwei Jahrhunderten nach Christus unüblich.
Es gibt unterschiedliche Formen der Beschneidung, je nachdem, wie weit die Vorhaut entfernt wird. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit mindestens jeder vierte Mann beschnitten ist.
Umstritten ist, wann und unter welchen Bedingungen die Beschneidung generelle hygienisch-medizinische Vorteile hat. Allerdings gibt es nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Hinweise, dass eine Beschneidung das Risiko für verschiedene Karzinome, Geschlechtskrankheiten und Infektionen wie HIV und HPV senkt. Manchmal behauptete positive sexuelle Effekte der Beschneidung sind sehr strittig.
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