Urteil im Bradley-Manning-Prozess: Doch nicht an allem schuld
Ein US-Gericht spricht den Wikileaks-Informanten Manning vom schwersten Vorwurf frei – in 19 Anklagepunkten hingegen schuldig. Gefordert werden 154 Jahre Haft.
FORT MEADE tr/afp/dpa/taz | Der 25-jährige Wikileaks-Informant Bradley Manning ist dem härtestmöglichen Urteil entgangen. Ein US-Militärgericht in Fort Meade bei Washington befand ihn zwar in 19 der 21 Anklagepunkte für schuldig. Freigesprochen wurde der Obergefreite jedoch von Richterin Denise Lind vom Vorwurf der „Unterstützung des Feindes“, auf den theoretisch die Todesstrafe steht.
Wie lange Manning hinter Gitter muss und ob er jemals wieder freikommt, ist noch unklar. Das Strafmaß soll erst im August verkündet werden. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Vorwurf Feindeshilfe „lebenslänglich“ und für alle weiteren Punkte eine Haftstrafe von insgesamt 154 Jahren gefordert. Nach Einschätzung von Prozessbeobachtern drohen ihm nun immer noch über 100 Jahre Haft.
Manning habe gegen Spionage-Gesetze verstoßen, entschied das Militärtribunal, weil er während seiner Stationierung im Irak zwischen November 2009 und Mai 2010 Hunderttausende Geheimdokumente von Militärrechnern heruntergeladen und der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt hatte. Dies hatte Manning auch gestanden. Er hatte aber betont, dabei keine bösen Absichten gehabt zu haben.
Die Veröffentlichung der rund 700.000 Dokumente im Internet gilt als das größte Datenleck der US-Geschichte. Eines der weitergegebenen Videos zeigt einen Hubschrauberangriff des US-Militärs auf eine Menschenmenge 2007 in Bagdad. Unter den Opfern waren auch zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Militärstaatsanwaltschaft hatte Manning als Verräter bezeichnet und erklärt, die Informationen gefährdeten die nationale Sicherheit. Die Verteidigung sah dagegen die gut gemeinte, wenn auch naive Intention, die öffentliche Debatte über das diplomatische und militärische Vorgehen der USA in Afghanistan und dem Irak zu vertiefen.
Präzedenzfall für Enthüller
Das Verfahren war der erste große Prozess gegen einen sogenannten Whistleblower in den USA. Es könnte als Präzedenzfall für weitere bekannte Enthüller dienen – etwa für Wikileaks-Gründer Julian Assange und den Geheimdienstspezialisten Edward Snowden. Beide werden von den USA als Geheimnisverräter gesucht, beiden soll der Prozess gemacht werden.
Vor der Urteilsverkündung hatten Anhänger des US-Obergefreiten vor dem Gerichtsgebäude demonstriert. Mehrere Dutzend Menschen trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Truth“ („Wahrheit“) und forderten die Freilassung von Bradley Manning. Der Soldat habe die Wahrheit über militärische und diplomatische Fehler ans Licht gebracht und müsse nun den Preis dafür bezahlen, beklagte der 23-jährige Joel Greenfield, einer der Demonstranten.
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