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Urteil gegen Ernesto CardenalSchlammschlacht in Nicaragua

Der Befreiungstheologe und Poet wird wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe verurteilt, dabei war er schon freigesprochen worden. Er vermutet eine Racheaktion von Präsident Ortega.

Ernesto Cardenal Bild: dpa

WIEN taz Ernesto Cardenal, Nicaraguas greiser Dichterfürst, steht in Manugua unter Hausarrest. Er weigert sich nämlich, eine Geldstrafe von umgerechnet 650 Euro zu zahlen, die letzte Woche wegen übler Nachrede über ihn verhängt wurde.

Cardenal ist überzeugt, dass die Verurteilung von Präsident Daniel Ortega in Auftrag gegeben wurde, und spricht von einem "Racheakt". Denn er sei vor kurzem in Paraguay bei der Amtseinführung Präsident Fernando Lugos begeistert empfangen worden, "während er (Ortega) ausgeladen wurde".

Frauenorganisationen hatten gegen den geplanten Auftritt des nicaraguanischen Präsidenten demonstriert, weil der seine Stieftochter seit deren 11. Lebensjahr jahrelang missbraucht haben soll. Da Ortega als Präsident in Nicaragua Immunität genießt, wurde der Fall dort nie gerichtlich untersucht.

Cardenal nützte seinen Auftritt vor versammelten Staatschefs, um über seinen einstigen Revolutionskommandanten und dessen machtbewusste Ehefrau Rosario Murillo herzuziehen. Er warf ihnen die Errichtung einer Familiendiktatur vor. Diese Einschätzung wird in Nicaragua von den meisten Intellektuellen geteilt.

Kurz nach seiner Rückkehr nach Managua sah sich der 83-jährige Poet plötzlich mit einem Urteil in einem Verfahren konfrontiert, in dem er vor drei Jahren bereits freigesprochen worden war. Es geht um einen alten Streit mit dem deutschen Staatsbürger Immanuel Zerger, der in den 90er-Jahren Nubia Arcia, die Witwe des ehemaligen Provinzchefs von Río San Juan, Alejandro Guevara, geehelicht hatte. Die Guevaras sind der mächtigste Clan der Inselgruppe Solentiname, wo einst Ernesto Cardenal seine befreiungstheologischen Thesen vor christlichen Basisgruppen entwickelt hatte. Alejandro Guevara war einer seiner besonderen Schützlinge gewesen, als Cardenal in den frühen 80er-Jahren Kulturminister war.

Seine Witwe Arcia und Zerger pachteten später ein Hotel auf der Insel Mancarrón und zogen ein Tourismusunternehmen auf. Allerdings ging dort, so Cardenal, nicht alles mit rechten Dingen zu. Das Ehepaar hätte sich durch gefälschte Dokumente einer Insel bemächtigt. Es folgte ein langer Disput. Zerger versuchte schließlich, sich Cardenals Anschuldigungen mittels Richterspruch vom Hals zu schaffen. Cardenal wurde aber 2005 vom Vorwurf der üblen Nachrede freigesprochen.

Cardenal, der in Europa populärer ist als in Nicaragua selbst, ist mit Ortega seit seiner Absetzung als Kulturminister 1985 verfeindet. Die Kulturpolitik unterstand forthin allein der damaligen und heutigen Präsidentengattin Rosario Murillo, die einen elitäreren Kulturbegriff pflegte und Dichterwerkstätten bei den Bauern und der Armee einstellte.

Ortega hat jetzt als Präsident Zugriff auf die Besetzungen im Justizapparat. Diesen Einfluss macht er sich immer wieder zunutze, wenn es darum geht, politische Rivalen kaltzustellen. Im vergangenen April suspendierte auch das deutsche BMZ die Budgethilfe an Nicaragua mit dem Hinweis auf die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz.

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1 Kommentar

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  • CM
    Christian Muller-Calderón

    Schön, dass die taz auch aus Nicaragua berichtet. Schlecht, dass dass der Artikel über Ernesto Cardenal gleich mehrere Fehler enthält:

     

    1. Cardenal steht nicht wie erwähnt unter Hausarrest. Allerdings wurden seine Konten eingefroren, was nicht erwähnt wurde.

    2. Cardenal schied aus dem Amt als Kulturminister 1987 aus, nicht wie erwähnt 1985

    3. Der erwähnte Missbrauchsprozess gegen Ortega scheiterte nicht wg. dessen Immunität sondern wg. Verjährung - wobei die erwähnte fehlende Unabhängigkeit der Justiz sicher eine Rolle spielte.

     

    Schön wäre es schließlich, wenn die Bundesregierung gegenüber dem Caudillo-Präsidenten Ortega endlich Klartext reden würde. Aber das tut sie nicht, und da ist es irgendwie verwirrend, wenn die taz die Dinge verdreht darstellt wie im letzten Absatz zur Einstellung der Budgethilfe durch Deutschland. Das war eben keine explizite Strafmaßnahme gegen Nicaragua, vielmehr fror D diese Art von Hilfe für alle bisherigen Empfängerländer ein, auch die in Afrika.

     

    Aber wenigstens hat die taz berichtet, im Gegensatz zu anderen, das ist wichtig, um Ortegas populistischen Irrlauf endlich zu bremsen. Nur wäre es halt glaubwürdiger, die Fakten korrekt darzustellen. Nix für ungut.