Urteil des Bundesgerichtshofs: Internetsperren sind „zumutbar“
Illegale Musik- und Filmportale sind im Netz bald schwerer auffindbar. So will es der Bundesgerichtshof. Ein Erfolg für Musikfirmen und die Gema.
Der BGH hatte zwei ähnliche Fälle zu entscheiden. Im ersten Fall hatte die Verwertungssgesellschaft GEMA die deutsche Telekom verklagt. Sie solle für ihre Kunden den Zugang zur Seite 3dl.am sperren, weil dort Links zu illegalen Downloadangeboten auf so genannten Filehostern wie Rapidshare gelistet sind.
Im zweiten Fall klagten EMI und andere Plattenfirmen gegen den Internetprovider Telefonica. Er solle für seine Kunden den Zugang zur Seite goldesel.to sperren, weil sich dort Links zu Musikdateien fanden, die im Filesharing-Netzwerk eDonkey hochgeladen wurden.
Die verklagten Internetprovider weigerten sich jedoch, die Seiten zu sperren. Sie hätten mit den Urheberrechtsverletzungen nichts zu tun.
Störerhaftung als Rechtsgrundlage
Der BGH entschied nun, dass die Internetprovider grundsätzlich zu solchen Internetsperren verpflichtet werden können. Es gebe zwar keine gesetzliche Regelung hierfür, diese wäre aber nur für staatliche Eingriffe erforderlich. Da es hier um den Streit zwischen Privatunternehmen gehe, genüge die vom BGH entwickelte Rechtsprechung zur Störerhaftung als Rechtsgrundlage.
Internetprovider können demnach zur Sperrung von illegalen Musikpartalen verpflichtet werden, weil ohne ihre Vermittlung die Urheberrechtsverletzung nicht möglich ist. Sie gelten deshalb als „Störer“ und können grundsätzlich zur Unterlassung verpflichtet werden.
Die Verpflichtung zu solchen Internetsperren sei „zumutbar“, so der BGH, solange auf die Firmen keine unverhältnismäßigen Kosten zukommen, womit der BGH jedoch nicht rechnet.
Sperren seien auch möglich, wenn die Inhalte der betroffenen Seiten teilweise legal sind, solange die legalen Anteile „nicht ins Gewicht fallen“, erklärte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher. „Wenn nur vier Prozent der Inhalte auf einer solchen Seite legal sind, kann trotdem gesperrt werden.“
Gegen die Zulässigkeit der Sperrverpflichtung spreche auch nicht, dass „Sperren“ relativ leicht umgangen werden können. Es genüge, wenn die Maßnahmen der Internetprovider den Zugriff auf die illegalen Inhalte zumindest erschweren.
Zuerst gegen Betreiber vorgehen
Eine Sperrverpflichtung ist allerdings nur dann verhältnismäßig, wenn die Musikfirmen zunächst gegen die Akteure vorgehen, die an den Urheberrechtsverletzungen näher dran sind. Zunächst müssten die Musikfirmen also gegen die Betreiber von Seiten wie 3dl.am und goldesel.to aktiv werden. Wenn diese nicht greifbar sind, müssten die Musikfirmen auch gegen die Hostprovider vorgehen, auf deren Servern die kriminellen Seiten gespeichert sind. Erst wenn diese auch nicht erreichbar sind, können die Musikfirmen die Internet-Accessprovider in die Pflicht nehmen, damit keine „Rechtsschutzlücken“ entstehen.
Der BGH machte auch Vorgaben, wieviel Aufwand die Musikfirmen betreiben müssen, wenn sie gegen illegale Musikportale vorgehen. So genüge es nicht festzustellen, dass die Postadresse der Kriminellen nicht bekannt sei oder dass Webseiten auf Tonga (.to) anonym registriert werden können. Die Musikfirmen müssten in solchen Fällen zumindest eine Detektei oder eine auf solche Recherchen spezialisierte Firma beauftragen. Je nach Sachverhalt kann auch eine Strafanzeige und damit die Einschaltung staatlicher Ermittlungsbehörden erforderlich sein, bevor die Internetprovider in Anspruch genommen werden dürfen.
Insgesamt fiel das BGH-Urteil für die Musikwirtschaft also recht erfreulich aus. Bisher lehnten die Gerichte solche Internetsperren ab, weil eine Rechtsgrundlage fehle oder weil die Sperren nicht zumutbar seien.
Trotz des grundsätzlichen Erfolgs wurden die konkreten Klagen von GEMA und EMI beim BGH nun aber abgewiesen. Denn die Musikfirmen hätten hier nicht genügend Aufwand betrieben, um die eigentlichen Rechtsverletzer ausfindig zu machen. Mit den jetzigen BGH-Vorgaben wissen die Musikfirmen aber, wie sie künftig vorgehen können. Es wird bald also nicht mehr so einfach sein, illegale Musikangebote im Netz zu finden.
Das Urteil dürfte ohne weiteres auch auf illegale Filmangebote übertragbar sein. Auch bei anderen zivilrechtlichen Streitigkeiten, zum Beispiel um Persönlichkeitsrechts-Verletzungen, dürfte es künftig Internetsperren geben. Dagegen gibt das Urteil keinen Hebel, um die Sperrung von Seiten zu rechtfertigen, die nur strafrechtlich relevant sind, etwa Seiten mit islamistischer Terrorpropaganda. (Az.: I ZR 3/14 u.a.)
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