Urteil des Bundesgerichtshofs: Post muss NPD-Postillen austragen
Der Bundesgerichtshof hält ein vierseitiges Werbeblatt der sächsischen NPD für eine „Zeitung“. Der Staat müsse bei der Pressefreiheit neutral bleiben.
FREIBURG taz | Die Post muss NPD-Zeitungen an alle Haushalte verteilen. Das entschied am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil. Auch eine Zeitung der NPD sei eine Zeitung.
Konkret ging es um ein Mitteilungsblatt der sächsischen NPD-Landtagsfraktion namens „Klartext“, das alle paar Wochen erscheint. Auf nur vier Seiten finden sich dort Berichte über NPD-Aktivitäten und Kommentare von NPD-Abgeordneten. In der aktuellen Ausgabe geht es zum Beispiel gegen die EU, Griechenland, islamistische Hassprediger und den Verfassungsschutz.
Die NPD-Fraktion verlangt von der Deutschen Post AG, dass sie das Blatt in einer Auflage von 200.000 Stück mit der Tagespost an alle Haushalte der Stadt Leipzig verteilt. Bezahlt würde das aus Fraktionsgeldern. Doch die Post AG lehnte den Auftrag ab. Dagegen klagte die NPD-Fraktion. Der Streit ist eine Folge der Postliberalisierung. Da die Post AG kein Monopol mehr hat, muss sie nur bestimmte Dienstleistungen für alle Kunden anbieten. Zu diesen Universaldienstleistungen gehören neben Briefen und Paketen auch Zeitungen.
Die NPD-Fraktion behauptete, ihr Mitteilungsblatt sei eine Zeitung, die Post AG bestritt dies. „Klartext“ sei eine unadressierte Massendrucksache, für die keine Beförderungspflicht bestehe, so die Post.
Werbung für die NPD störte die Richter nicht
Der BGH entschied nun, dass das NPD-Blatt eine Zeitung sei. „Klartext“ sei „eine periodisch erscheinende Druckschrift, die zu dem Zweck herausgegeben wird, die Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit- oder Fachfragen durch presseübliche Berichterstattung zu unterrichten“, so die Richter.
Da der „Klartext“ regelmäßig erscheine, sei er – anders als zum Beispiel ein Flugblatt – als Zeitung einzustufen. Eine Zeitung liege nicht nur dann vor, wenn sie an bestimmte Adressaten, zum Beispiel Abonnenten, ausgeliefert wird. Auch eine Drucksache an alle Haushalte könne eine Zeitung sein.
Dass das Mitteilungsblatt von einer Landtagsfraktion herausgegeben wird und für diese Werbung macht, störte die Richter nicht. Bei Regelungen im Bereich der Pressefreiheit müsse der Staat neutral sein. Die Beförderungspflicht entfalle nur, wenn der Inhalt gegen Strafgesetze verstößt oder rassistisch ist.
In den Vorinstanzen, beim Landgericht Leipzig und beim Oberlandesgericht Dresden, hatte die Post noch Erfolg.
Die zuständige Gewerkschaft Ver.di forderte die Post auf, genau zu prüfen, ob das NPD-Blatt strafbare „Volksverhetzung“ enthalte. Die Linke-Abgeordnete Ulla Jelpke sagte, „nur ein NPD-Verbot kann verhindern, dass die rechte Hetze der NPD auch noch von der Post verteilt werden muss“. Az.: I ZR 116/11
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