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Urteil am Kölner LandgerichtBeschneidung gilt als Körperverletzung

Ein Gericht hat festgestellt, dass Beschneidung von Kindern aus religiösen Gründen grundsätzlich strafbar ist. Im Fall des vierjährigen Kölners wurde der Arzt aber freigesprochen.

Operationen an Kindern müssen medizinisch notwendig sein. Bild: dapd

KÖLN dpa | Die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen ist nach Auffassung des Kölner Landgericht grundsätzlich strafbar. In einem am Dienstag veröffentlichten Urteil sprach das Gericht einen Arzt, der einen Jungen beschnitten hatte, zwar frei.

Dies jedoch nur mit der Begründung, dass der Arzt von der Strafbarkeit nichts gewusst habe und deshalb einem „Verbotsirrtum“ unterlegen sei. Tatsächlich müssten Beschneidungen als „rechtswidrige Körperverletzung“ betrachtet werden, urteilte das Landgericht. Über das Urteil hatte als erstes die Financial Times Deutschland berichtet.

In dem Kölner Fall hatte ein Arzt einen vier Jahre alten Jungen auf Wunsch der muslimischen Eltern beschnitten. Zwei Tage später kam es zu Nachblutungen, die Mutter brachte den Jungen in die Notaufnahme. Davon erfuhr die Kölner Staatsanwaltschaft und erhob Anklage gegen den Arzt.

Das Amtsgericht Köln sprach den Mediziner in erster Instanz frei, weil eine Einwilligung der Eltern vorgelegen habe. Außerdem sei die Beschneidung eine „traditionell-rituelle Handlungsweise zur Dokumentation der kulturellen und religiösen Zugehörigkeit zur muslimischen Lebensgemeinschaft“.

Das Landgericht bestätigte den Freispruch, doch aus ganz anderen Gründen. Es verwies darauf, dass der Arzt geglaubt habe, er würde rechtmäßig handeln. Dies sei aufgrund der bisher unklaren Rechtssituation auch glaubhaft. Tatsächlich aber müssten Beschneidungen in einem solchen Fall als illegal betrachtet werden, da sie die körperliche Unversehrtheit des Kindes beeinträchtigten.

Das Landgericht bestätigte, dass die Beschneidung in dem vorliegenden Fall medizinisch fachgerecht vorgenommen worden sei. Es wies außerdem darauf hin, dass Beschneidungen weiterhin legal seien, sofern sie medizinisch geboten seien, etwa aufgrund einer Vorhautverengung.

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15 Kommentare

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  • P
    PeterWolf

    @ Sarah Berndoz

     

    1. Es steht Ihnen frei, geschlechtlich nur mit Beschnittenen zu verkehren, aber auf keinen Fall mit Kindern!

     

    2. Ein Arzt, der bei einem acht Tage alten Säugling eine Phimose diagnostiziert, die sich ausschließlich mit sofortiger Beschneidung behandeln ließe, ist ganz schnell kein zugelassener Arzt mehr und wenn er das als Kassenleistung berechnet hat, bekommt er noch ein Strafverfahren wegen Abrechnungsbetrugs dazu.

    Eltern, die ins Ausland ausweichen, machen sich hier dennoch strafbar.

  • S
    Sara

    @Sarah Berndoz: Auch das Ohrlochstechen bei Babies und Kleinkindern ist in Deutschland *eigentlich* illegal, es wird aber nicht verfolgt.

     

    Ich finde das Urteil gut. Es sendet ein wichtiges Signal - die körperliche Unversehrtheit von Jungen ist genauso wichtig wie die von Mädchen (wir erinnern uns, Beschneidung/Verstümmelung bei Mädchen ist schon lange verboten), und kosmetische Operationen bei Kindern sind nicht zulässig. Natürlich wird das im Endeffekt nicht viel ändern, man wird dann mit den Babies/Kindern einfach irgendwo ins Ausland fahren, aber trotzdem.

  • PJ
    Peter Jermin

    @Sarah Berndoz

     

    "Ich bin grundsätzlich für die Beschneidung, denn es gibt ausreichend genug Belege dafür, dass es in den Ländern, in denen die überwiegende Mehrheit der Männer beschnitten ist, z.B. die Anzahl der Gebärmutterkrebserkrankungen von Frauen signifikant niedrig ist."

     

     

    Es geht hier aber (einmal) NICHT darum was für Frauen gut ist, sondern um die Jungen.

    Wie unfassbar egoistisch muss man sein, um zu verlangen dass anderen Menschen Leid angetan wird, nur damit frau MÖGLICHERWEISE Vorteile hat?

  • E
    Eulenspiegel

    "Unter Deutschen Eichen - Linden, darf man keine Vorhaut finden"!? Der Arzt als "Unwissender" hat vor Gericht gute Chancen.Bei einem Nicht-Akademiker schützt- bekanntlich-Unwissenheit vor Strafe nicht!

  • J
    jt-21

    "Warum kann man die islamische Kultur nicht einfach achten und respektieren?"

     

    Weil sie - wie alle Kulturen - an den allgemeinen Menschenrechten gemessen wird. Und da fällt halt manches durch - und genau das braucht weder toleriert noch respektiert zu werden.

  • I
    Irene

    Ich bin sehr dafür, dass kleine Kinder vor religiösen Praktiken verschont werden, besonders wenn es um die körperliche Unversehrtheit geht.

    Trotzdem frage ich mich, was da gelaufen ist. Zuerst "petzen" die Ärzte, die Staatsanwaltschaft klagt, das Amtsgericht spricht den Arzt frei und trägt bei der Urteilsbegründung religiösen und traditionellen Gründen Rechnung.

    Wer bitte ist denn dann in Revision gegangen? Die Staatsanwaltschaft? Angefangen beim Krankenhaus hätte man das in jeder Phase etwas tiefer hängen können.

  • SB
    Sarah Berndoz

    Es erscheint mir etwas seltsam, dass ein Gericht plötzlich, nachdem doch bereits Generationen sich dieser Prozedur unterziehen mußten, eine derartige Entscheidung fällt.

     

    Und wenn man den sicherlich frag- oder besser diskutierwürdigen Eingriff einer Beschneidung an Kindern als Körper verletzend einstuft, wie muß denn dann das Ohrlochstechen bei Kleinkindern oder gar Säuglingen bewertet werden?

     

    Ich bin grundsätzlich für die Beschneidung, denn es gibt ausreichend genug Belege dafür, dass es in den Ländern, in denen die überwiegende Mehrheit der Männer beschnitten ist, z.B. die Anzahl der Gebärmutterkrebserkrankungen von Frauen signifikant niedrig ist.

     

    Selbst wenn die Gerichte die religiös begründete Beschneidung verurteilen, so werden sie schließlich dennoch weiterhin durchgeführt werden; mit der gefakten Diagnose einer Phimose ist das doch nun wirklich kein Problem.

  • C
    Christian

    end.the.occupation, du hast ganz vergessen, das Urteil einen antisemitischen Akt zu nennen. Nicht ganz bei der Sache?

     

    Wie auch immer, ich denke auch, dass ein solches Urteil nicht stattgefunden hätte, wenn Beschneidungen Teil der christlichen Kultur wären. Sind sie aber nicht und mein Bauchgefühl dahingehend macht so oder so das Urteil nicht weniger richtig. Kleine Kinder verstümmeln ist falsch, das können die gerne nachholen wenn sie erwachsen sind.

  • P
    PeterWolf

    Das ich das noch erleben darf!!!!

    Religionsfreiheit ist ein wichtiges Recht, aber damit kann keinesfalls die Verletzung der Rechte anderer sanktioniert werden.

    Graumann steht nicht zum freiheitlichen Rechtsstaat, genauso wenig wie Islamisten und "Amts-"christen.

    Hoffentlich werden jetzt endlich auch andere religiös verbrämte Misstände benannt und beseitigt.

  • GS
    Gottfried Scherer

    Das tut weh

    Das Kölner Landgerichtsurteil und die zustimmenden Kommentare zeugen von ziemlicher Ignoranz: bechnitten zu sein, erzeugt Frust nur dann, wenn Vorhautfanatiker das Sagen haben oder als sie es hatten. Liegt hier der Hund des Antiamerikanismus begraben? Wann werden Nierenspender bestraft, bzw. die Ärzte die solches durchführen? Unglaubliches Deutschland - ich bin gegen Organspenden - aber die dies wollen zu bestrafen, geht ja wohl zuweit. Wir sind auf dem Weg wohl in die Euroschuldendiktatur der Unbeschnittenen...

    Übrigens: wg. Phimose hat mich dieses Schicksal in fortgeschrittenen Alter ereilt und und kann über keine negativen Folgen klagen - im Gegenteil.

  • P
    PeterWolf

    Das ich das noch erleben darf!!!!

    Religionsfreiheit ist ein wichtiges Recht, aber damit kann keinesfalls die Verletzung der Rechte anderer sanktioniert werden.

    Graumann steht nicht zum freiheitlichen Rechtsstaat, genauso wenig wie Islamisten und "Amts-"christen.

    Hoffentlich werden jetzt endlich auch andere religiös verbrämte Misstände benannt und beseitigt.

  • HS
    Hans Stoffel

    Wenn es wirklich um die "körperliche Unversehrtheit" der Jungen ginge, hätte der Staatsanwalt sicher die Traute gehabt, einen Mohel (jüdischer Beschneider) vor das Gericht zu zerren.

     

    Statt ging es um die Beschneidung eines muslimischen Jungen und damit dem Angehörigen einer Minderheit, die an der Rand der Gesellschaft gedrängt wurde und vielfachen Diskriminierungen ausgesetzt ist. Dies läßt den Verdacht aufkommen, das es hier garnicht um die Betroffenen und deren körperliche Unversehrtheit geht sondern hier vielmehr darum, dem beliebten und billigen Applaus garantierenden Spiel des Islam- bzw. Muslimbashings eine weitere Variante hinzuzufügen.

     

    Bleibt zu hoffen, das diese unselige Rechtsprechung nicht lange bestand hat.

     

    Es grüßt Euch: Stoffel

  • D
    deviant

    Beschneidung ist Körperverletzung, weil es gegen das Selbstbestimmungsrecht verstößt, Kindstaufe bleibt aber erlaubt, und wenn ein Kind seine Sexualität selbst bestimmen will, wird es eingeliefert und zum "richtigen" Geschlecht und zum "geschlechtstypischen" Verhalten gezwungen...

    Aha.

     

    Moment mal...HÄ?!

  • E
    expat

    Endlich!

  • E
    end.the.occupation

    Mal wieder ein islamophober Akt. Warum kann man die islamische Kultur nicht einfach achten und respektieren? Und da wundert man sich noch das wie Muslime Europa und insbesondere Deutschland verachten.