■ Urlaubsfoto mit Solitario Jorge: Die Galapagosinseln im Pazifischen Ozean bieten bis heute eine Artenvielfalt, die schon Darwin beeindruckte. Eine Schiffsfahrt auf dem Archipel
Solitario Jorge und die anderen Riesenschildkröten bieten die klassische Kulisse für Urlaubsfotos. Die verschiedenen Arten leben in der Charles-Darwin-Station auf den Galápagosinseln, bis sie fünf Jahre alt sind. Dann sind sie groß genug, um nicht mehr von verwilderten Haustieren verspeist zu werden. Die Riesenschildkröten – auf Galápagos gibt es gut ein Dutzend verschiedener Rassen – haben der Inselgruppe, rund 1.000 Kilometer vom südamerikanischen Festland entfernt, ihren Namen gegeben. Das spanische Wort Galápagos heißt übersetzt Riesenschildkröten. Im Volksmund tragen die Inseln auch den Beinamen „Islas encantadas“ – verzauberte Inseln. Denn hier, wo die Tiere keine Angst vor den Menschen haben, scheint die Zeit der Evolution stehengeblieben zu sein. Die Artenvielfalt ist so groß wie fast sonst nirgendwo auf der Erde. Flora und Fauna können sich ohne Eingriffe des Menschen entwickeln.
Der junge Charles Darwin hatte von 1831 bis 36 auf der „Beagle“ die Welt umsegelt und kam dabei für sechs Wochen nach Galápagos. Das Besondere an der Inselgruppe im Pazifik ist, daß auf allen Inseln unterschiedliche Lebensbedingungen existieren und der Mensch die Entwicklung kaum beeinflußt hat. Als Darwin die 1.000 Kilometer vom Festland entfernten Galápagos besuchte, lebten dort gerade einmal 300 Menschen; die meisten Inseln waren unbewohnt. In Darwins Buch „The Origin of Species“ stammen die meisten Beispiele von den Galápagos. Am bekanntesten sind die Darwin-Finken, die nach dem Forscher benannt wurden. Es gibt vierzehn Unterarten, und sie leben alle auf verschiedenen Inseln. Sie unterscheiden sich vor allem durch die Form ihres Schnabels – und der hängt vom Nahrungsangebot der jeweiligen Insel ab.
Die Vielfalt zu bewahren ist auch das Hauptanliegen der Charles-Darwin-Station auf der Insel Santa Cruz. Den Biologen ans Herz gewachsen ist vor allem der einsame Georg. Die Pinta-Riesenschildkröte findet kein Weibchen; die Pintas werden aussterben. Dabei ist „solitario Jorge“ mit seinen hundert Jahren im besten Mannesalter – und mit einem Gewicht von 200 Kilo hat er auch noch eine stattliche Figur. Doch alle Versuche, ihn mit einem Weibchen einer anderen Schildkrötenrasse zu paaren, sind fehlgeschlagen. Mittlerweile sind der einsame Georg und sein Liebeskummer weltberühmt. In jedem Reiseführer wird über ihn geschrieben; ein Besuch gehört zum Pflichtprogramm der meisten Touristen.
Wie die meisten Urlauber reise auch ich mit dem Flugzeug vom Festland von der ecuadorianischen Hauptstadt Quito an. Nach ungefähr einer Stunde Flug landet die Maschine auf dem ehemaligen amerikanischen Militärflughafen der Insel Baltra, der noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammt. Von dort aus geht es mit dem Schiff weiter. Der Flug kostet 400 Dollar, Eintritt in den Nationalpark und Hafengebühr rund 80 Dollar. Die Preise für eine Schiffstour reichen von 400 bis 2.000 Dollar, je nach Komfort der Unterkunft und Länge des Aufenthalts. Fast alle der rund vier Dutzend Inseln stehen unter Naturschutz und dürfen nur mit einem Führer besucht werden. Die Führer sind lizenzierte Guides. Sie erklären nicht nur Fauna und Flora, sondern weisen auch die Touristen zurecht, wenn diese ein Seelöwenbaby streicheln oder die mit schwarzweißen Stöckchen markierten Wege verlassen.
Es wird Nacht. Die „Angelito“ – eine 20 Meter lange Yacht – tuckert gemütlich im Pazifik. Es ist, als ob das Meer Funken sprüht. Durch die Bewegung des Schiffs leuchtet das Plankton im spritzenden Wasser. Es sieht aus wie Tausende kleiner Glühwürmchen im Wasser. Plötzlich geht das Schiffshorn. „Delphine!“ ruft der Kapitän. Fünf Delphine schwimmen mit der „Angelito“ um die Wette, tauchen unter, kommen wieder hoch. Vormittags hat die Crew Anker vor der Insel Santiago geworfen. Pangas – die Beiboote – werden ins Wasser gelassen. Wir nähern uns dem weißen Strand und den schwarzen Felsen der Insel Santiago. „Wet landing“ ist angesagt.
Während ich durch das seichte, lauwarme Wasser auf dem schneeweißen Sand zum Strand wate, schießen an mir kleine kegelförmige Seelöwenjungen vorbei. Ihr schwarzer Pelz glänzt in der Sonne. Im Sand räkelt sich eine Seelöwenmutter und säugt ihr Baby. Dabei grunzt sie genüßlich. Scheu ist bei den Tieren nicht zu spüren. Ab und zu hebt einer der Seelöwen langsam seinen Kopf und richtet sich dabei grazil auf.
Die Galápagosinseln wurden 1535 von den Europäern entdeckt. Eine spanische Galeone geriet durch den Humboldtstrom zu den Inseln. Wenig später entdeckten Piraten die oft in Nebelbänken verschwundenen Inseln als ideales Versteck. Die Schildkröten wurden als lebender Bordproviant geschätzt. Somit hatten sie jederzeit frisches Fleisch. Richtig bekannt aber wurden die Galápagosinseln erst durch den großen Naturforscher Charles Darwin. In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts versuchten eine Reihe zivilisationsmüder Europäer sich auf den Inseln anzusiedeln. Sie waren durch romantische Reisebeschreibungen einiger Abenteurer auf die „Encantadas“ verschlagen worden. Die berühmteste ist die Kölnerin Margret Wittmer. Um sie spannen sich aufregende Kriminalgeschichten. Die 92jährige lebt auch heute noch auf Floreana. Sie ist 1932 mit ihrem Mann und ihrem Sohn in eine alte Seeräuberhöhle auf die Insel gezogen. Doch dann wurde der Inselfrieden durch mehrere mysteriöse Todesfälle gestört und beschäftigte unter dem Namen „Galápagos-Affäre“ die gesamte Weltpresse.
Um zu ihrem Haus zu kommen, muß das Schiff in der Post Office Bay anlegen. Von dort aus sind es noch zwei Stunden Fußmarsch. Das „Postamt“ wurde schon von den Piraten gebaut. Es ist eine Ansammlung von alten Holzfässern, Strandgut und Schiffsteilen aus aller Herren Länder. Auch Margret Wittmer nutzt die alten Tonnen. Vorbeifahrende Schiffe machen hier halt, nehmen Post mit und lassen die Briefe für die dort lebenden Familien da.
Ich wate barfuß durch den heißen Sand zum Post Office Bay. Dort stecke ich meine Postkarten mit dem Galápagos-Stempel in die Holzfässer. Gleichzeitig nehme ich drei Briefe nach Deutschland mit. Dann geht es zurück zur „Angelito“. An Bord heißt es erst einmal Schuhe ausziehen und saubermachen. Damit keine Samenkörner und Insekten von einer Insel zur anderen transportiert werden. Denn das Gleichgewicht von Flora und Fauna ist sehr empfindlich. 50.000 Besucher pro Jahr – mehr sind nicht erlaubt – setzten den Inseln zu. Hinzu kommen selbstgemachte Probleme: Die Zahl der Inselbewohner nimmt jedes Jahr um rund 17 Prozent zu. Sie produzieren Müll, bauen Häuser, asphaltieren Straßen und bringen Haustiere mit. Ratten, verwilderte Katzen und Ziegen sind mit die größten Gefahren für die Galápagosinseln. Schon von den Piraten eingeschleppt, fraßen die Ziegen so manche Insel kahl. Ratten und wilde Hunde töten Schildkrötenbabys und Leguane.
Mit der „Angelito“ sind wir auf dem Weg nach Española. Dort wollen wir uns die Vogelkolonien anschauen. Hinter dem Boot tummelt sich eine Schar von Pelikanen und Fregattvögeln. Die beiden Skipper angeln unser Abendessen – einen halben Meter langen goldglänzenden Dorada. Die Fische werden direkt ausgenommen. Die Reste werfen die Matrosen wieder ins Meer. Pelikane und Seelöwen freuen sich über die Extramahlzeit.
Española ist die südlichste Spitze der Galápagosinseln. Die Attraktion sind die Vogelkolonien. Die Blaufußtölpel besiedeln fast das ganze Eiland. Schon am Strand steht das erste Exemplar mit den typisch leuchtendblauen Füßen, etwa so groß wie eine Gans. Auf dem flachen Felsplateau rücken überall in den Nistkuhlen die flauschigen Vögel hin und her. Während ich den Pfad entlanggehe, muß ich aufpassen, daß ich nicht auf eines der Jungtiere trete. Die Küken tummeln sich hier zu Zigtausenden. Ab und zu schnappt eine erboste Vogelmutter mit ihrem Schnabel nach mir. Ein Stückchen weiter stoßen wir auf Albatrosse. Auf Galápagos nisten etwa 12.000 Paare. Die etwa einen Meter großen Vögel mit ihren weißen Hälsen und gelben Schnäbeln stören sich nicht an unserer Anwesenheit. Die großen unbeholfenen Kolosse können nicht an vielen Stellen abfliegen. Sie watscheln zu einer steilen Felskante und stürzen sich von dort herunter.
Am Ende der Reise steht ein Besuch in Puerto Ayora auf Santa Cruz auf dem Programm. Er ist der Haupthafen auf den Galápagosinseln. Hier findet auf einer Straße das ganze Vergnügungsleben statt. Tagsüber verwandelt sich die Dorfstraße in eine Verkaufsmeile mit T-Shirt- und Postkarten- Shops. Man grüßt sich noch auf der Straße. Nach einem Tag gehören auch die Touristen zum Dorfleben dazu. Auf der Hafenmauer liegt eine fette Meeresechse und sonnt sich. Wie ein kleiner Drache spritzt sie ab und zu aus ihren Nüstern eine Salzlösung, die sie beim Abweiden von Algen unter Wasser aufnimmt. Gegenüber im Geschäft für Taucherzubehör rattert ein Motor ziemlich laut, der die Gasflaschen auffüllt. Aber das scheint den Iguana nicht zu stören. Er schläft. Auch sonst gibt es nichts, was ihn stören könnte. Um Mitternacht wird der Strom im ganzen Ort ausgestellt. In „Frankies“ oder den anderen Kneipen wird bei Kerzenschein weitergetrunken. Nur zwei Diskotheken im Ort verfügen über einen Generator. Hier dröhnt bis zum Morgengrauen Salsamusik.
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