Urlaub in Griechenland: Germanophob? Nicht nach dieser WM
Ob mit Schiff, Bus oder Bahn – wer sein vertrautes Ferienziel ansteuert, wird Zeichen der Krise vor Ort an jeder Ecke ausmachen.
Nein, in Griechenland wird nicht jeder ausländische Urlauber vom Tourismusminister mit Handschlag begrüßt. Zwar ist das Land diesen Sommer auf jeden ausländischen Besucher angewiesen, aber ein Tourismusministerium gibt es nicht. Das wird von den meisten griechischen Ökonomen heftig kritisiert, denn an den Touristenzahlen - das ist sicher - wird sich entscheiden, ob das Sparprogramm der Regierung Papandreou am Ende des Jahres aufgeht oder nicht.
In Athen ist für den „Fremdenverkehr“ nur ein Vizeminister im Kulturministerium zuständig, und auch der ist neu im Amt. Seine Vorgängerin musste vor zwei Monaten zurücktreten, als eine Zeitung aufdeckte, dass ihr Ehegatte dem griechischen Fiskus über 3 Millionen Euro Steuern schuldet.
Der Kampf gegen die Steuersünder soll dazu beitragen, das Haushaltsdefizit des griechischen Staats im Rechnungsjahr 2010 um ein Drittel oder 10 Milliarden Euro zurückzufahren. Noch wichtiger für die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen sind aber die Einnahmen aus dem Tourismus, die rund 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen. 2009 sind sie um 10,6 Prozent eingebrochen. Wenn die Branche dieses Jahr nicht deutlich zulegt, rückt der Staatsbankrott ein gutes Stück näher.
Das kann den europäischen Partnern Griechenlands nicht gleichgültig sein, wie inzwischen selbst Frau Merkel weiß. Deshalb könnten die Griechen ihre Tourismuswerbung mit dem Slogan bestreiten: Wer uns besucht, schenkt sich nicht nur tolle Ferien, sondern hilft auch den Euro zu retten.
Aber was erwartet die Besucher Griechenlands in diesem Sommer? Chaos und deutschfeindliche Hellenen, suggerieren einige deutsche Medien, die vor Streiks und Straßentumulten warnen. Und die im April nach den Demonstrationen gegen das Sparprogramm, bei denen drei Todesopfer zu beklagen waren, die griechische Hauptstadt fast als No-go-Area darstellten.
Die touristische Realität sieht anders aus. Athen ist weit sicherer als die meisten Hauptstädte Europas, aber im Sommer sollte man die Metropole ohnehin meiden. Und zwar wegen der Gluthitze, die sich in den engen, kaum begrünten Straßen aufstaut (!). Diese Temperaturen lähmen freilich auch die Protestbewegung gegen das Sparprogramm, die sich mit dem letzten Generalstreik vor zwei Wochen ohnehin in die Ferien verabschiedet hat.
Was die Touristen womöglich zu spüren bekommen, sind lokale und unberechenbare Streikaktionen. Zum Beispiel im Hafen von Piräus. Mehrmals in den letzten Wochen konnten die Fähren in Richtung der Inseln nicht ablegen, weil kleine Stoßtrupps von Streikenden die Kais blockierten. Diese nicht angekündigten - und gerichtlich verbotenen - Aktionen gehen auf das Konto zweier kleiner Gewerkschaften, die von der kommunistischen Partei (KKE) kontrolliert werden. Doch über diese Streiktaktik sind die Griechen - und erst recht die Bewohner der Inseln - so einhellig empört, dass die Hafenpartisanen in den Sommermonaten keine Konfrontation mehr riskieren werden. Schon gar nicht mit tausenden von Athenern, die sich vom Sturm auf die Inselfähren durch nichts und niemanden stoppen lassen.
Allerdings werden die Schiffe diesen Sommer nicht so überfüllt sein wie sonst. Angesichts der Kürzungen bei Einkommen und Renten, die im Durchschnitt 10 bis 15 Prozent ausmachen, können sich viele Athener Familien einen längeren Urlaub nicht mehr leisten. Das wissen auch die Reedereien. Sie haben ihre Tickets dieses Jahr nicht verteuert und vor allem die skandalöse Praxis aufgegeben, den Passagieren am Wochenende deutlich höhere Preise abzupressen.
Gravierende Folgen hat die griechische Krise für die staatliche Eisenbahn (OSE). Nostalgische Touristen, die im gemütlich rumpelnden Zug durchs Land fahren wollen, werden auf das viel dichtere Netz der Überlandbusse umsteigen müssen. Denn die Bahn ist pleite. Zu den 9,5 Milliarden Euro aufgelaufenen Schulden kommen jeden Tag weitere 3 Millionen hinzu. Die Regierung Papandreou sucht verzweifelt nach einem ausländischen Investor. Weil es den nicht gibt, hat der Verkehrsminister soeben verkündet, dass besonders defizitäre Strecken noch diesen Monat stillgelegt werden. Das gilt für alle Linien auf der Peloponnes, zum Beispiel zwischen Patras und Kalamata, aber auch für die Stichstrecke zum antiken Olympia (die aber nur dreimal pro Tag befahren wurde).
Probleme wird es auch mit dem gut ausgelasteten Intercity-Express Athen-Thessaloniki geben, der in dramatischen Kurven die mittelgriechische Bergwelt durchquert. Hier müssen Reisende jederzeit mit Proteststreiks rechnen, weil die Beschäftigten seit Monaten ihre Gehälter nur mit großer Verzögerung ausgezahlt bekommen. Die OSE hat die Subventionssumme, die ihr der Staat für 2010 bewilligt hat, schon Ende Mai zu zwei Dritteln ausgegeben. Und von den Banken bekommt ein derart überschuldetes Unternehmen keine Kredite mehr.
Ob mit Schiff, Bus oder Bahn - wer in Griechenland ein vertrautes Ferienziel ansteuert, wird Zeichen der Krise vor Ort an jeder Ecke ausmachen. Das Touristenrestaurant, das nur zu Ostern und im Sommer funktioniert, hat dichtgemacht, weil es die Personalkosten und die Miete nicht mehr zahlen kann. Oder weil der Besitzer von den neuerdings strengen Steuerprüfern heimgesucht wurde. Vor dem Fiskus mussten auch etliche Läden kapitulieren, die nur überlebensfähig waren, solange sie ihre Umsätze systematisch verschleiern konnten.
Das aber funktioniert nicht mehr, seit im April das neue Steuergesetz verabschiedet wurde. Es sieht Steuernachlässe für alle Bürger vor, die ihre täglichen Ausgaben mit Quittungen belegen. Seitdem geht niemand mehr aus dem Laden oder der Taverne, ohne eine Quittung zu verlangen. Die müssen seit dem 1. Juli sogar die Taxifahrer und Kioskbetreiber herausrücken, die damit vom Staat endlich zur korrekten Abführung der Umsatzsteuern gezwungen werden.
Für Gäste aus dem Ausland hat die strenge Steuerpolitik eine angenehme Seite: Weil sie nicht unbedingt auf der Quittung bestehen (!), sind sie diesen Sommer in den Tavernen besonders willkommen. Im Übrigen gehört die ruppige Bedienung, die alte Griechenlandfans fast schon lieb gewonnen haben, weitgehend der Vergangenheit an. Die Vergleiche mit dem Service im Nachbarland Türkei, von dem inzwischen auch hunderttausende griechischer Touristen nach ihrer Rückkehr schwärmen, haben nicht nur den gastronomischen Sektor wachgerüttelt.
Was die Preise betrifft, kann Griechenland allerdings weder mit der Türkei noch mit Spanien konkurrieren. Daran ändert auch die Krise nichts. Angesichts der Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 23 Prozent und einer Inflationsrate von 5 Prozent muss man sich eher wundern, dass die Hotel- und Restaurantpreise stabil geblieben sind. Das gilt auch für den Cappuccino, der von Korfu bis Rhodos so teuer ist wie an der Piazza Navona oder den Champs-Élysées. Das liegt vor allem an den Gewerbemieten, die für die simpelste Kaffeebar bei einigen tausend Euro liegen. Erfreulicherweise beginnen aber die Inhaber solcher Touristenbars zu rebellieren und ihre Mietzahlungen einseitig zu reduzieren. Wie man hört, geben die meisten Vermieter nach, weil sie wissen, dass sie in Krisenzeiten keinen Nachfolger finden.
Und was ist mit der fremden- und speziell der deutschfeindlichen Stimmung unter der Bevölkerung? Wenn es sie je gab, ist sie längst verstoben. Natürlich haben sich fast alle Griechen im Frühjahr über die Titelseiten von Bild und Focus erregt, die von jeder Athener Zeitung reproduziert wurden. Und sie ärgern sich, wenn sie von griechischen Deutschland-Touristen hören, dass sie auf der Straße teils verhöhnt, teils bemitleidet wurden. Aber die meisten haben weder die Absicht noch das Interesse, ihren Ärger ausgerechnet an den deutschen Griechenland-Besuchern auszulassen.
Seit Anfang Juni kommt ein weiterer Faktor ins Spiel. Zumindest die fußballverrückten Griechen schwärmen inzwischen von dem leichtfüßigen Kombinationswirbel der „jungen Deutschen“. Während einige Journalisten das Klischee von „den Panzern“ immer noch nicht aufgegeben haben, gratulieren Fußballkenner jedem Deutschen, den sie in der Nähe sehen.
Viele Griechen würden es allerdings auch schätzen, wenn die ausländischen Besucher an ihren Klischees arbeiten. Es würde schon reichen, wenn sie ab und zu den Kellner nach seinem Lohn fragen würden oder den Barbier nach seinen Rentenansprüchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!