Urheberrecht im Internet: Spezialisiert auf Textdieb-Jagd
Verlage und Autoren ahnden inzwischen konsequent Textdiebe im Internet. Möglich macht das vor allem neue Software. Vor allem viele Blogger sind empört.
Eva Schweitzer will konsequent sein. "Ich werde Philipp nicht ganz vom Haken lassen", sagt die freie Journalistin, die für viele Zeitungen und Magazine aus den USA berichtet, auch für die "taz". Ein Anwalt hatte dem Studenten in ihrem Auftrag eine Abmahnung samt Rechnung geschickt - weil der in seinem Blog zwar einen Text der Autorin lobte, das Werk aber auch kopierte ohne die Journalistin zu fragen, ob er das darf. Im Netz tobt seitdem ein Streit über die Frage, ob Schweitzers Aktion in Ordnung ist. Vor allem viele Blogger denken: eher nicht. Alles fing mit einem Artikel der in Manhattan lebenden Korrespondentin an. In der "Zeit" schrieb sie, wie schwer es für Zeitungen und Magazine sei, heute noch Recherche zu finanzieren. Auch Claus-Michael Gerigk las diesen Beitrag und wandte sich anschließend an die Journalistin. Gerigk hat sich darauf spezialisiert, Textdiebe zu jagen. Schweitzer wurde Kundin und Gerigk fing an, sein Geschäft zu machen. Er speiste Texte in ein Programm ein, dass Textguard heißt, wie auch seine Firma. Die Software sucht über Schnittstellen Kopien im Internet. Aus seinem Hamburger Büro schickte er schließlich eine Trefferliste nach New York. Etwa 50 Seiten fielen auf, die Schweitzers Texte kopierten, dafür aber gar nicht bezahlt hatten. So fanden sich ihre Berichte und Analysen auch auf Reiseportalen, in kommerziellen Foren und auf Philipps Blog. Zu Gerigks Geschäftsmodell gehört nicht nur, dass er nur auf Provision arbeitet, sondern auch, dass er seinen Kunden Anwälte empfiehlt, die die Treffer ahnden. Juristisch handelt es sich bei den Treffern um eine sogenannte Urheberrechtsverletzung. Zwar hat jeder das Recht, einen fremden Text zu zitieren, aber eben nicht komplett. Das Problem ist: Bei vielen Internetnutzern ist das nicht angekommen. Bisher konnten solche Verstöße auch kaum geahndet werden, weil sie schlicht nicht auffielen. Das ändert sich jetzt, seitdem es Programme wie Textguard gibt - auch für Fotos sind ähnliche Produkte übrigens bereits im Test. Prominentester Kunde von Gerigk ist die Nachrichtenagentur AFP, für die Textguard schon seit diesem Frühjahr die Archivbestände mit dem Internet abgleicht. Die Folge sind hunderte Abmahnungen für tausende einzelne Treffer. Darunter Ertappte, die über Jahre systematisch AFP-Meldungen kopierten. Viele Zeitungshäuser stellen das Material freilich ganz legal auf ihre Portale, weil sie für die Dienste der Agentur bezahlen. AFP-Geschäftsführer Andreas Krieger sagt, ausnahmslos alle von den Anwälten der Agentur verschickten Rechnungen würden "spätestens dann beglichen, wenn eine Anklageschrift zugestellt wird". Zu Prozessen ist es also noch nicht gekommen. Krieger: "Wir treffen also die Richtigen." Die Nachrichtenagentur dpa vertreibt wiederum eine Dienstleistung namens Attributor. Unter anderem die FAZ sucht damit bereits nach Kopien, dpa selbst natürlich auch. Sie bietet Attributor zudem gerade Regional-Zeitungen an. Dabei spüren Attributor und Textguard sogar Textdiebstähle auf, bei denen Artikel nur teilweise kopiert wurden. Der Geschäftsführer der zuständigen dpa-Tochter Infocom, Meinolf Ellers, erklärt: "Die Software findet Treffer bis auf sieben Wörter genau." Jeder Treffer werde aber einer Einzelfallprüfung unterzogen, weil die Grenze zwischen Urheber- und Zitatrecht eine nur schwer zu definierende Linie sei. Ellers will vor allem "ein Unrechtsbewusstsein schaffen, weil es hier um Inhalte geht, hinter denen Arbeitsplätze stehen". Wie seine Mitbewerber bei AFP betont auch der dpa-Mann, es gehe dabei nicht um private Kopien, sondern um Seiten, die den geklauten Texten Werbung beistellten oder an die ein Online-Shop gekoppelt sei. Außerdem sehe man bei dpa in vielen Textdieben gar nicht Kriminelle, sondern "mögliche Geschäftspartner", denen man ein Abo der eigenen Dienste verkaufen wolle. Und im Fall des Privatbloggers Philipp gegen die Journalistin? Schweitzer sagt, sie dränge jetzt darauf, dass der Student eine Spende an einen Verein wie Amnesty International zahlt: "Die soll ihn natürlich nicht umbringen, aber zumindest ein Denkzettel sein."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten