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Urban Sports Club und Co.Viel Andrang, wenig Einnahmen

Der Trend zu Abomodellen verändert den Sportmarkt und bedroht die Existenz von Studios. Vermittlungsplattformen locken mit extrem günstigen Angeboten.

Gut besucht, doch kaum überlebensfähig: so geht es kleinen Yogastudios beim Urban Sports Club Foto: Jamie Fine/reuters

München taz | Julia Becker (Name geändert) hat mit ihrem Yoga­studio in München ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Trotzdem spielt sie mit dem Gedanken aufzuhören. 90 Prozent ihrer Kundinnen und Kunden kämen inzwischen über eine Vermittlungsplattform wie Urban Sports Club oder ClassPass, sogenannte Fitnessaggregatoren. Über Abomodelle können Kundinnen und Kunden viele Studios nutzen und verschiedene Sportkurse besuchen. „Aus Endverbrauchersicht ist das natürlich cool, aber uns macht’s kaputt“, sagt Becker.

Eigentlich wollte Becker nicht mit den Vermittlungsplattformen zusammenarbeiten, doch sie musste ihren Plan ändern. Weil ohne nicht genug Leute kämen, sagt sie. Kleinen Studios bleibe gar nichts anderes übrig, als mit den Vermittlungsplattformen Verträge einzugehen und so Kunden zu gewinnen. Die schlechten Vertragsbedingungen führten jedoch zu überfüllten Studios und unzufriedenen Kunden. „Ich hab das Studio mit so viel Herzblut eröffnet“, sagt die Yogalehrerin, „aber ich habe diese Lobby wirklich unterschätzt“.

Wer ein Abo bei einer Vermittlungsplattform hat, kann auf ganz unterschiedliche Sport- und Wellnessangebote zugreifen. Urban Sports Club kooperiert nach eigenen Angaben mit über 7.000 Partnerstandorten in Deutschland. Eine Mitgliedschaft bei Urban Sports Club kostet zwischen 24 und 159 Euro im Monat. Je nach Tarif können Mitglieder vier Mal im Monat bis täglich die Partnerstudios der Plattform nutzen. Wer mehr zahlt, hat mehr Freibesuche und mehr Auswahl. Auch die Plattform ClassPass kann man als Privatperson nutzen, hier funktioniert das Modell nach einer Art Punktesystem. Andere Anbieter wie Wellpass und Hansefit bieten ausschließlich Abos für Firmenfitness an, hier wird ein Teil der Kosten vom Arbeitgeber übernommen, das Modell ist dasselbe: viel Angebot für wenig Geld.

„Schon die Entwicklung, dass neben den Sportvereinen Fitness­studios entstanden sind, war ja eigentlich ein Trend zur Individualisierung und Flexibilisierung. Jetzt haben wir eine weitere Stufe dieses Trends“, sagt Christoph Breuer, Professor für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Laut Breuer haben die Plattformen inzwischen eine hohe Marktmacht. Allein 2023 stieg ihr Umsatz um über 40 Prozent an, zeigt eine Studie der Beratungsfirma Deloitte. Auch die Mitgliederzahlen wuchsen in einem Jahr um über 30 Prozent auf 726.000. Ein Erfolgsmodell?

Studio voll, aber kaum überlebensfähig

„Mein Studio ist jetzt voll“, sagt Julia Becker aus dem Münchner ­Yogastudio. Von den knapp 8 Euro, die sie von Urban Sports Club pro Kunde für einen Kurs bekomme, könne das Studio jedoch kaum überleben. Bei WellPass bekomme sie immerhin 10 Euro, aber auch das rechne sich kaum. „Aggregatoren generell zerstören den Markt komplett“, findet Becker. Sie stehe mit anderen Yogastudios im Austausch, denen es ähnlich gehe. „Ich weiß von Kollegen, die überlegen tatsächlich zu schließen.“ Weitere Yoga­studios in München wollten auf Anfrage nicht über die Zusammenarbeit mit Urban Sports oder anderen Aggregatoren sprechen. In den Verträgen ist festgelegt, dass sie das nicht dürfen. Auch Becker wollte deswegen anonym bleiben. Studios in anderen Städten, das bezeugen etwa Medienberichte der Wochenzeitung Die Zeit und der Leipziger Volkszeitung, haben mit ähnlichen Bedingungen zu kämpfen.

Urban Sports Club wollte sich auf Anfrage dertaz nicht äußern. In einem Interview mit dem Freitag sagte Firmenchef Moritz Kreppel, er wolle „Menschen dazu inspirieren, aktiver und gesünder zu leben“. Vor wenigen Wochen betonte er gegenüber der Zeit, man nehme den Studios viel administrative Arbeit ab, „damit sich diese auf ihre Passion konzentrieren können, nämlich auf den Sport“.

Unklare Realität der Kundinnen

Die Vermittlungsplattformen werben mit ihrem breiten Angebot und der Flexibilität für die Mitglieder, wie die Realität der Kundinnen und Kunden tatsächlich aussieht, ist jedoch unklar. „Wir wissen relativ wenig darüber, wie sich die USC-Mitglieder verhalten und wie stark sie die unterschiedlichen Angebote wirklich nutzen“, sagt Christoph Breuer. Der Sportökonom sieht, dass der Sportmarkt durch Fitnessaggregatoren insgesamt weiter wächst und profitiert. Gleichzeitig weiß Breuer, dass die Abomodelle den Studios einen geringeren Umsatz einbringen als Direktkunden. „Wenn diese Marktmacht noch stärker ausgeprägt wäre, dann könnte es natürlich irgendwann negative Auswirkungen haben.“

Die Stadt München sieht noch keine negativen Auswirkungen auf den Sportbetrieb. Zahlen zu den Entwicklungen von Vermittlungsplattformen und Abomodellen in München liegen der Stadtverwaltung zwar nicht vor, das Referat für Bildung und Sport betont jedoch, zumindest die Münchner Sportvereine hätten sich in den vergangenen Jahren stets positiv entwickelt. Die Mitgliederzahlen nähmen seit der Corona-Pandemie wieder zu und auch vor der Pandemie sei der Trend stets positiv gewesen.

Marktbereinigung möglich

Ihren Sportvereinen bleiben die Menschen in München also weiter verbunden. Christoph Breuer warnt dennoch vor der Wandlung auf dem Markt. Der Wettbewerb verändere sich dauerhaft und noch wüssten viele Vereine und Studios nicht damit umzugehen, sagt er. „Wenn die Studios darauf keine Antwort finden, kann es zu einer Marktbereinigung kommen.“

Marktbereinigung klingt nach Frühjahrsputz. Konkret heißt der Begriff aber, dass kleine Firmen einfach pleite gehen. Unternehmerinnen wie Julia Becker müssten ihre Studios schließen. Mit ihrem Yoga­studio wollte Becker ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Aber die schlechten Preise, die ihr Studio immer voller machen, nehmen ihr die Freude. „Hätte ich das gewusst, hätte ich das Studio nicht eröffnet.“

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