piwik no script img

Unwetter Gewitter und Starkregen fordern Todesopfer und führen zu großen Schäden in mehreren LändernLand unter in Europa

aus Berlin Richard Rother

TM nennen Meteorologen kurz und knapp die Wetterlage, die derzeit für so viel Unheil in Deutschland und seinen Nachbarländern sorgt. TM – das steht für „Tief Mitteleuropa“, und das Fatale an dieser Wetterlage ist, dass sie so stabil ist und auch über das Wochenende hinaus anhält. Erst in der neuen Woche deutet sich eine Beruhigung an. Während bei einem „Hoch“ Absinken herrscht, was zu Wolkenauflösung führt, können sich bei einem Tief Wolken durch Aufsteigen bilden. Wenn, wie jetzt, die vorherrschende Luftmasse sehr warm und sehr feucht ist, kann es zu heftigen Gewittern, Hagel und Starkregen kommen – mit katastrophalen Folgen für die betroffenen Gebiete.

Unwetter gab es nicht nur im Süden und Westen Deutschlands, sonder auch in Tschechien, Belgien und Frankreich. In Paris hat der Starkregen der vergangenen Tage die Seine in Paris so stark ansteigen lassen wie seit fast 35 Jahren nicht mehr. Wegen der Überschwemmungen wurden der Louvre und weitere Museen geschlossen, Uferstraßen und eine Bahnlinie blieben gesperrt.

In Deutschland waren zuletzt vor allem Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern von Unwetter und Überschwemmungen getroffen, wobei mehrere Tote zu beklagen waren. Besonders dramatisch war der Fall einer Seniorin im bayrischen Untertürken. Die Wucht des Wasser des über die Ufer getretenen Baches hatte ihr Haus zum Einsturz gebracht und die Frau mitgerissen; sie wurde zwei Kilometer weiter tot aufgefunden. Allein in Bayern starben sieben Menschen. Für Baden-Württemberg rechnen die Versicherer mit Schäden in Höhe von 450 Millionen Euro.

Warum aber traf es viele Orte in Deutschland so plötzlich und unvorbereitet? Auch dies hängt mit der besonderen Wetterlage zusammen – im Unterschied zu anderen Flutkatastrophen, etwa an Elbe und Oder. Sie wurden verursacht durch lang anhaltende Regenfälle und den Quell- und Einzugsgebieten am Oberlauf der Flüsse. Bis die Flut am Unterlauf ankommt, vergehen ein paar Tage – und die Bevölkerung und die Katastrophenschützer können sich darauf vorbereiten.

Bei den aktuellen Überschwemmungen handelte es sich oft um lokale Ereignisse, etwa im baden-württembergischen Braunsbach. Wenn sich eine kräftige Gewitterzelle stundenlang kaum verlagert, können innerhalb kürzester Zeit riesige Regenmengen zusammkommen. Fließen sie ungebremst Berge und Hügel hinab und in die Stadt hinein, kommt es zur lokalen Katastrophe. Aber: Auch im Flachland, beispielsweise in Berlin, hätten solche Regenmengen wie in Braunsbach zu Überschwemmungen geführt.

Lokale Gewitter lassen sich häufig erst kurz vorher vorhersagen, oft nur wenige Minuten im Voraus

Auch die Versiegelung der Landschaft, die Begradigung von Bächen, die Rodung von Wäldern und der Umbruch von Feuchtwiesen zum Maisfeldern verschärfen die lokale Überflutungsproblematik. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Fallen innerhalb kurzer Zeit 100 Liter Regen pro Quadratmeter, kommt es zu Überschwemmungen. So viel Wasser kann keine Wiese und kein kleines Moor am Ortsrand aufnehmen. Ähnliches gilt für Hagel: Kein noch so sanfter Umgang mir der örtlichen Natur kann die Menschen vor Hagelschlag schützen.

Den Meteorologen fällt es schwer, lokale Unwetter vorherzusagen. Sie können zwar festellen – anhand von prognostizierten Werten für Luftfeuchtigkeit, Temperaturen und Winden in den verschiedenen Höhenschichten – in welchen Gebieten Gewitter wahrscheinlich sind. Wo genau diese aber auftreten, wissen sie nicht. Dies lässt sich anhand von Radarbildauswertungen erst kurze Zeit vorher sagen, wobei es sich um Minuten beziehungsweise Viertelstunden handelt.

Immerhin schweißen Naturkatastrophen die Menschen zusammen: Im bayrischen Simbach packen Anwohner und Asylbewerber gemeinsam an, die Stadt von Schlamm und Geröll zu beseitigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen