Unterwegs in Kanada: Gold, Kartoffeln und Hitchcock
Den Wilden Westen gibt's auch in Kanada. Und einen aus der Zeit gefallenen Saloon gleich noch dazu. Zu Besuch im „Packing House“ in British Columbia.

Das mag an Tucholskys berühmte deutsche Bananen erinnern. Aber in unsicheren Zeiten ist es aus Sicht der KanadierInnen sicher nicht schlecht, für manches lokale Produkt unabhängig von anderen Ländern zu sein.
Da trifft es sich, dass Kanada auch Orte bietet, die man beim ersten Anblick eigentlich als Ur-Americana eigentlich Tausende Kilometer weiter südlich verorten würde: ein zartes Wild-West-Panorama, sogar mit echter Wüstenvegetation.
Gemeint ist der Gold Rush Trail, der sich als schmaler Streifen vom Südosten British Columbias bis ins zentral in der kanadischen Provinz gelegene Prince George erstreckt. Umgeben ist der Trail von tiefem Wald, ein besonderes Mikroklima verleiht dem Flecken mittendrin ein ganzjährig semitrockenes Wüstenklima, mit den heißesten Temperaturen in ganz British Columbia
In dieser Wüste, die sich so plötzlich materialisiert, wie sie wenige Dutzend Meilen später schon wieder vorbei ist, befindet sich nun ein ebenso unerwarteter Ort zum Einkehren: das Packing House. Wer auf dem British Columbia Highway 1 unterwegs ist, kann es bei einem Zwischenstopp in Spences Bridge ganz einfach finden.
„Jetzt halte ich Sie als Geisel fest!“
Ein Holzhäuschen vor einer kleinen graslosen Anhöhe, mitsamt typischer Western-False-Front-Architektur – jener hochgezogenen Fassade, die das Bauwerk größer erscheinen lässt, als es tatsächlich ist –, sowie zugehöriger Postfiliale und Kaufmannsladen. Auf der anderen Seite des Schotterwegs befindet sich das Baits Motel, das mit der Unterkunft aus dem Hitchcock-Horror neben dem Namensklang auch eine gewisse Aura teilt.
Drinnen warten runde Tische mit Holzstühlen im so üppig dekorierten wie schmal bemessenen Saloon auf Gäste. Man kann gar nicht anders, als in dieser Gemengelage an einen Film zu denken. Gerade eingetreten, werden die Jalousien heruntergelassen: „Jetzt halte ich Sie als Geisel fest!“, sagt eine ältere Dame und freut sich dabei sichtlich, während sie die Speisekarten verteilt und Bestellungen aufnimmt.
In Zeiten, wo alles exakt so gemeint ist, wie von Bösewichten angekündigt, sorgt das für einen kurzen Suspense-Moment. Aber dann gibt es das beste Essen auf diesem Roadtrip: hausgemachtes Chili, Sandwiches wie für zwei Hauptmahlzeiten, und ein bisschen Smalltalk gratis dazu.
Falls man irgendwo stranden müsste, dann bitte an einem Ort wie dem Packing House; von hier aus wären es auch nur wenige Schritte hinüber zum Motel. Falls nicht, kann man weiter ins rund 40 Kilometer weiter nördliche, ebenso aus der Zeit gefallene Ashcroft fahren und das örtliche Heimatmuseum besuchen.
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Mit etwas Glück erzählt hier ein Guide namens Peter von der chinesisch-kanadischen Geschichte zu Zeiten des Goldrauschs. Oder von einer Tänzerin, die in ihren Auftritten indigene und englische Sprache miteinander verband.
Der fruchtbare Vulkanascheboden in der Region sorgte übrigens seinerzeit ebenso für einigen Hype, auch weil in ihm die dicken Kartoffeln reiften. Die sollen sogar Queen Victoria in England begeistert haben.
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