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UnterwasserlärmSchüsse im Schutzgebiet

Türkises Meer, springende Delfine: Der französische Nationalpark Port Cros ist paradiesisch. Doch der Lebensraum wird gestört – auch vom Militär.

Müssen oft ziemlichen Krach aushalten: Fische im Schutzgebiet Port Cros Foto: Annika Hammerschlag/ap

MITTELMEER, KATAMARAN „WAKA“ taz | Plötzlich fallen Schüsse. Ein Helikopter klappert in der Luft über dem Meer. Per Funk weist das französische Militär Boote an, den Bereich zu verlassen. Es hält Schießübungen ab – mitten im Nationalpark Port Cros. Das Schutzgebiet befindet sich etwa zehn Kilometer vor der französischen Côte d’Azur und soll Pflanzen und Tieren einen wertvollen Lebensraum bieten. Während der Militäraktion ist der Lebensraum aber vor allem eines: laut.

Nicht nur über der See, auch unter Wasser verursachen solche Militärübungen, aber etwa auch Schiffsmotoren oder Öl- und Gasbohrungen einen ohrenbetäubenden Lärm. Dieser Unterwasserlärm ist ein oft übersehenes Problem für Meeresökosysteme.

Das Projekt

Grüße vom Katamaran „Vaka Okeanos“: Eine Gruppe von Nach­wuchs­jour­na­lis­t*in­nen hat eine Woche lang auf dem Boot im französischen Mittelmeer recherchiert, um mehr über die Krise der Ozeane zu lernen. In ihrer Berichterstattung angeleitet wurden sie von Journalismus-Professor Torsten Schäfer, der an der Hochschule Darmstadt unterrichtet. Das Projekt wurde von der Stiftung Okeanos unterstützt. Die taz veröffentlicht die Ergebnisse als Medienpartnerin.

Alain Barcelo, wissenschaftlicher Leiter des Nationalparks Port Cros, ist entsprechend besorgt. Der Lärm, der durch militärische Aktivitäten in verursacht wird, beeinträchtige die Meereslebewesen. Besonders problematisch seien Explosionen in kurzer Distanz. „Wir arbeiten jedoch mit dem Militär zusammen, um die akustischen Auswirkungen zu verringern“, erklärt Barcelo. Problematisch sei zudem nicht nur die Schießerei, auch die vielen nicht-militärischen Boote rund um die Inseln des Gebiets würden für Lärm sorgen.

Besonders für Meereslebewesen, die auf Schall angewiesen sind, sind die Folgen dieser menschengemachten Geräuschkulisse laut dem International Fund for Animal Welfare (IFAW) verheerend. Delfine beispielsweise nutzen Echolokation: Sie senden Schallwellen aus, die auf Objekte oder Hindernisse treffen. So erkennen sie Form, Entfernung und Größe des Gegenübers. Selbst bei völliger Dunkelheit erkennen sie so ihre Beute.

Unterwasserlärm überlagert jedoch die natürlichen Klänge des Meeres, was es Walen, Delfinen und anderen Meerestieren erschwert, miteinander zu kommunizieren, Beute oder Partner zu finden sowie Fressfeinden zu entkommen.

Schutzgebiet ist nicht gleich Schutzgebiet. Welche Aktivitäten dort zum Schutz der lokalen Arten nicht erlaubt sind, ist sehr unterschiedlich. Zwar gibt es ein Weltnaturschutzabkommen, in dem die Regierungen 2022 versprochen haben, bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen – aber was heißt das? Teilweise eben, dass die Tier- und Pflanzenwelt noch mit so einigen Störungen leben muss.

Alain Barcelo vom Nationalpark Port Cros geht pragmatisch an die Schießübungen heran, auch wenn sie für Teile seiner Schützlinge belastend sind. Man müsse ein Gleichgewicht finden zwischen dem Schutz des Meeres, der Natur und den militärischen Notwendigkeiten, sagt er. Trotzdem setzt er sich dafür ein, militärische Übungen in bestimmten Zonen zu verbieten.

Für Artenschutz fehlt das Geld

Ein Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums erklärt, dass während der Übungen mit Sonaren ausgestattete Schiffe ständig die Anwesenheit von Meeressäugern überwachen würden.

Teils scheitert der effektive Artenschutz aber auch schnöde am Geld. In Port-Cros habe es zeitweise ein akustisches Überwachungsprotokoll gegeben, erzählt Barcelo. Das sei jedoch eingestellt worden – personelle und budgetäre Gründe.

Immer noch gebe es aber wissenschaftliche Projekte. Dabei wird mit moderner Technologie zum Beispiel erhoben, wo und wann sich Meeressäuger fortpflanzen oder ausruhen, um die Funktionalität ihrer Lebensräume besser zu verstehen. Diese Erkenntnisse helfen Barcelo zufolge, dem Militär aufzuzeigen, welche Gebiete besonders schützenswert seien. Auch mit Reedereien und Schiffsbauern arbeitet der Nationalpark zusammen, um die Lautstärke von Schiffen zu reduzieren.

Ein Ansatz dafür wäre gar kein technischer, sondern ganz einfach ein Tempolimit. Langsamere Schiffe machen weniger Krach. Die Hoffnung: dass sich die Delfine und sonstigen Bewohner von Port Cros in Zukunft mit viel weniger Störung durchs Meer bewegen können.

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