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Untersuchungsausschuss „Unmoralisches Angebot“

■ Die grüne Bürgerschaftsfraktion will Bremerhavens Rechungsprüfungs-Affäre untersuchen lassen

Eine kommunalpolitische Hängepartie geht in die letzte Runde: Die Grünen haben gestern einen Antrag auf Einrichtung eines Untersuchungsausschusses der Bremischen Bürgerschaft zur Affäre um das Bremerhavener Rechnungsprüfungsamt vorgelegt. „Wir haben uns nicht darum gerissen“, sagte Fraktionssprecherin Karoline Linnert gestern Nachmittag, „aber wir sehen keine andere Möglichkeit Licht in die Vorgänge zu bringen.“ Der Bremerhavener Stadtverordnete Hans-Richard Wenzel erklärte, warum die Bremerhavener Grünen erst nach Monaten auf die Zusage der Bürgerschaftsfraktion zurückkamen, im Notfall einen Untersuchungsausschuss zu beantragen: „Das hat auch mit dem schwierigen Verhältnis von Bremen und Bremerhaven zu tun.“ Seit er allerdings auf seinen jüngsten Antrag auf eine Sondersitzung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses von Bremerhavens Stadtverordnetenversammlung keine Antwort mehr erhalten habe, könne die Affäre in Bremerhaven nicht mehr aufgeklärt werden.

Dem Leiter des Rechnungsprüfungsamtes Rainer Mattern, mit dem die Stadtverwaltung seit langem im Clinch liegt, war im Herbst 2000 ein Vertragsentwurf vorgelegt worden, nach dem er auf einen Teil seiner Prüfpflichten verzichten und sich überregional auf jede Stelle bewerben sollte (die taz berichtete). Im Gegenzug hätte die Stadt eine wegen eines Disziplinarverfahrens lange aufgeschobene Beförderung in Aussicht gestellt – ein „unmoralisches Angebot“, wie die Grünen finden. Ermittlungen gegen den damaligen SPD-Fraktionschef Klaus Rosche als Überbringer hatte die Bremer Staatsanwaltschaft mit der Begründung eingestellt, es handele sich zwar um eine Nötigung, jedoch nicht um eine „strafrechtlich verwerfliche“.

Der Untersuchungsausschuss soll nun unter anderem klären, wer den Vertrag seinerzeit aufgesetzt hatte. Aber auch vermutete unzulässige Einflussnahmen auf das Rechnungsprüfungsamt durch „Organe des Landes und der Seestadt“ sollen Thema sein. Gemeint sind vor allem Stadtverordnetenvorsteher Artur Beneken und Oberbürgermeister Jörg Schulz (beide SPD). Schulz soll durch verschiedene Dienstanweisungen Einfluss auf die Arbeit des Amtes genommen haben.

Als Konsequenz aus dem zweiten Untersuchungsausschuss in der laufenden Wahlperiode erwarten die Grünen auch gesetzliche Anpassungen: So sollten ihrer Ansicht nach in Zukunft die Berichte des Bremerhavener Rechnungsprüfungsamtes veröffentlicht werden wie in anderen Kommunen auch. Besonders angesichts der nun nach Bremerhaven strömenden Sanierungsmittel sei eine unabhängige Rechnungsprüfung dringend notwendig, so Wenzel.

Mit Unverständnis reagierte gestern der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion Jens Böhrnsen: Es sei nicht einzusehen, dass die Grünen einen kommunalpolitischen Vorgang aus Bremerhaven auf die Bremer Bühne zögen. So etwas müsse in der Seestadt geklärt werden. Bevor die SPD den Grünen wie vereinbart die nötigen Stimmen für den Grünen-Antrag bereitstellt, will er die Zuständigkeit des Landes rechtlich prüfen. Darüber sind sich die Grünen indes sicher: Sie berufen sich auf ein früheres Urteil des Staatsgerichtshofes. Jan Kahlcke

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